Die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern hatte sich am 27. März 2023 empört über die geplante Schließung der Geburtshilfe am Krankenhaus zum 30. April 2023 gezeigt. Mit dieser Entscheidung wird die einzige Geburtshilfe im Landkreis Weilheim-Schongau eingestellt. 1
Wir hatten bereits angeprangert:
- die Verletzung der Daseinsvorsorge für die anvertrauten Bürger im Landkreis Weilheim-Schongau
- die Verletzung der Sorgfaltspflicht nach der Bayerischen Landkreisordnung (BayLKrO), Art. 51 Abs. 3 Satz 1. 2
Eine weitere gravierende Verletzung betrifft die notwendige 40-Minuten-Erreichbarkeit für die Geburtshilfe.
Das Recht werdender Mütter auf 40-Minutenerreichbarkeit zur nächstgelegenen klinischen Geburtshilfeabteilung resultiert aus der Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 3 S. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1.
Die erwähnte Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses stellt hierzu fest:
„Eine Gefährdung der flächendeckenden Versorgung für basisversorgungsrelevante Leistungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 liegt vor, wenn durch die Schließung des Krankenhauses, dessen Zuschlagsfähigkeit überprüft wird, zusätzlich mindestens 950 Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren PKW-Fahrzeiten von mehr als 40 Minuten aufwenden müssen, um das nächste geeignete Krankenhaus zu erreichen (Betroffenheitsmaß).“ 3
Mit der geplanten Schließung der Geburtshilfe erreichen statt 950 insgesamt 6.787 Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren eine stationäre Geburtshilfe nicht binnen 40 PKWFahrzeitminuten.4
Das ist das gut 7-fache des zulässigen Grenzwertes.
Hier wird mit Gesundheit und Leben von Mutter und Kind gespielt!
Der Landkreis Weilheim-Schongau und die Geschäftsführung der Krankenhaus GmbH Landkreis Weilheim-Schongau werden aufgefordert:
- Sichern Sie werdenden Müttern im Alter zwischen 15 und 49 Jahren eine wohnortnahe klinische Geburtshilfe mit einer Erreichbarkeit unter 40 Fahrzeitminuten.
- Halten Sie an der einzigen Geburtshilfe Ihres Landkreises im Krankenhaus Schongau fest.
- Gehen Sie unverzüglich auf alle gynäkologischen Bewerbungen ein.
- Erklären Sie Ihren Bürgern, wie Sie in Zukunft Ihren Sicherstellungsauftrag für Geburten in Ihrem Landkreis sicherstellen werden.
Schwer wiegt in diesem Zusammenhang der Bericht „Betroffene wollen nicht mehr schweigen: Geburtenstation wurde absichtlich gegen die Wand gefahren“. Bewerbungen für gynäkologische Ärzte lagen offensichtlich vor. 5 Der Verdacht liegt nahe, dass die Geburtshilfe nicht aus strukturellen Gründen sondern aus ökonomischen geschlossen wird.
Dieses Verhalten wäre grob fahrlässig.
Pressemitteilung Aktionsbündnis Schluss mit Kliniksterben in Bayern
1 Merkur, Geburtenstation in Schongau schließt: Ab Mai keine Geburten mehr im Landkreis, https://www.merkur.de/lokales/schongau/schongau-ort29421/geburtenstation-in-schongau-schliesst-ab-mai-keine-geburten-mehr-im-landkreis-92168535.html
2 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Kliniken in Not, https://www.oha-zeitung.de/schliessung-der-geburtshilfe-am-krankenhaus-schongau-landkreis-verletzt-daseinsvorsorge-und-landkreisordnung/
3 Gemeinsamer Bundesausschuss, Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), https://www.gba.de/downloads/62-492-2312/SiRe-RL_2020-10-01_iK_2020-12-09.pdf
4 GKV-Kliniksimulator, https://www.oha-zeitung.de/wp-content/uploads/2023/04/gkv-kliniksimulator.pdf
5 Merkur, Betroffene wollen nicht mehr schweigen: „Geburtenstation wurde absichtlich gegen die Wand gefahren“, https://www.merkur.de/lokales/schongau/schongau-ort29421/betroffene-wollen-nicht-mehr-schweigengeburtenstation-schongau-wurde-absichtlich-gegen-die-wand-gefahren-92185066.html
Neueste Kommentare