Politische Systeme im Ringen

„Die Ampel-Regierungskoalition streitet schon wieder“, so die Boulevard-Presse, und alle stimmen im Chor mit ein. Streit ist in der kleinsten Familie. Das Kind kämpft um die Süßigkeiten im Supermarktregal, die Mama um die neueste Mode und der Papa um einen größeren Fernseher. Meist sind aber keine Börsengewinne da, sondern nur ein leerer Geldbeutel.

Der Kleinste hat immer Bedenken, von den Großen nicht genug wahrgenommen zu werden, und schreit am lautesten. So laut, dass es auch die anderen hören und ihn unterstützen. Das Muster unseres Herrn Lindner, der aufs Geld schaut, für die Erben – nur auf das!

Der Präsident in Frankreich hat nicht nur wie bei uns das Ansehen des Volkes eindrucksvoll zu vertreten, sondern Herr Macron gibt die politische Linie vor und versucht sie im Parlament, dem ein Premierminister vorsteht (bisher Premierministerin), durchzusetzen. Hat seine Partei bei Abstimmungen nicht genügend Stimmen und Unterstützer, greift er auch schon mal zur legalen Ausnahmeregel, um seinen Kopf durchzusetzen. Er regiert gerne »durch«.

So setzte er in der EU-Kommission Frau Ursula von der Leyen durch, weil es mit dem Wahlgewinner Herrn Manfred Weber von der CSU weiter nur Hahnenkämpfe gegeben hätte. Eine Koalition mit Andersdenkenden einzugehen, ist man im zentral von Paris aus regierten Frankreich nicht gewohnt. Nur um die Rechtsradikalen bei der Stichwahl zu verhindern, einigten sich die Linken. In Frankreich haben die Länder keinen Sitz im Parlament, deshalb müssen die Franzosen mehr streiken. (Siehe OHA: Europäische Union – Wohl und Wehe?)

Hat bei uns keine Partei die absolute Mehrheit, so schließen sich nach Absprache mehrere Parteien zu einer Koalition zusammen. Die – zur Zeit drei – verhandeln dann, wo ihre gemeinsamen Ziele sind. Für jeden Gesetzentwurf neu, ohne Koalition Unterstützer zu suchen, scheint noch beschwerlicher, unter dem Blick der Öffentlichkeit unmöglich zu sein.

Bei Bekanntwerden von Details diskutieren alle anders gepolten Meinungsträger auch mit, die jeweils Gruppeninteressen vertreten, denn wir sind in Gruppeninteressen organisiert. Man muss also jeweils nur erkennen, für welche Interessen da gerade gesprochen wird.

In der Entscheidungsrunde geht der Schwächste in Blockadehaltung. Durch die Nachsicht der Stärkeren kann dann nur ein flacher Kompromiss zustandekommen. Das ist sehr unbefriedigend für das einzelne Ziel und seine Fürsprecher. Nur die Masse der Wähler ist beruhigt. Sie kann ihren Trott in der Herde gleichgesinnter Emotionen weiterleben.

Amerikas Präsidentschaftswahlen werden vom Kapital der Unternehmer und Händler finanziert. Sie bestimmen die Regierungsziele. Deshalb gibt es in den USA für Arme kein Gesundheitssystem. Bei Arbeitslosigkeit ist man auch einkommenslos. (Siehe OHA: Soziale Dreigliederung.)

Der Präsident der USA kann mit Anordnungen an die ausführenden Behörden (Executive Order) viel verändern. So beendete Trump das Gesundheitssystem von Obama. Der Kongress kann bei Nichtgefallen denen widersprechen, wenn sich Mehrheiten finden. In der zweiten Kammer, dem Senat, repräsentieren 100 Senatoren die 50 Bundesstaaten. Sie haben, wie bei uns auch, oft andere Mehrheitsverhältnisse als der Kongress.

Auch in England ist im Zweiparteiensystem der Kampf Unternehmer gegen Arbeiter zu sehen. (Siehe OHA: Wählen gehen – ein Glaubensbekenntnis). Hier gibt der Premierminister die Ziele vor. Er wird vom König des United Kingdom (England und Irland) im Amt bestätigt. Der King/die Queen haben auch den Vorsitz im Commonwealth mit 56 Nationen, den ehemaligen Kolonien. Der King verliest auch die Regierungserklärung des Premierministers. Im Inselreich gibt es keine Verfassung, aber an die gewachsenen Gesetze, die »Rule of Law«, hält man sich strikt. Die Parlamente von Schottland und Irland haben nur wenig Freiraum darin.

Bei uns wurde nach dem Durchleben der Hölle mit Hitler eine Verfassung beschlossen, wo auf die Teilung der Macht auf mehreren Ebenen Wert gelegt wurde. Die eigenständigen Bundesländer können für sich bestimmte Gesetze erlassen. Bei Bundesgesetzen müssen die gewählte Bundesregierung und die Länder im Bundesrat zustimmen.

Durch die vielfältig mögliche Parteienlandschaft und die Vielfalt der Menschen selbst in den Parteien ist so immer Diskussionsbedarf. Dass dabei Emotionen des Tierreiches von Futterneid, Überlebensangst oder Machtverlust hochkommen, ist auf Erden normal. Wir sollten sie erkennen und in Sachdienliches münden lassen. Jedes Gespräch ist ein Lernprozess. Das Gegenüber hat immer andere Lebenserfahrungen und unterlegt den Worten andere Bilder. Diese, das Gute suchend, zu entdecken, führt zu guten Ergebnissen.

Die Massenmedien, alle, sollten der guten Sache dienend, Emotionen nicht zur Umsatzsteigerung verwenden, wenn es auch noch kurzfristig so erfolgreich scheint. Die Geister der Finsternis, die darauf anspringen, geraten heute leichter außer Kontrolle, ob beim Sturm aufs Kapitol, der Hölle im Gazastreifen oder unseren Messerstechern. Täglich als Vorbilder in Krimi-Werbung Tötungsakte zu bieten, führt in die falsche Richtung, langfristig.

Roland Brendel, Weilheim

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