Russland – Ukraine – USA: Was sagt eine renommierte Stimme aus den USA konkret?

Der Friedensaufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer war an vielen Stellen im Februar Thema. An der Friedensdemo am 25.2.2023 sprach der renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs das Grußwort per Videobotschaft. Jeffrey Sachs ist nicht nur ein bekannter Wirtschaftswissenschaftler, sondern war auch Berater der Regierungen von Russland und der Ukraine wie auch der Vereinten Nationen. Seine Ansprache dauerte etwa fünf Minuten.

Was finden wir von diesen fünf Minuten in den (Mainstream-)Medien wieder? Nach meiner Recherche bisher fast nichts, nach zwei Tagen!

Machen Sie selbst den Test: Suchen Sie in Ihrer abonnierten Zeitung, googeln Sie im Internet. Recherchieren Sie dazu; wer ist Jeffrey Sachs? Wir können uns dann fragen, warum wird bei uns darüber nicht berichtet bzw. nur minimalistisch? Und dann sollten wir uns wohl bewusst fragen: Was wollen wir selbst in Mitteleuropa?

Marcus Haseitl, Bad Grönenbach

Im Anschluss die in Englisch gehaltene Ansprache in deutscher Übersetzung.

Grußwort beim »Aufstand für Frieden« am Brandenburger Tor in Berlin, gehalten am 25.2.2023 von Jeffrey Sachs, US-amerikanischer Ökonom

Hallo,

ich bin Jeffrey Sachs, Universitätsprofessor an der Columbia University. Danke für Ihren Einsatz für den Frieden! Ich war Berater der Regierungen Russlands, der Ukraine und der Vereinten Nationen und ich möchte mit Ihnen über die Wahrheit über diesen Krieg sprechen. Wir befinden uns nicht am einjährigen Jahrestag des Krieges, dies ist der neunte Jahrestag des Krieges.

Der Krieg begann mit dem gewaltsamen Sturz des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Ein Putsch, der von der Regierung der Vereinigten Staaten lanciert wurde. Von 2008 an drängten die Vereinigten Staaten auf die NATO-Erweiterung in der Ukraine und Georgien. Janukowytsch wollte Neutralität. Er stand zwischen der USA und ihrem Ziel dieser NATO-Erweiterung. Als die Proteste gegen Janukowytsch ausbrachen, Ende 2013, ergriffen die USA die Gelegenheit, um die Proteste eskalieren zu lassen. Und sie trugen zu dem Putsch gegen Janukowytsch, im Februar 2014, bei.

Das war der Anfang des Krieges, neun Jahre zuvor. Seitdem hat Russland die Krim erobert. Der Krieg im Donbass brach aus. Die NATO spülte Billionen von Dollar an Aufrüstung in die Ukraine. Der Krieg eskalierte immer weiter.

Die sogenannten Friedensabkommen von Minsk I und II, bei denen Deutschland als Co-Garant fungieren sollte, funktionierten nicht, weil die Ukraine sich weigerte, sie umzusetzen, und weil Deutschland und Frankreich keinen Druck zur Durchführung ausübten.

Ende 2021 machte Präsident Putin klar, dass die rote Linie für Russland die NATO-Erweiterung in der Ukraine ist. Putin machte klar, dass Russland die Kontrolle über die Krim behalten muss. Und dass mit dem Donbass auf der Grundlage des Minsker Friedensabkommens I und II verfahren werden muss.

Joe Biden und das Weiße Haus lehnten es jedoch ab, über die NATO-Erweiterung zu verhandeln. So fand die russische Invasion tragischerweise und zu Unrecht im Februar 2022 statt. Acht Jahre nach dem Janukowytsch-Putsch. Die Vereinigten Staaten haben seitdem massiv aufgerüstet. Und die Zahl der Toten und der Zerstörung ist fürchterlich.

Im März 2022 erklärte die Ukraine, dass sie auf der Grundlage der Neutralität verhandeln würde. Wir wissen jetzt, dass die Vereinigten Staaten diese Verhandlungen blockierten und eine Eskalation des Krieges favorisierten.

Im September 2022 wurden die Northstream-Pipelines gesprengt. Es gibt überwältigende Beweise, dass die USA die Zerstörung der Northstream-Pipelines angeleitet haben. Wir befinden uns, meine Damen und Herren, auf einem Weg der schrecklichen Eskalation und der Lügen und des Schweigens in den Medien.

Die gesamte Erzählung, dass dies der erste Jahrestag des Krieges ist, ist bereits eine falsche Erzählung. Dies ist ein Krieg, der mit der NATO-Erweiterung, der Beteiligung der USA an einem Staatsstreich und der massiven Aufrüstung der Ukraine begonnen hat. Und dann mit der schrecklichen Invasion Russlands und der Eskalation [weiterging].

Dies ist ein Krieg, der beendet werden muss, bevor er uns alle in ein nukleares Armageddon verwickelt. Danke für Ihre Bemühungen.

Wir müssen die Wahrheit sagen. Beide Seiten haben gelogen und betrogen und Gewalt ausgeübt. Beide Seiten müssen sich zurückziehen. Die NATO muss den Versuch der Erweiterung um die Ukraine und Georgien stoppen. Wir müssen auf die roten Linien beider Staaten hören, damit die Welt überleben kann!

Vielen Dank für Ihre Bemühungen für den Frieden. Sie sind lebenswichtig. Vielen Dank!

Hier das Grußwort als Video mit deutschen Untertiteln

1 Kommentar

    • Siegfried Klar, 82362 Weilheim auf 2. März 2023 bei 15:44
    • Antworten

    Lieber Herr Haseitl,
    ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung zum Versuch des Aufrüttelns vor der fatalen Weltpolitik und dem jämmerlichen Zustand unserer „Qualitätsmedien“. Ich hatte schon den Eindruck, dass in diesem Regionalforum gar kein Interesse dafür besteht! Die Erfahrung zeigt seit Jahren, besonders nach Beginn dieses Krieges, dass Jede(r), die/der sich erfolgreich gegen den Mainstream stellt, mit allen Mitteln öffentlich niedergemacht wird. Da werden inzwischen alle Register der Propaganda gezogen.

    Die Berliner Zeitung ist wohl die einzig verbliebene im Mainstream, die dem ehrlichen Journalismus eine Chance gibt. Die heute gestellte Frage in der BZ „Werden die Medien Teil eines Informationskriegs?“ [1] muss man so beantworten: „Sie sind es bereits!“

    FRUCHTBARE FRIEDENSINITIATIVE 2022 SABOTIERT:

    Vor drei Wochen ging der israelische Ex-Premier Naftali Bennett mit einem Interview an die Öffentlichkeit, indem er schilderte wie die Regierungen der USA und Großbritannien seinen vielversprechenden Ansatz für Frieden zunichte gemacht haben. Welches Interesse gab es also diesen Ansatz zu torpedieren? Wurden die Zugeständnisse des Gegners nur als Finte gesehen? Oder sahen die Torpedolenker dadurch etwa eigene Interessen gefährdet? Dazu gab der potentielle Vermittler Naftali Bennett aufschlussreiche Antworten [2]. (Die Interessen der USA habe ich in meinen Artikeln vom 1.Mai und 1. November 2022 belegt.)

    NORDSTREAM-TERRORANSCHLAG – Faktenprüfer auf Abwegen?

    Zur gleichen Zeit veröffentlichte der 85-jährige Pulitzerpreisträger Seymour Hersh seinen Report zum brutalen Terroranschlag auf die Nordstream-Pipelines [3] Er konnte dank seiner vertraulichen Kontakte zu Mitarbeitern aus Militär- und Geheimdiensten den Anschlag rekonstruieren und die Täter benennen:

    Der US-Präsident hat den Befehl gegeben und die Norweger haben die Sprengsätze gezündet !

    Sein Report liest sich wie ein TV-Thriller über Staatsterrorismus. Das Ergebnis lässt erahnen warum unsere Bundesregierung ihre Untersuchungsergebnisse mit den Worten „zum Wohle des Staates“ unter dem Tisch hält. In der Presse wurde Hersh‘s Report mit der Begründung abserviert, dass er sich auf einen anonymen Zeugen stützt.

    Während des Vietnamkriegs 1969 hatte Hersh ein grausames Massaker der US-Armee an der Zivilbevölkerung öffentlich gemacht [6] wofür er nach massiven Vertuschungsversuchen schliesslich den Pulitzerpreis für investigativen Journalismus bekam.

    Mit freundlichen Grüßen. S. Klar

    [1] Sevim Dagdelen, BZ 02.03.23: „Faktenprüfer auf Abwegen – Werden die Medien Teil eines Informationskriegs?“
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/frieden-in-der-ukraine-und-die-causa-bennett-faktenpruefer-auf-abwegen-li.323344
    [2] Fabian Scheidler, BZ 06.02.2023: „Naftali Bennett wollte den Frieden zwischen Ukraine und Russland: Wer hat blockiert?
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/naftali-bennett-wollte-den-frieden-zwischen-ukraine-und-russland-wer-hat-blockiert-li.314871
    [3] Seymour Hersh, NDS 09.02.2023: „Der Scoop des Jahres: Reporter-Legende Seymour Hersh macht die USA und Norwegen für die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines verantwortlich.“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=93548
    [4] Fabian Scheidler, BZ 14.02.2023: „Seymour Hersh im Interview: Joe Biden sprengte Nord Stream, weil er Deutschland nicht traute“
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/seymour-hersh-im-interview-joe-biden-sprengte-nord-stream-weil-er-deutschland-nicht-traut-li.317700
    [5] Michael Maier, BZ 02.03.2023: „Anschlag „geschah am schlimmsten Ort, den man sich vorstellen kann““
    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/nord-stream-anschlag-geschah-am-schlimmsten-ort-den-man-sich-vorstellen-kann-li.323438
    [6] Susanne Hofmann, NDS 14.06.2020: Collateral Murder’ und das Massaker von Mỹ Lai
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=61907

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