Streuobstwiesen – Paradiese aus Menschenhand

Von 06.09. bis 03.10.2021 wird im Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil die Ausstellung „Streuobstwiesen – Paradiese aus Menschenhand“ gezeigt. Auf 13 Rollups erfährt der Besucher Wissenswertes über einen wichtigen Lebensraum für Insekten, Vögel, Tiere und Menschen.

Äpfel – A & U Buhani

Apfel-, Birnen- und Kirschbäume, dazu Pflaumen-, Quitten und Walnussbäume gehören seit Jahrhunderten zum typischen Bild unserer Dörfer. Obstwiesen mit lockerem Baumbestand umgaben sie über Jahrhunderte wie ein breiter Gürtel. Zusammen mit Obstbaum-Alleen prägten sie die Landschaft. Obstbäume kann man nicht genug haben: unseren Dörfern geben sie ein unverwechselbares Gesicht, machen sie zu einem attraktiven Wohnort, wo es sich gut leben lässt.

Sie liefern nicht nur schmackhaftes Obst für vielfältige Verwendungszwecke, sondern besitzen auch eine große Bedeutung für den Arten-, Grundwasser-, Klima- und Landschaftsschutz, aber auch für den Tourismus.

Hier im Fünf-Seen-Land können zahlreiche Streuobstwiesen dank engagierter Gemeinden, Keltereien, staatlicher Behörden, Verbänden und Landwirten, die sich um die Pflege und Nutzung von Streuobstbeständen kümmern, noch erlebt werden.

Trotzdem sind Streuobstwiesen in Bayern in ihrem Bestand bedroht. Im Nahbereich der Ortschaften fallen sie der Ausweisung neuer Bau- und Gewerbegebiete zum Opfer und die Vermarktung von Streuobst ist wegen der einseitig auf äußere „Schönheit“ und Mindestgrößen ausgerichteten EU-Handelsklassenvorschriften schwierig.

Reife Äpfel – Wolfgang Pipers

„Auch durch das Artenschutz-Volksbegehren hat sich der Schutz der Streuobstwiesen leider nicht entscheidend verbessert. Im März 2020 hat der Ministerrat trotz vorheriger Gespräche mit BUND Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) eine Verordnung mit derart engen Kriterien beschlossen, dass nur ein Bruchteil der naturschutzfachlich wertvollen Streuobstbestände den von den Bürgern gewünschten gesetzlichen Biotopschutz erhalten wird. BN und LBV haben daher gegen die Verordnung Klage eingereicht“, so Axel Schreiner, pädagogischer Leiter des Naturschutz- und Jugendzentrums.

Birgit Geurden, Leiterin des Seminarhauses: „Die Ausstellung soll den Besucherinnen nochmals die Bedeutung dieses wertvol-len Lebensraums aufzeigen und bewusst machen, dass sie als Verbraucher viel zum Erhalt dieses wichtigen Lebensraums bei-tragen können. Echte Zukunftschancen haben die Obstwiesen nämlich nur, wenn Streuobstprodukte (z.B. Apfelsaft) gezielt nachgefragt werden“

Hintergrundinformationen:

Wichtiger Lebensraum: Ein einziger Apfelbaum bietet Lebensraum für 1.000 wirbellose Tierarten. 40 verschiedene Vogelarten wurden in Streuobstwiesen gezählt. Die bunt blühenden Wiesen beherbergen 5.000 – 6.000 verschiedene Tierarten. Streuobstwiesen sind angesichts der Nutzungsintensivierung in der Landwirtschaft oft letzte Refugien für bedrohte Arten, gleichzeitig aber auch unersetzliche Trittsteine und zentrale Elemente für die Biotopvernetzung.

Wertvolles Kulturerbe: Schon vor Jahrhunderten wurden Streuobstbestände angelegt, um die Bevölkerung mit Obst, Saft, Most, Marmelade, Dörrobst und Honig (Bienenweide) zu versorgen. Viele Äcker und Wiesen waren mit großkronigen Obstbäumen bepflanzt, Obstbaumalleen säumten die Landstraßen, breite Obstbaumgürtel umgaben die Ortschaften. Streuobstbestände sind damit Zeugnisse einer jahrhundertealten naturschonenden Landbewirtschaftung und damit Teil unseres Kulturerbes.

Genuss für alle Sinne: Streuobstwiesen bieten aufgrund ihrer großen Sortenvielfalt nicht nur unvergleichliche Gaumenfreuden – ob als Tafelobst, Apfelwein oder Birnenmost, als Zwetschgenschnaps, Dörrobst oder Kirschlikör. Sie bereichern auch das Bild unserer Kulturlandschaft und tragen v.a. zur Blüte- und Erntezeit zur Attraktivität vieler Naherholungsgebiete bei.

Umweltschutz als Zugabe: Streuobstwiesen werden i.d. Regel ohne Intensivdünger- und Spritzmitteleinsatz bewirtschaftet – einen effektiven Grundwasserschutz gibt es dabei quasi als kostenlose Zugabe. Das Wurzelsystem der Bäume, Gräser und Wiesenkräuter verhindert v.a. in Hanglagen Erosionsschäden; als Windschutz und Frischluftproduzenten dienen Streuobst-bestände aber auch dem Klimaschutz.

Bedrohung: Trotz der vielen Vorteile sind Streuobstbestände auch nach Abschluss der Flurbereinigungs- und Rodungswelle der 60er und 70er Jahre in ihrem Bestand bedroht: Im Nahbereich der Ortschaften fallen sie der Aus-weisung neuer Bau- und Gewerbegebiete zum Opfer. Das Streuobst genügt teilweise nicht den einseitig auf äußere „Schönheit“ und Mindestgrößen ausgerichteten EU-Handelsklassenvorschriften und darf dann nicht über den Handel verkauft werden. Die Konkurrenz der intensiv bewirtschafteten Obstplantagen, die optische Makellosigkeit der dort mit hohem Dünger- und Spritzmitteleinsatz erzeugten „Plastikäpfel mit Neutralaroma“ und die technischen Möglichkeiten zur Lagerhaltung im Intensivobstbau lassen dem Streuobst im Handel kaum eine Chance.

Erfolge und Niederlagen: Bereits 1984 hat der Bund Naturschutz durch eine Landtagseingabe erreicht, dass es staatliche Förderprogramme für die Besitzer von Streuobstbeständen gibt und auch für die Neuanpflanzung ein Zuschuss gezahlt wird. Kreis- und Ortsgruppen des BUND Naturschutz organisieren die Pflege überalterter Bestände, vermitteln Obstbaumpatenschaften. Durch das Artenschutz-Volksbegehren hat sich der Schutz der Streuobstwiesen leider nicht entscheidend verbessert. Im März 2020 hat der Ministerrat trotz vorheriger Gespräche mit BUND Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) eine Verordnung mit derart engen Kriterien beschlossen, dass nur ein Bruchteil der naturschutzfachlich wertvollen Streuobstbestände den von den Bürgern gewünschten gesetzlichen Biotopschutz erhalten wird. BN und LBV haben daher gegen die Verordnung Klage eingereicht.

Naturschutz mit dem Einkaufzettel: Über die Zukunft der Streuobstwiesen und damit auch über den Freizeitwert vieler Gemeinden und die Attraktivität zahlreicher Naherholungsgebiete entscheidet jeder von uns bei seinem Einkauf. Saisonal, regional, ökologisch – werden diese drei Kriterien zur Leitlinie für das tägliche Einkaufsverhalten des Verbrauchers, gibt es auch für Streuobstwiesen eine echte Zukunftschance.

Axel Schreiner, Pädagogischer Leiter des Naturschutz- und Jugendzentrums

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