Wir erleben momentan das größte Artensterben seit den Dinosauriern. Diesen unwiederbringlichen Verlust an Biodiversität müssen wir stoppen, wo immer das noch möglich ist. Das bedeutet auch, dass Technologien, die ganze Ökosysteme verändern oder sogar zerstören können, verboten werden müssen. Weltweit wird derzeit darüber debattiert, wie wir mit einer solchen Technologie, den sogenannten Gene Drives, umgehen sollten.
Gene Drives sind Pflanzen oder Tiere, deren Genom vorwiegend mit Hilfe des Enzyms CRISPR/Cas9 gentechnisch verändert worden sind. Das Spezielle an dieser Technologie ist, dass sie die Mendelschen Regeln außer Kraft setzt. Das bedeutet, dass die Veränderung an nahezu 100 Prozent der Nachkommen weitervererbt werden. Wenn solche Organismen aus dem Labor in die Natur gelangen, paaren bzw. kreuzen sie sich mit wildlebenden Individuen und verändern ganze Populationen.
Es ist sogar möglich, eine Art gezielt auszulöschen, indem man z. B. eine Genveränderung in der Population verbreitet, die dazu führt, dass keine Weibchen mehr geboren werden. Fehlt eine Art, wie zum Beispiel Mücken und deren Larven, so bricht eine Nahrungsquelle für Vögel, Fische und andere Tierarten weg. Auf diese Weise könnte ein einzelnes Forschungsprojekt zum Kollaps ganzer Ökosysteme führen. Diese Technologie ist so mächtig, dass selbst einer ihrer Erfinder, der Biologe Kevin Esvelt, vor ihrer Nutzung warnt.
Kein »Weiter so« wie bisher
Der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, zu denen auch die Gene Drives zählen, stärkt das System der industriellen Landwirtschaft – ein System mit großflächigen Monokulturen, hohem Pestizid-Einsatz, Bodenerosion und hohem Artenverlust. Denn als potenzielle Nutzung werden die Ausrottung von Schädlingen oder Pestizid-resistente Bienen propagiert. Es wird sogar diskutiert, Unkraut, das gegen Unkrautvernichter wie Glyphosat resistent geworden ist, mit Gene Drives wieder anfällig zu machen für das jeweilige Pestizid. Damit würden jedoch nicht die Probleme gelöst, sondern nur Symptome behandelt – und weitere Risiken geschaffen.
Noch gibt es keine rechtlich bindenden internationalen Regelungen, die die Freisetzung und Forschung verbieten oder auch nur regulieren. Ein Moratorium auf internationaler Ebene scheint indes erreichbar. Im Juli trifft sich eine Expertengruppe der EU-Kommission, um darüber zu beraten, ob ein Gene Drives-Moratorium auf die Tagesordnung für den Vertrag zum Schutz der Biologischen Vielfalt kommt. Auch das Europäische Parlament unterstützt ein solches Moratorium.
Quelle: Umweltinstitut München, 24.06.2020
Neueste Kommentare