Transparenz und Öffentlichkeit im Kreistag – oder: Wie sich die Demokratie selbst abschafft

In der Haushaltsdebatte des Kreistags Weilheim-Schongau am 23. 3. 2018 meldete sich Kreisrat Hans Schütz (Bündnis 90 / Die Grünen) zu Wort. Er wollte auf zwei Punkte hinweisen, die zu Entlastungen der höchst angespannten Finanzsituation des Kreises beitragen könnten.

Da war auf der einen Seite die Tatsache, dass die Eigner der Sparkasse Oberland, nämlich der Landkreis und die Kommunen Weilheim, Murnau, Penzberg, und Peißenberg von ihrem eigenen Geldinstitut mit Negativzinsen bei Einlagen belastet werden. Schütz wollte erreichen, dass diese Zinszahlungen nicht umgesetzt werden. Zusätzlich wies er darauf hin, dass die nach wie vor guten Gewinne der Sparkasse durchaus eine Gewinnausschüttung an die Eigner erlauben würde. Mehrere andere bayerische Kommunen erhalten so seit Jahren eine Finanzspritze seitens ihrer Geldinstitute.

Seine Forderungen und die Ausführungen dazu waren in den Augen der Landrätin Jochner-Weiß weder erwünscht noch erlaubt. Sie seien nicht haushaltsrelevant und könnten lediglich im nichtöffentlichen Teil der Sitzung besprochen werden, in dem ein anderer Tagesordnungspunkt zum Thema Sparkasse aufgeführt war. Kreisrat Schütz wollte dieser Einschätzung widersprechen, worauf ihm die Vorsitzende androhte, das Wort zu entziehen. Nach der zweiten entsprechenden Androhung des Wortentzugs fügte sich Schütz diesem Sprechverbot.

Erst nach einer Intervention von Kreisrat Schütz in der Sitzung vom 27. Juli wurde dieser Vorgang, der in der Niederschrift zunächst ohne Inhalt und irreführend dargestellt war richtiggestellt:

Protokolleintrag

KR Schütz sprach in der Debatte eine Thematik aus dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung an.

Als er, trotz einer Ermahnung durch die Vorsitzende, weiter darüber sprach, drohte die Vorsitzende mit der Entziehung des Mikrofons.

KR Schütz beendete daraufhin seinen Wortbeitrag.

Änderungsvorschlag

KR Schütz sprach in der Haushaltsdebatte eine Thematik an, die nach Meinung der Vorsitzenden dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung zuzuordnen sei.

KR Schütz widersprach dieser Einschätzung, da seiner Meinung nach die Themen Negativzinsen der Sparkasse Oberland für Einlagen des Landkreises und die Möglichkeit von Gewinnausschüttungen der Sparkasse an die Träger haushaltsrelevant seien. Als er, trotz einer Ermahnung durch die Vorsitzende, weiter darüber sprach, drohte die Vorsitzende zweimal mit der Entziehung des Mikrofons.

KR Schütz beendete daraufhin seinen Wortbeitrag.

Im Frühjahr 2017 kam es bei neun Gegenstimmen zur Fusion der Vereinigten Sparkasse Weilheim mit der Kreissparkasse Schongau zur Sparkasse Oberland. Eine der öffentlich abgegeben Zusagen bei dieser Fusion bestand in der Garantie, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen werde. Im Januar 2018 stellte Kreisrat Hans Schütz eine Anfrage bezüglich der Entwicklung der Personalsituation bei der Sparkasse Oberland. In der Kreistagssitzung vom 27. Juli 2018 beschwerte er sich, dass er seit nunmehr fünf Monaten auf die zugesagte Antwort auf seine Anfrage warte.

Als er die fünf Punkte seiner Anfrage vorlesen wollte, entzog ihm die Landrätin das Wort, da es sich um nicht öffentliche Inhalte handle. Trotz der Intervention von Kreisrat Hans Geisenberger (Unabhängige) blieb es bei dem Sprechverbot für Kreisrat Schütz zu seiner Anfrage.

Inzwischen wurde Kreisrat Schütz von Thomas Orbig, dem Direktor der Sparkasse Oberland mitgeteilt, dass seine Fragen nicht beantwortet werden. Zitat: „Wie Sie wissen, genießen Personalangelegenheiten generell einen besonderen Vertrauensschutz. Bitte haben Sie deshalb noch einmal dafür Verständnis, dass ich Ihre Fragen nicht schriftlich beantworten kann und darf. Ungeachtet dessen besteht auch keinerlei rechtliche Verpflichtung, einem Kreistagsmitglied gegenüber Auskünfte von internen Sparkassenangelegenheiten zu erteilen. Für Sparkassenangelegenheiten ist ausschließlich der Verwaltungsrat sowie die Zweckverbandsversammlung der Sparkasse zuständig.“

Anfrage zur Kreistagssitzung

Sehr geehrte Frau Jochner-Weiß,

als Kreisrat werde ich in letzter Zeit vermehrt darauf angesprochen, dass das Betriebsklima bei der ehemaligen Kreissparkasse Schongau seit der Fusion zur Sparkasse Oberland sich erheblich verschlechtert habe. Vor allem werden immer wieder Gerüchte über einen umfangreichen Personalabbau kolportiert. Um hier sachgerecht und faktenbezogen argumentieren zu können, bitte ich daher um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie viele Mitarbeiter der beiden ehemaligen Sparkassen haben seit der Fusion die Sparkasse Oberland verlassen? (aufgeschlüsselt nach Kreissparkasse Schongau und Vereinigte Sparkasse Weilheim)
  2. Wie viele Kündigungen gab es jeweils seit der Fusion?
  3. Wie viele Personalabgänge erfolgten in den Ruhestand?
  4. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben seit der Fusion gekündigt?
  5. Wie viele Auszubildende wurden nach Ausbildungsende übernommen bzw. nicht übernommen?

Mit freundlichen Grüßen,
Hans Schütz

Demokratische Grundrechte ohne Widerspruch ausgehebelt

Das erstaunlichste an diesen zwei Vorgängen ist, dass kaum ein Mitglied des Kreistages bemerkt, wie hier demokratische Grundrechte beschädigt werden. Es ist mittlerweile im Kreistag selbstverständlich geworden, dass immer mehr Themen in nichtöffentliche Sitzungen verschoben werden. Die Gebote der Transparenz, der Informationsfreiheit und Bürgernähe spielen keine Rolle mehr.

Daneben erhalten Kreisräte kaum noch Informationen über die Beschlüsse und Vorgänge in den vom Kreis ausgelagerten Gesellschaften, wie der Krankenhaus GmbH oder der Sparkasse Oberland. Hier haben sich Entscheidungsstrukturen entwickelt, die den eigentlichen Entscheidungsträgern, also dem Kreistag bzw. den Kommunen, kaum noch Einfluss-und Kontrollmöglichkeiten belassen.

Diese Entwicklung ist fatal! Gerade in Zeiten, in denen die Demokratie, und demokratische Einrichtungen immer häufiger und vehementer angegriffen und zur Disposition gestellt werden, gerade in solchen Zeiten müssten wir eigentlich besonders darauf aufpassen, dass demokratische Spielregeln eingehalten werden. Gerade in solchen Zeiten müssen Transparenz, Informationsoffenheit und Bürgernähe besonders beachtet werden.

Das Rederecht und die Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung und kreiseigenen Einrichtungen sind grundlegende Rechte für die Arbeit eines Kommunalparlaments.

So wie das im Kreistag Weilheim-Schongau abläuft, muss man davon sprechen, dass sich dieses Gremium mehr und mehr selbst entmachtet.

Hans Schütz und Sigi Müller

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