Der andere Teil der honduranischen Realität
In der Sendereihe »MITENAND« des Schweizer Fernsehens (SF1) wurde Anfang Dezember am Beispiel von Teófilo Valladares und Apolinaria ein kurzer Einblick in die Realität einer Kleinbauernfamilie im Süden von Honduras gegeben. Sie glauben an ein menschenwürdiges Leben und setzen sich tatkräftig dafür ein.
Aber das allein genügt nicht. Es braucht ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft. Es darf nicht sein, dass Menschen im Auftrag von Großgrundbesitzern verfolgt und ermordet werden und von der Justiz keine ernsthaften Untersuchungen angestellt werden. Es darf nicht sein, dass die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Militärputsch vom Juni 2009 nicht aufgedeckt und die Verantwortlichen ungestraft bleiben. Unverständlich, warum gewichtige Akteure der internationalen Gemeinschaft ihren Handlungsspielraum weitgehend ungenutzt lassen. Es braucht dringend eine Solidarität, die sich einzumischen weiß und Entscheidungsträger wie z. B. Regierungen und multinationale Unternehmen in die Pflicht nimmt.
Bei den Besuchen in Honduras begegne ich immer wieder Menschen wie Teófilo und Apolinaria und vielen andern Männern, Frauen und Jugendlichen, die sich mit Kreativität und Lebensfreude für die so dringend und bitter notwendigen Veränderungen einsetzen. Es ist einfach nur ansteckend, von solchen Menschen zu wissen.
Kraft von unten
Männer und Frauen mit klaren Vorstellungen von einer menschenwürdigeren Zukunft gibt es in Honduras an vielen Orten. Sie verteidigen ihre Landparzellen vor den Zugriffen durch Großgrundbesitzer, die immer noch mehr an sich zu reißen versuchen; sie schützen ihre Quellen und Wasserläufe vor den Versuchen, diese in- und ausländischen Firmen zu überlassen. Sie setzen sich ein für Mitbestimmung für alle in ihren Dorfgemeinschaften und in den politischen Gemeinden. Der kleinen, aber mächtigen wirtschaftlichen, militärischen und politischen Oligarchie des Landes ist jedes Mittel recht, die Macht zu verteidigen. Es gab im Verlauf der letzten Monate immer wieder Morde an mutigen VertreterInnen von Bauernorganisationen und Gruppen, die ihre Rechte einforderten.
Es ist wichtig, dass wir darüber informiert sind und wir auch immer wieder mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln für den Schutz der Menschenrechte einstehen. Wichtig ist auch das Wissen, dass sich ganz viele Menschen in Honduras nicht einschüchtern lassen, weder durch Verleumdungen, noch durch offene Gewalt und Repression. Sie sind sich bewusst, dass die Ausbeutung nur so lange dauern kann, als es Menschen gibt, die sich nicht dagegen wehren.
Während der letzten Monate konnte ich in Honduras immer wieder etwas von dieser Aufbruchstimmung miterleben: Ya basta! – jetzt reicht es! – wir lassen uns nicht weiter ausbeuten!
Rolle der internationalen Gemeinschaft
Die Machtelite in Honduras kann ihre Herrschaft nur solange ausüben, solange sie sich auf Verbündete im Ausland abstützen kann. Solange die internationale Gemeinschaft aber immer wieder Hand bietet für Geschäfte, z. B. für die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, welche die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer macht – solange diese Zusammenarbeit weitergeht, werden die nötigen Reformen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kaum angepackt werden. Wir sind gefordert: es scheint mir wichtig, die Arbeit an der Basis zu unterstützen, Initiativen der Bevölkerung eine Chance zu geben. Kleinbauernfamilien wie jene von Teófilo und Apolinaria sollen gestärkt werden.
Auch im neuen Jahr werden wir uns für Menschen in Honduras einsetzen und Projekte zur Verbesserung der Existenzsicherheit von Kleinbauernfamilien unterstützen. Zusätzlich wollen wir die Informations- und Advocacy-Arbeit weiterführen. Die Menschen, die sich in Honduras unerschrocken für Gerechtigkeit einsetzen, sind dringend auf eine sensibilisierte internationale Öffentlichkeit angewiesen.
Karl Heuberger, Zürich, im Dezember 2010
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