Rückblick eines kommunalpolitischen Urgesteins nach dreißig Jahren im Kreistag (Teil 1)

Hans Geisenberger von den »Unabhängigen« ist im besten Sinne ein kommunalpolitisches Urgestein. Trotz der fünf Amtsperioden und dabei 30 Jahren Fraktionsvorsitz bei den Unabhängigen wurde dieses kommunalpolitische Engagement so gut wie nie offiziell gewürdigt. Andere Kreispolitiker werden da schon für wesentlich kürzere Amtszeiten mit kommunalen Verdienstmedaillen geehrt. Aber dazu war der Hans wohl zu wenig glattgebürstet, zu kritisch und widerspenstig. In dieser OHA-Ausgabe beginnt ein Rückblick von Hans Geisenberger auf seine dreißig Jahre im Kreistag.

Wir haben ihm dazu drei Fragen gestellt:

• 30 Jahre Kreisrat. Was war da Dein größter Erfolg?
Ohne jede Spende und ohne Parteiapparat im Hintergrund, nur mit Geld der jeweiligen Kandidaten, 5 Wahlkämpfe bestritten zu haben.

• Was war die schmerzlichste Niederlage?
Gerne hätte ich Übertragungen der Sitzungen im Internet gehabt. Aber so viel Transparenz war der Mehrzahl der Kreisräte dann doch nicht geheuer.

• Was wünscht Du dem neuen »geisenbergerfreien« Kreistag für seine Arbeit?
Den Willen der Kreisräte, sich die in den letzten Jahren verlorengegangene Gestaltungs- und Entscheidungshoheit von der Verwaltung wieder zurückzuholen.

Meine Zeit im Kreistag von 1990 bis 2020

Teil 1: Vorgeschichte
Als Landesvorsitzender der kath. Landjugend in Bayern (KLJB) habe ich mich mit den damaligen »Außenseiterthemen« der 1980er Jahre befasst. Der »Club of Rome« hatte seinen Report »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlicht und damit die Umwelt- und Klimadebatte ausgelöst. Wir in der KLJB haben diese Themen damals schon aufgegriffen, diskutiert, Forderungen aufgestellt und einiges in die Praxis umgesetzt. Meine Solaranlage von 1981 auf dem Dach war Marke Eigenbau. Der Kampf gegen die Atomenergie und Wackersdorf, Friedenspolitik, biologischer Landbau und die Einführung von Bürgerentscheiden waren z. B. meine Schwerpunktthemen. Klar, dass der progressive, politische Kurs von meinem Vorgänger Sepp Bichler (Biobauer & Energiewirt aus Sielenbach-Aichach) und mir zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Kirche, der CSU und dem Bauernverband führte. Nach dem altersbedingten Ausscheiden aus der KLJB stellte sich uns die Frage: Was nun? In eine Partei eintreten? Marsch durch die Institutionen? Mitarbeit in Verbänden? Auf jeden Fall wollten wir uns weiter einmischen und unsere Zukunft aktiv mitgestalten. Eine Entscheidungshilfe waren für uns auch mehrere Gespräche mit dem »SPD-Vordenker« Erhard Eppler. Wesentliche Erkenntnisse seiner langjährigen politischen Arbeit hat Eppler in seinem Buch »Wege aus der Gefahr« im Jahre 1981 wie folgt beschrieben: „Politische Macht ist überall, wo Beamte entscheiden, Verbände fordern, Parlamentarier votieren, Parteitage abstimmen, Gerichte sprechen, aber vor allem da, wo Bürger sich sammeln und ihre Rechte wahrnehmen. Mag ökonomische Macht leichter zu lokalisieren und ungestörter zu handhaben sein, politische Macht entsteht und verschiebt sich vor allem an der Basis, da wo Bewusstsein sich bildet und wandelt. Wo von der Basis her, durch verändertes Bewusstsein, etwas Neues mehrheitsfähig wird, finden sich früher oder später auch politische Kräfte, die sich diese Mehrheit zunutze machen. Wenn man sich in der Politik auf eines verlassen kann, dann auf den Opportunismus. (…) Aber dies bedeutet auch: Solange etwas nicht mehrheitsfähig ist, wird es auch unter Politikern immer nur eine bescheidene Minderheit geben, die dafür eintritt. Das war so, als es um die Betonierung der Landschaft oder um Energiesparen ging, das wird immer so sein, bis Trampelpfade ausgetreten sind und man sich dort nicht mehr zerrissene Hosen oder blutige Finger holt. Weitaus die meisten Politiker halten es nicht für ihre Sache, an Bewusstseinsänderungen mitzuwirken; sie werden aber immer da sein, wo die Mehrheit ist. (…) Das ist wohl so, seit es Politik gibt. Aber dies hat für mich eine Konsequenz: Mich interessiert immer weniger, was die ausgepichten Taktiker kungeln, denn sie bewegen nichts, außer sich selbst und ein paar andere auf die erwünschten Posten. Mich fasziniert, was im Bewusstsein der Menschen vor sich geht, den Jungen, den Frauen, den Arbeitern, den Handwerkern, den Studenten. Macht, das bedeutet heute für mich die Fähigkeit, etwas mehrheitsfähig zu machen, was vorher nicht mehrheitsfähig war.“

Soweit Erhard Eppler vor 40 Jahren! Und so haben mein Freund Sepp Bichler und ich 1986 die UNABHÄNGIGEN gegründet. Wir wollten uns an der Basis, also in der Kommunalpolitik engagieren und gleichzeitig auch außerparlamentarisch für Veränderungen kämpfen. Dabei ist unser Denken und Handeln auf Ökologie, soziale Gerechtigkeit und dezentrale, überschaubare und demokratisch kontrollierbare Strukturen aufgebaut. Mit diesen »Leitplanken« konnten wir mit Hilfe unseres eingetragenen Vereins auch mögliche »Trittbrettfahrer« – z. B. von Rechtsaußen – abwehren. Wir haben mit den »UNABHÄNGIGEN« eine Plattform auf humanistischer Grundlage geschaffen, mit deren Hilfe aktive und engagierte Bürgerinnen und Bürger, ohne ein übergestülptes Parteiprogramm, für Kommunalparlamente kandidieren konnten.

Im Jahr 1990 standen turnusgemäß Gemeinde- und Kreistagswahlen an. Es war schon eine Überraschung, dass ich mit Hilfe einiger Freunde eine komplette Liste mit 60 (!) Kandidatinnen und Kandidaten auf Kreisebene präsentieren konnte. Mit drei Mandaten gingen wir aus der Wahl hervor.

Hans Geisenberger, Sachsenried

Über meine Erfahrungen der 5 Perioden von 1990 bis 2020 im Kreistag Weilheim-Schongau berichte ich in der nächsten Ausgabe des OHA.

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