Bürger kritisieren staatliche Planung zur Querung der Umgehungsstraße bei Pähl
Wenn man mit dem Frontmann der »Interessengemeinschaft sichere Ortsumfahrung Pähl«, Werner Grünbauer, spricht, dann tauchen immer wieder Parallelen zu den Schlichtungsverhandlungen zu Stuttgart 21 auf.
Werner Grünbauer: „In Stuttgart aber auch hier in Pähl merke ich, dass es extrem viel Kraft kostet, den Bürgerwillen in die Politik zu tragen! Dabei sind wir doch der Souverän!“
Ein Anruf beim Innenminister Joachim Herrmann, Anfang Oktober, verlor sich beim zuständigen Referenten und brachte als Ergebnis: „Man wird sich darum kümmern!“
Die Landtagsabgeordnete vor Ort, Renate Dodell, zog sich hinter die Feststellung zurück: „Seid froh, dass ich mich für die Realisierung eures Umgehungswunsches eingesetzt habe!“
Auf Kreisebene weigerte sich Landrat Dr. Zeller bis zur Oktobersitzung des Kreistags beharrlich, mit den Vertretern der Interessengemeinschaft zu sprechen, weil er „…nicht zuständig“ sei!
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Chronik des Bauprojekts »Ortsumfahrung Pähl«:
11.03.2004: Regierungsgenehmigung des Vorentwurfs
16.10.2006: Beginn des Planfeststellungsverfahren
31.03./01.04.2009: Anhörungsverfahren
18.05.2009: Planfeststellungsbeschluss
2010 bis 2012: voraussichtliche Bauzeit
Januar 2009: Klage beim Verwaltungsgericht in München
06.04.2010: Baubeginn
24.07.2010: Abweisung der Klage durch das Bayerische Verwaltungsgericht
Juli 2010: Berufung eingelegt
13.10.2010: Antrag auf Zulassung einer Berufungsklage
29.10.2010: Protestveranstaltung anlässlich der Kreistagssitzung in Raisting
7. Dezember 2010: Gesprächstermin Kreistag/Landrat mit der Interessengemeinschaft
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Nicht die Umgehung ist strittig, sondern die Querung durch »Rechtsversatz«
Als sogenannten Rechtsversatz bezeichnet das Straßenbauamt ihren Lösungsvorschlag zur Querung der Umgehungsstraße mit der vorhandenen Gemeindestraße zwischen Pähl und Raisting (Anm.: vom Betrachterstandort auf der Ortsumgehung rechts). Denn auf der bestehenden Gemeindestraße wird zukünftig der übliche Kfz-Verkehr nicht mehr möglich sein. Dieser wir dann über weiträumige Abfahrten von der Umgehungsstraße im Süden und Norden abgewickelt.
Nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge bleibt die alte Verbindungsstraße von Pähl nach Raisting – bis knapp vor die Umgehung St2056 – nutzbar! Dann führt eine neu zu errichtende Linksabbiegestraße auf die Umgehung zu, um diese schließlich zu überqueren. Aus Sicht der Landwirte ein Gefahren- und Unfallschwerpunkt größten Ausmaßes.
Berechtigte Sorgen sowie bürgerlicher Sachverstand prallen ab, Kreisverkehr-Lösung unerwünscht
Trotzdem der Protest gegen das planfestgestellte Querungsvorhaben über eine enorm breite Basis verfügt – mittlerweile sind es 2300 Unterzeichner und damit mehr als die Hälfte der Einwohner der Gemeinden Pähl und Raisting, eingeschlossen auch die beiden Bürgermeister – scheinen die begründeten Sorgen als auch der stetig zunehmende Sachverstand auf Bürgerseite kategorisch abzuprallen! „Unsere Alternative dazu, nämlich durch einen Kreisverkehr die Querung zu regeln, stößt auf taube Ohren“, so Werner Grünbauer.
Die Argumente der anderen Seite, wie unverhältnismäßige Mehrkosten und unvertretbare Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, seien ziemlich aus der Luft gegriffen.
Staatliches Straßenbauamt gab Zusage für Anbindungsvarianten
Der Ausgangspunkt für den Protest war eine Zusage des Staatlichen Straßenbauamts aus dem Jahr 2005. Hierzu gibt es ein Gesprächsprotokoll, das die Gegner des sogenannten Rechtsversatzes als Zusage amtlicherseits werteten, „wonach auch eine andere Anbindung als die jetzt strittige möglich sei!“, so Grünbauer.
Seit diesem Zeitpunkt gab es fortlaufend Gespräche mit dem Straßenbauamt, jedoch ohne jede Annäherung. Zuletzt gipfelte der unnachgiebige Standpunkt der Behörde in der Aussage des Amtschefs Günther Grafwallner: „Schreiben kann man viel!“
Werner Grünbauer: „Nachdem auch vom zuständigen Sachbearbeiter, Sven Maertz, signalisiert wurde, dass es nur eine Trassenführung für die Querung gebe, begann ich mich mit der Materie eingehend zu beschäftigen!“ Er habe dazu alle Richtungen thematisch betrachtet, sagt Grünbauer:
- die Verkehrssicherheit
- die wirtschaftlichen Aspekte
- die Ökologie
- sowie die Folgekosten für den Straßenerhalt
- Kreisverkehrsregelungen erhalten Sicherheitspreise
„Insbesondere das Argument der Verkehrssicherheit spricht gegen die geplante Querung“,verdeutlicht Werner Grünbauer. Dabei verweist er auf die vernichtenden Unfallzahlen aus den Unfallberichten der Regierung von Oberbayern zu Querungen des bevorrechtigten Gegenverkehrs durch landwirtschaftliche Zugmaschinen.
In gleichem Atemzug benennt er Alternativen dazu, nämlich von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) prämierte Kreisverkehr-Lösungen bei Außerortskreuzungen (vgl. dazu „Sicherheitspreis: Die Unfallkommission 2008 an Oberallgäu Nord“).
Das Staatliche Bauamt Ingolstadt spricht in seinem Internetauftritt uneingeschränkt von einem Sicherheitsgewinn durch Kreisverkehre (Ø 35m – 40m) und zählt dazu die Fakten auf:
- Reduzierung der Unfälle mit Personenschäden
- weniger Konfliktpunkte (z. B. bei Abbiegevorgängen)
- niedrige Geschwindigkeit im Kreuzungsbereich
- einfache Vorfahrtsregelung
Fazit: Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt die Vorgabe des Staatlichen Straßenbauamts, wonach der landwirtschaftliche Verkehr von Pähl aus die Umgehungsstraße durch eine Überfahrt mit Einordnung in den Hauptverkehr zu queren habe!
Dem steht die Auffassung einer Interessengemeinschaft entgegen, deren Standpunkte nicht auf Misstrauen, sondern auf Wissen beruhen. Hier mischen sich Bürger ein, investieren viel Zeit, entwickeln Sachverstand und formulieren daraus Gegenargumente. Werner Grünbauer und seinen vielen MitstreiterInnen gelingen kleine aber bemerkenswerte Teilerfolge. Das 5 Millionen Euro-Projekt wird endlich in einer breiteren Öffentlichkeit kommuniziert!
Voraussichtlich am 7. Dezember 2010 findet nun das von Landrat Dr. Zeller (SPD) zugesagte Treffen mit der Interessengemeinschaft statt. War es doch im Kreisausschuss zuvor nur oberflächlich behandelt worden!
Die Bürger wollen mitgestalten, mithandeln! Nicht nur in Stuttgart zeigt sich, dass das Volk nicht mehr nur wählen will, sondern das Wesen der Demokratie praktisch ausüben möchte.
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