JA – NEIN – VIELLEICHT IRGENDWANN SPÄTER MAL
Die EU-Zulassung von Glyphosat sollte eigentlich bereits Ende 2015 auslaufen,
- wurde damals aber bis 30. Juni 2016 verlängert
- dann nochmals bis Ende 2017
- und schließlich wiederum für 5 Jahre bis Ende 2022
- und letztendlich um ein weiteres Jahr bis Ende 2023.
Allein dieser Vorgang zeigt für mich den Kampf der unterschiedlichen Interessen sehr deutlich.
Deutschland hatte sich bei den Abstimmungen lange Zeit enthalten. Ende 2017 stimmte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) der Verlängerung um 5 Jahre zu, was zu heftigen Diskussionen zwischen den verschiedenen Parteien des Bundestags führte.
Im September 2023 schlug nun die Europäische Kommission eine Verlängerung der Zulassung um weitere 10 Jahre vor, bekam allerdings im Oktober 2023 keine Mehrheit dafür, sodass die Entscheidung nochmals verschoben wurde.
Die Beurteilung der Gefahren für Mensch und Natur durch den Einsatz von Glyphosat geht weit auseinander. So sieht die EU-Lebensmittelbehörde laut einem Bericht in der Tagesschau am 6. Juli 2023 keine kritischen Bereiche für Mensch, Tier und Umwelt, die Anlass zur Sorge geben, und steht deshalb einer weiteren Zulassung unkritisch gegenüber. Dies obwohl die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher und Risiken für Wasserpflanzen sowie die Auswirkungen auf die Artenvielfalt als ungeklärt gelten.
Verschiedene Umweltorganisationen sehen eine Vielzahl von Gefahren durch dieses Pestizid, das u. a. auch in der Muttermilch nachgewiesen werden kann. Zudem hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO Glyphosat bereits 2015 in die Kategorie 2 A, d. h. wahrscheinlich krebserzeugend für Menschen, eingestuft. Andere Gremien und Studien widersprachen dem in den Folgejahren wieder.
Dennoch ist im Merkur mit Datum vom 25.10.2023 zu lesen: „St. Louis – Vor dem Hintergrund des aktuellen Streits in der EU um die Neuzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat musste der Hersteller Bayer in den USA einen neuen Rückschlag hinnehmen. Vor einem Geschworenengericht in St. Louis, Missouri, wurde der Konzern zu einer Schadensersatzzahlung von 1,25 Millionen US-Dollar (ca. 1,18 Millionen Euro) verurteilt. Der Kläger, John Durnell, wirft dem Agrar- und Pharmakonzern vor, durch den Kontakt mit dem Unkrautvernichter Roundup an Krebs erkrankt zu sein. (…)“
Eine Vielzahl von Organisationen setzt sich seit Jahren vehement für ein Verbot von Glyphosat ein – darunter auch der BUND und das Ökoinstitut München. Wir drucken deren letzte Pressemitteilungen zu diesem Thema hier ab.
Renate Müller, Schongau
Pressemitteilung BUND vom 13. Oktober 2023
EU-Entscheidung: Glyphosat-Verbot weiter notwendig
Zur Vertagung der EU-Entscheidung zur Wiederzulassung von Glyphosat und dem deutschen Abstimmungsverhalten erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Deutschland hat sich bei der heutigen Abstimmung der Mitgliedsstaaten zur Wiederzulassung von Glyphosat im zuständigen EU-Ausschuss (SCOPAFF) enthalten. Diese Enthaltung wurde von der FDP aktiv erzwungen. Wir kritisieren, dass die FDP den Koalitionsvertrag, in dem ein Vermarktungsstopp ab 2024 vereinbart wurde, sehr fragwürdig auslegt. Wir sind über das Schweigen der SPD zu diesem wichtigen Verbraucherschutz- und Umweltthema enttäuscht. Eine konsequente Ablehnung der gesamten Ampelkoalition wäre ein wichtiges Signal in Europa für mehr Gesundheit und Artenschutz.
Mit der Verschiebung ist die Wiederzulassung noch nicht von Tisch. Die EU-Mitgliedsstaaten verpassen eine Chance für mehr Gesundheitsschutz, für mehr Artenschutz und für eine krisensichere Landwirtschaft und Ernährungssicherung. Für den BUND bleibt es dabei: Glyphosat muss verboten werden.“
Diese Petition ist noch nicht abgeschlossen und kann noch unterzeichnet werden.
Pressemitteilung Umweltinstitut München vom 23.10.2023
Neue Verkaufszahlen: Glyphosat immer noch Kassenschlager
Offizielle Verkaufszahlen zeigen, dass die Absatzmengen von Glyphosat in Deutschland im Jahr 2022 auf einem fast unverändert hohen Niveau geblieben sind – obwohl die Anwendung des Unkrautvernichters seit September 2021 stark eingeschränkt ist. Dies wirft die Frage auf, ob die gesetzlichen Anwendungseinschränkungen ihr Ziel verfehlt haben, den Einsatz von Glyphosat deutlich zu reduzieren. Das Umweltinstitut München fordert deshalb weiterhin ein Komplettverbot des umstrittenen Wirkstoffs. Anfang November werden die europäischen Mitgliedstaaten zum zweiten Mal zur Abstimmung darüber gebeten, ob Glyphosat europaweit erneut zugelassen oder verboten wird, nachdem die erste Abstimmung ohne Ergebnis blieb.
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland rund 3.915 Tonnen Glyphosat verkauft, was im Vergleich zum Vorjahr mit 4.097 Tonnen nur eine geringfügige Abnahme bedeutet. Der Verkauf von Pestizidwirkstoffen insgesamt ist sogar angestiegen: von 29.027 Tonnen im Jahr 2021 auf 32.138 Tonnen im Jahr 2022. Diese Zahlen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kürzlich veröffentlicht. Wie in den vergangenen Jahren auch ist Glyphosat der in Deutschland meistverkaufte Pestizidwirkstoff.
Glyphosat-Minderungsstrategie ist gescheitert
Die letzte Bundesregierung hatte 2018 in ihrem Koalitionsvertrag unter dem Punkt Biodiversitätsschutz angekündigt, „mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden”.
Die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) wurde daraufhin überarbeitet. Seit September 2021 gelten Beschränkungen unter anderem für den Einsatz von Glyphosat im Ackerbau und für die Bewirtschaftung von Grünland. Glyphosat darf seitdem nur noch eingesetzt werden, „wenn andere Maßnahmen nicht geeignet oder zumutbar sind“. Medienberichten zufolge war das Ziel, den Glyphosat-Einsatz mittels dieser Einschränkungen um 75 Prozent zu reduzieren. Die Absatzzahlen lassen nun darauf schließen, dass dieses Ziel weit verfehlt wurde.
„Die Zahlen zeigen, dass die Nachfrage nach Glyphosat 2022 fast unverändert hoch war und die Minderungsstrategie gescheitert ist“, sagt Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut. „Solange Glyphosat zugelassen ist, wird es auch eingesetzt werden. Nur ein komplettes Verbot des Unkrautvernichters kann Umwelt und Gesundheit wirklich schützen. Wir fordern daher von der Bundesregierung, bei der nächsten Abstimmungsrunde über die weitere Zulassung von Glyphosat im sogenannten Berufungsausschuss im November mit ‚Nein‘ zu stimmen – statt sich wie bei der letzten Abstimmung zu enthalten.“
Glyphosat: private Anwendung nach wie vor erlaubt
Obwohl die novellierte Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung seit September 2021 auch den Einsatz von Glyphosat in Haus- und Kleingärten verbietet, wurden 2022 noch immer 14 Tonnen Glyphosat an so genannte nichtberufliche Verwender:innen verkauft. Möglich ist dies, weil das Verbot nicht für glyphosathaltige Mittel gilt, die bereits für Haus- und Kleingärten zugelassen waren, bevor die neue Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung in Kraft getreten ist. Sie dürfen noch so lange eingesetzt werden, bis ihre Zulassung ausläuft.
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