Wo Bäume im Weg stehen

Baumstämme

Autos, die außer Kontrolle geraten, brauchen eine baumlose Auslaufpiste

„Ich war und bin immer für eine gewisse Reisegeschwindigkeit zu haben. Wenn allerdings einer oder eine glaubt, er oder sie müsste auf der B2 zwischen Weilheim und Murnau mit 140 bis 275 Stundenkilometer dahinrasen, dann sollte der Führerschein lebenslänglich eingezogen werden. Ein solches Risiko für das Gemeinwohl darf einfach nicht akzeptiert werden.“
Solche und ähnliche Kommentare gibt es zu hören, wenn von den Baumfällaktionen der Behörde im nördlichen Landkreis von Garmisch-Partenkirchen gesprochen wird. Aber hören wir uns einfach mal die schlagkräftigsten Argumente für oder gegen Bäume am Straßenrand an:

Luggi, der Raser:

Wie können diese Naturschützer das Le­ben einer Pflanze über das Leben eines Men­schen stellen? Der Baum ist kein Lebewesen! Und deshalb ist es verwerflich, Grablichter auf Baum­stümpfen aufzustellen. Mit einer Baumfällaktion werden ja Menschenle­ben gerettet. Wir können doch nicht einfach zuschauen und noch mehr Menschen – ob selbst schuld oder nicht – einfach sterben lassen. Muss man wirklich noch näher auf die Argumen­te der Baumfällgegner einge­hen? Diese sind sowas von ideo­logisch, wirr, un­durch­dacht, abstrus und menschen­ver­ach­tend, dass sich eine sachliche Diskussion einfach erübrigt. Bäume und Wälder gibt’s doch genug. An Straßen, wo man auch mal etwas schneller fahren kann, machen doch Bäume keinen Sinn, sondern sind eine Gefahr für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer. Menschenschutz ist doch wichtiger als alles andere.

Bernd, der Geschädigte:

Ich bin so froh, dass die Baumfällaktion an der B2 fortgesetzt wird. Wenn auf dem knapp 13 Kilometer langen Abschnitt zwischen Weilheimer Südspange und Spatzenhausener Kreisel rund 90 Bäume fallen, ist das keine Katastrophe. Das geschieht ja nur, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Man kann ja auch so wie ich ohne eigene Schuld an einen Baum fahren, weil dich so ein entgegenkommendes Arschloch nachts brutal anblendet. Dieser Typ ist dann einfach weitergefahren, ohne sich um mich zu kümmern. Gott sei Dank war ich nicht so schnell unterwegs wie der, und so ist mir auch nicht so viel passiert.

Fritz, der Zyniker:

Das Entfernen von Straßenbäumen halte ich im Grunde für eine sehr gute Idee. Da wird der Natur endlich einmal klar gezeigt, wer heutzutage bei uns das Sagen hat und wie sehr ihre Auswüchse insbesondere in Form von Bäumen der ungehinderten Fortbewegung freier Bürger im Wege stehen. Bäume gelten nämlich als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Und um alle möglichen Gefahren durch sogenannte Fahrfehler zu vermeiden, sollte sich jeder Autofahrer möglichst rasch einen freundlich sprechenden Bordcomputer einbauen lassen, der ihn auf beginnende Glatteisbildung, kritische Straßenverläufe oder Verengungen rechtzeitig mit der Ansage »Bitte gehen Sie vom Gas!« auf diese bevorstehenden Gefahren hinweist.

Bruno, der Naturschützer:

Wie unsensibel eine Behörde vorgeht, kann man an der B2 am besten sehen. Wer ohne Ankündigung auf rund 1,3 Kilometern fast 100 Bäume umsägt, der muss einfach mit massiven Protesten von uns Naturschützern und umweltbewussten Bewohnern rechnen. Die Behörde tut so, als ob die Bäume an den schweren und zum Teil tödlichen Unfällen schuld sind. Aber schuld sind einzig diejenigen, die mit nicht angepasster Geschwindigkeit fahren und an unübersichtlichen Stellen überholen.

Platino, der Philosoph:

Wie kann man sich nur als Mensch über die Natur stellen? Natürlich ist es todtraurig, wenn man sich vorstellt, was es für eine Familie bedeutet, wenn ein Angehöriger im Straßenverkehr durch maßlose Selbstüberschätzung, Raserei oder auch Fremd­verschulden den Tod findet oder schwer ver­letzt wird, weil ein Baum im Weg ist. Und trotzdem: Die Bäume stellen sich ja nicht den Autos in den Weg, es sind doch die Autos, die durch ihre Fahrer und Fahrerinnen an die Bäume gelenkt werden. Straßenbauer und Autofahrer haben die Bäume, die schon viele Millionen Jahre alt sind, zu ihren schlimmsten Feinden gemacht, die weggeschlagen werden sollen. Einen Krieg gegen Bäume zu führen, die sich ja gegen die Säge der Menschen nicht wehren können, ist aber wahrlich keine Heldentat, sondern zutiefst feige und schäbig. Es zeigt die niedere Gesinnung des heutigen Menschen gegenüber der Natur. Wer es mit dem Schutz von Menschen ernst meint, kann doch keinen Krieg gegen die Natur führen. Was tut z. B. die Behörde, wenn durch riskante Überholmanöver immer wieder unschuldige Verkehrsteilnehmer auf der Gegenfahrbahn verletzt oder totgefahren werden? Wird dann der Gegenverkehr verboten und werden dann überall nur Einbahnstraßen gebaut? Das wäre auch echter Menschenschutz, aber eben unerwünscht, nicht denkbar und zu umständlich. Fahren Raser aber immer wieder gegen Bäume, dann haut man einfach die Bäume um, um bei oft vermeidbaren Fahrfehlern den Aufprall zu verhindern.

Zusammenstellung: Sigi Müller

 

So sieht es am Straßenrand der B 2 aus, wo fast 100 Bäume gefällt wurden und auch die Marterl der Opfer stehen.

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