Wer hat den Mut, die elitäre, unsoziale Politik zu ändern?
Förderung der Reichen durch weitere Steuersenkungen, marktkonforme Demokratie mit prekären Jobs, immer mehr befristete Arbeitsverträge und Minijobs, die Leiharbeit boomt und hat sich innerhalb von 10 Jahren auf eine Million Beschäftigte etwa verdoppelt …
Auf kritische Fragen, ob da etwas falsch gelaufen ist bzw. eventuell etwas geändert werden müsste, reagieren die noch Regierenden nach dem Denkzettel bei der Bundestagswahl verwundert oder trotzig.
„Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten. Ich habe diesen Wahlkampf gut durchdacht. Ich habe ihn so gemacht, wie ich ihn gemacht habe.“ So die ausweichende, fast hilflos wirkende Antwort der Bundeskanzlerin nach der Bundestagswahl.
Natürlich bräuchten wir dringend eine neue Weltordnung, die auf internationaler Solidarität basiert. „Starke Schultern müssen mehr tragen als Schwache!“ – Solche und ähnliche Sprüche gehen leicht über die Lippen der Globalisierungsgegner. Aber konkrete Vorschläge, wie das gehen soll, sind Mangelware bzw. sind den Eliten – den Mächtigen dieser Welt – ein Dorn im Auge.
Aus den Machtzentren wird permanent gefordert, das bestehende Wirtschaftssystem weiter anzuheizen, mit all seinen Unsicherheiten und Ungerechtigkeiten, mit deregulierten Steueroasen, niedrigen Löhnen, eingeschränkten Rechten und gekappten Sozialleistungen. Die Mächtigen verwenden ihren Einfluss zur Disziplinierung der Schwachen, während die Starken tun und lassen können, was ihnen beliebt. Wenn dieses Modell noch ausgebaut wird, könnte das letzte vorhandene Vertrauen in die herrschende Politik noch verloren gehen. Vertrauen lässt sich andererseits auch dadurch nicht wieder herstellen, wenn z. B. ein Martin Schulz ständig von »sozialer Gerechtigkeit« redet, aber in seinen Aussagen völlig unklar bleibt, was damit eigentlich gemeint ist. Mit einer Politik der Leerformeln und Gemeinplätze geht es weiter bergab, was sich in Umfragen bereits andeutet.
Gerne möchte ich dazu in meinem Beitrag noch ein paar ähnliche Denkanstöße anbieten, die aus dem Blickwinkel eines Politikers aus Großbritannien stammen.
Jeremy Corbyn, seit 2015 Vorsitzender der Labour Party, hat Anfang Dezember in einer längeren Rede vor den Vereinten Nationen in Genf auch einige Punkte genannt, die unser Bewusstsein in der gegenwärtigen Lage erweitern könnten und geeignet sind, meine Ausführungen zu präzisieren.
Hier ein kurzer Auszug aus seiner Rede über »die vier größten Bedrohungen der Menschheit«:
„Erstens, die zunehmende Konzentration von unermesslichem Reichtum und Macht in den Händen einer winzigen Elite, ein System, das viele als Neoliberalismus bezeichnen. Dadurch wurden weltweit Ungleichheit, Marginalisierung, Unsicherheit und Wut extrem verschärft.
Zweitens, der Klimawandel, der zu Instabilität führt, Konflikte weltweit verschärft und unser aller Zukunft bedroht.
Drittens, die beispiellose Anzahl von Menschen, die auf der Flucht sind vor Konflikten, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, sozialen Zusammenbrüchen und Klimakatastrophen.
Und schließlich der Einsatz einseitiger militärischer Operationen und Interventionen anstelle von Diplomatie und Verhandlung zur Beilegung von Streitigkeiten und zum Absetzen von Regierungen.
Das dominierende globale Wirtschaftssystem ist am Ende. Es bringt eine Welt hervor, in der nur wenige Superreiche 90 Prozent der globalen Ressourcen kontrollieren, in der wachsende Unsicherheit und groteske Ungleichheit innerhalb und zwischen einzelnen Nationen herrscht und den Entwicklungsländern schätzungsweise mehr als 100 Milliarden Dollar jährlich durch Steuerhinterziehung der Konzerne verloren gehen und in der jährlich eine Billion Dollar durch illegale Finanzströme aus dem globalen Süden abgesaugt werden.“ (…)
Soviel zu den Ausführungen von Jeremy Corbyn, der die Labour Party in Großbritannien wieder stark gemacht hat. Das Wählerpotenzial liegt derzeit etwa wieder bei 40 % (nach dem Tiefpunkt von 29 % im Jahr 2010!).
Zum »Einsatz einseitiger militärischer Operationen« passt auch die beschlossene Aufrüstung der USA von rund 619 auf 700 Milliarden Dollar – davon etwa 66 Milliarden für Kriegseinsätze im Ausland.
Zu Afrika: Angesichts der grotesken Entwicklung im »globalen Süden« wird hierzulande großspurig ein »Marshallplan für Afrika« angekündigt und – wie fast immer – versucht, die desaströse Politik des Westens schönzureden, ohne gezielt zu handeln. Wo bleibt da die stets gern zitierte Glaubwürdigkeit in der Politik?
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