„Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“
Aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht
Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld? – Diese Frage stellte neulich der Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff. In seinen Beiträgen erklärt er Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche.[1] Und es lohnt sich durchaus mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, was uns da täglich als alternativlos verkauft wird.
Den Unterschied zwischen einer Bank und einer Schattenbank erklärt Wolff folgendermaßen: „Um eine Bank zu betreiben, muss man diverse Bedingungen erfüllen. Man braucht eine Banklizenz, muss sich der Banken-Aufsicht unterstellen und bestimmte Regeln wie Eigenkapitalvorschriften und Veröffentlichungsvorschriften für Banken einhalten. Dafür erhält man unter anderem das Recht, Geld zu schöpfen, bekommt direkten Zugang zu dem von der Zentralbank geschöpften Geld und kann seinen Kunden gewisse staatliche Garantien wie zum Beispiel den Einlagenschutz bieten.“
Was eine Schattenbank so attraktiv macht, hört sich so an: „Um eine Schattenbank zu betreiben, braucht man keine Banklizenz, muss sich von keiner Behörde beaufsichtigen lassen und den für Banken geltenden Regeln nicht unterwerfen. Dafür erhält man zwar nicht das Recht zur Geldschöpfung, hat auch keinen Zugriff auf das von der Zentralbank geschöpfte Geld und kann seinen Geschäftspartnern auch keine staatlichen Garantien bieten, darf aber zum Beispiel Kredite vermitteln, sich in Investmentgeschäften engagieren, Eigenhandel betreiben und mit Derivaten spekulieren, und zwar im Schatten des Bankenwesens, also unbehelligt von Aufsicht und Regulierung. Zu den Schattenbanken zählen unter anderem Finanzunternehmen wie Brokerfirmen, Hedgefonds, Private-Equity-Firmen – das sind Firmen, die Unternehmen außerbörslich Eigenkapital zur Verfügung stellen und Zweckgesellschaften, also Firmen, die zur Abwicklung besonderer Geschäfte gegründet und danach wieder aufgelöst werden.“
Politisch gewollte Deregulierung
Die meisten Schattenbanken, so Wolff, seien ja „in Steueroasen angesiedelt“, und deshalb von ihrer Struktur her „intransparent“. Der Autor erwähnt auch, dass die Aktivitäten der Schattenbanken in den vergangenen drei Jahrzehnten explosionsartig zugenommen haben. Der Grund dafür sei die politisch gewollte Deregulierung. Diese habe dafür gesorgt, dass in dieser rechtlichen Grauzone ein gigantisch großer fast vollständig unregulierter Raum entstehen konnte. Wolff wörtlich: „Profiteur dieser Entwicklung sind in erster Linie die internationalen Großbanken.“ Und durch dieses Geschenk der Deregulierung sei nämlich möglich, all die Geschäfte abzuwickeln, die den Banken eigentlich untersagt sind. Wolffs Erläuterungen dazu: „Es gibt heute keine Großbank mehr, die nicht entweder eine oder mehrere Schattenbanken betreibt oder ihr verbotenen Geschäfte durch eine Schattenbank erledigen lässt. Umgekehrt sind Schattenbanken häufig Großaktionäre regulärer Banken. Auf diese Weise ist ein undurchsichtiges Geflecht entstanden, das sich jeder wirksamen Kontrolle entzieht.“
Aufgrund dieser Ausführungen spricht alles dafür, die vorwiegend in den letzten Jahrzehnten geschaffenen Steuervermeidungsmodelle sowie die vielen Steuerschlupflöcher einschließlich der Nutzung von Steueroasen abzuschaffen. Diese Maßnahmen, so ist von Kritikern der Deregulierung vielfach zu hören, seien bestimmt um den Faktor 10, 20 oder gar 30 effektiver für eine gerechtere Vermögensverteilung als die Wiederbelebung der Vermögensteuer von nur einem Prozent. Dieser kleine Schritt in die richtige Richtung sei jedoch besser als gar nichts tun.
Trübe Aussichten
Die maßlose Deregulierung wirft auch die Frage auf, was passiert, wenn die vorhergesagte Rezession eintritt und es zu einer Rückforderung von Krediten auf breiter Front kommt – die unsichersten zuerst! Dann müssten die Zentralbanken wieder jede Menge Geld in den Markt pumpen und die Zinsen senken. Fazit des hier viel zitierten Ernst Wolff: „Die Schaffung des Schattenbankensektors, der das globale Finanzsystem jahrelang am Leben erhalten hat, muss aufgrund seiner inneren Logik am Ende zwangsläufig zu seinem Zusammenbruch führen.“
Sigi Müller
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