Vor rund fünf Jahren war das Bienenthema in aller Munde. Politisch gefasst wurde der Sachverhalt rund um das Insektensterben mit dem Volksbegehren Artenvielfalt und dem Slogan »Rettet die Bienen«. Mit dem Bienenbegriff setzte man vor allem auf den Sympathieträger Honigbiene, das von Imkern gehaltene Nutztier. Zugleich umfasst der Bienenbegriff aber auch die Gruppe der Wildbienen. In Deutschland gibt es davon über 550 Arten von denen über 50 % auf der »Roten Liste« stehen. Damit hatte man mit dem Slogan »Rettet die Bienen« auch einen Zugang zum Begriff der Artenvielfalt.
Mit dieser Devise wurden allerdings die Begriffe Honigbiene und Wildbienen vermengt, was soweit führte, dass das Nutztier Honigbiene als systemrelevant für die Wildpflanzenflora bezeichnet wurde. Das ist allerdings Unsinn, denn Wildpflanzen waren noch nie abhängig von einem domestizierten Nutztier, sondern werden bei Insektenbestäubung seit jeher von Wildinsekten bestäubt. Bestes Beispiel dafür bietet der amerikanische Kontinent. Bis zur Kolonialisierung durch europäische Einwanderer gab es in Süd- und Nordamerika keine Honigbienen. Die Bestäubung durch Insekten wurde hier zu 100 % von Wildinsekten geleistet.
Wie beeinflussen sich nun aber Honigbienenhaltung und Artenvielfalt? Hat Imkern grundsätzlich etwas mit Naturschutz zu tun? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, zuerst ein Blick nach Österreich.
Bereits im Jahr 2001 führte Johann Neumayer in den Hohen Tauern auf etwa 1700 m Höhe dazu Versuche durch. In einer weitgehend honigbienenfreien Umgebung, der nächste Bienenstand war mindestens 5 Kilometer entfernt, stellte er in den Sommermonaten Juli und August zwei Bienenvölker auf. In einer Entfernung zwischen 10 und 810 Meter richtete er insgesamt fünf Beobachtungszonen mit einer Größe von jeweils 80 Quadratmetern ein. In definierten Zeitabständen erfasste er dann von bestimmten Pflanzenarten Nektarmenge und –konzentration wie auch den Besatz von Wildinsekten. Zu diesem Versuchsstandort mit Honigbienen richtete er in einem anderen Tal auch noch einen Vergleichsstandort ohne Honigbienen mit ähnlicher Vegetation ein. In der Zusammenfassung seiner Arbeit[1] schreibt er u.a.:
„Die Anwesenheit von Honigbienen führte zu einer signifikanten Abnahme anderer Blütenbesucher im unmittelbaren Umfeld der Bienenstöcke während der ganzen Saison. In Zeiten knapper Nektarresourcen jedoch konnte dieser Effekt bis 800 m Entfernung von den Bienenstöcken gemessen werden. … Es kann erwartet werden, dass sich diese Effekte bis mindestens 1500 m um Honigbienenstöcke erstrecken.“
Ein anderes Themenfeld sind Krankheiten und deren Übertragung. Da Honigbienen und Wildbienen mehr oder weniger miteinander verwandt sind, können bei bestimmten Wildbienenarten auch ähnliche Krankheiten auftreten. Ein englisches Forscherteam untersuchte dazu in einem Untersuchungsgebiet bei Honigbienen und Hummeln, eine Insektengruppe innerhalb der Wildbienen, die Infektionen mit dem Flügeldeformationsvirus und mit Nosema, einer Erkrankung durch einen Einzeller, der den Verdauungstrakt schädigt.[2] Das Ergebnis war, dass beide Erkrankungen nicht nur bei Honigbienen auftreten, sondern auch Hummeln davon betroffen sind. Obwohl der genaue Übertragungsweg zwischen Honigbienen und Hummeln noch nicht im Detail nachgewiesen werden konnte, spricht einiges für die Krankheitsübertragung von der Honigbiene in Richtung zur Hummel, denn bei zunehmender Honigbienendichte nimmt auch die Infektionsquote bei Hummeln zu. Denkbar ist dabei z.B. die Krankheitsübertragung an gemeinsam besuchten Blüten.
Wenn imkerliche Interessensvertreter auf solche Zusammenhänge angesprochen werden, findet man regelmäßig die Argumentation, dass es früher viel mehr Honigbienen als heute gab. Diese Argumentation hinkt allerdings. Betrachten wir die Zahlen der letzten ca. 160 Jahre in Bayern:[3]
Bienenvölker in Bayern:
1863 | 1964 | 2022 | ||
Oberpfalz | 22.861 Völker | 49.625 Völker | 22.734 Völker | |
Oberbayern | 52.665 Völker | 114.072 Völker | 49.169 Völker |
Die Zahlen belegen, dass wir gegenwärtig etwa gleich viele Bienenvölker wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Landschaft stehen haben. Dabei sind die Bienenvölker heute erheblich größer als im 19. Jahrhundert, was man vom Volumen der früheren und der aktuell üblichen Bienenwohnungen ableiten kann. Zudem ist die Kulturlandschaft blütenärmer und eintöniger geworden, was das Nahrungsangebot von Nektar und Pollen wiederum grundsätzlich einschränkt.
Mit Blick auf die Bestäubungssicherung verhält es sich ähnlich. Man kennt von vielen Stellen Formulierungen, dass wir der Honigbiene den größten Teil der Blütenbestäubung zu verdanken haben. Da ist von 50, 60 oder gar 80 % der Bestäubung durch Honigbienen die Rede. Eine Untersuchung in einem Gebiet der englischen Kulturlandschaft stellte fest, dass die Insektenbestäubung in der untersuchten Region maximal zu 30 % von Honigbienen erfolgt ist, die restliche Insektenbestäubung wird durch Wildinsekten abgedeckt. Ausdrücklich wiesen die Forscher dabei darauf hin, dass diese 30 % Honigbienenanteil bei maximaler Erschwernis für die Wildinsekten zustande kam.
Beeindruckende Zahlen kennen wir auch aus Deutschland. An der Universität Greifswald wurde in einer über dreijährigen Untersuchung die Bestäubungsleistung der Honigbiene mit der Bestäubungsleistung der Rostroten Mauerbiene und der Gehörnten Mauerbiene verglichen.[4] Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die beiden Mauerbienenarten z.B. etwa 80mal effektiver Apfelblüten bestäubten als die Honigbiene.
Es ließen sich noch zahlreiche andere Argumente anführen,[5] dass Honigbienenhaltung mit Artenschutz an sich nichts zu tun hat. Vielmehr ist die Imkerei unter dem Gesichtspunkt des Artenschutzes äußerst kritisch zu sehen. Soll das nun heißen, auf keinen Fall Honigbienen zu halten? Diese Zeilen sind nun von einem Autor geschrieben, der zugleich Honigbienenfeund und Wildinsektenbewunderer ist. Ohne Honigbienen wäre ich wohl nicht zu den Schmetterlingen, Schwebfliegen, Ameisen und anderen kleinen Wundertierchen gekommen. Die Lösung des oben beschriebenen Problems liegt wohl darin, eigenes Handeln zu hinterfragen, sich in der Anzahl der Bienenvölker zu beschränken und zum Ausgleich die Beobachtung der einzelnen Völker und damit auch die Qualität der Bienenhaltung zu steigern. Zudem sollte in wildinsektensensiblen Gebieten – wie z.B. Naturschutzgebiete aber auch städtische Gebiete mit zu hoher Honigbienendichte – auf Honigbienenhaltung verzichtet werden.
Marcus Haseitl, Bad Grönenbach
(↵ zurück zum Text)
- Entomologica Austriaca 13: 7-14 (Linz, 17.03.2006)↵
- Fürst, M.A. et al. (2014): Disease associations between honeybees and bumblebees as a threat to wild pollinators. In: Nature, Vol. 506, (20. Februar 2014)↵
- Angaben für die Jahre 1863 und 1964: Imkerfreund Mai 1965;
für das Jahr 2022: Landesverband Bayerischer Imker e.V., www.lvbi.de↵ - https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-22088.pdf↵
- Eine ausführliche Sammmlung von Argumenten findet sich hier: http://www.naturspaziergang.de/Wissenswertes/Nahrungskonkurrenz.htm↵
3 Kommentare
Ich habe im Sommer 2023 Wildbienenröhrchen 500 Stück mit 4 und 6 mm aufgebaut. Die meisten wurden belegt, mit Lehm verschlossen. Jetzt habe ich nochmal 500 an anderer Stelle im Garten. Da sind auch schon viele belegt. Wann schlüpfen denn die Jungbienen? Konnte ich noch nicht beobachten.
Lieber Herr Brendel,
der Schlupftermin der Wildbienen variiert in Abhängigkeit zur Flugzeit der jeweiligen Wildbienenart und umfasst je nach Art und Region in etwa den Zeitraum von März bis August. Zum Beispiel gehört die Gehörnte Mauerbiene zu den ersten Arten im Wildbienenjahr, Schlupftermin ist da etwa ab Mitte März bis in den April hinein. Diese Wildbienenart ist auch häufig an Nisthilfenröhrchen zu beobachten. Nach der Begattung legen dann die Weibchen der Gehörnten Mauerbiene ihre Eier in geeigneten Nistgängen ab und in diesen Nistgängen verläuft dann die Entwicklung der einzelnen Tiere, die dann wiederum im darauf folgenden Jahr ab Mitte März bis in den April hinein schlüpfen.
Herzliche Grüße
M. Haseitl
Vielen Dank, Herr Haseitl. Da muß ich also nur warten.