Weil sich Josephine Laugl, leidenschaftliche Lehrerin, mit ihrem späteren Mann Josef Hartlmaier verlobt hatte, wurde er 1890 von Anzing nach Forst, hinter dem Peißenberg, zwangsversetzt. Vor der Hochzeit musste Josephine den Schuldienst kündigen, weil man keine verheirateten Lehrerinnen wollte. Erst ihre Tochter Josepha konnte an der Weilheimer Mädchenschule von der Lehrerin bis zur Rektorin werden, unverheiratet.
Dieser Geist des Dirigismus hat sich im konservativen Bayern von Generation zu Generation in den Schulbehörden konserviert und schreckt am Lehramt Interessierte ab. Kinder in der Entwicklung zu vollbewussten Bürgern zu begleiten muss sich an der Natur des Kindes orientieren. Beim Kind ist Spiel die ernste Offenbarung des inneren Drangs zur Tätigkeit, in dem es sein wahres Dasein erlebt.
Ein Pädagoge muss im Kind den Sinn erwecken, dass es mit demselben Ernst lernt, mit dem es spielt. Bis zum Schuleintritt gibt sich das Kind der nächststehenden menschlichen Umgebung hin, um aus dem nachahmenden Instinkt heraus die eignen werdenden Kräfte zu gestalten.
Mit dem Schuleintritt nimmt das Kind den Erzieher als selbstverständliche Autorität, in dem was lebt, was das Kind auch so, unbewusst, in sich möchte. Der Lehrende muss also stark genug im Leben stehen, dass die Kraft, die er ausstrahlt, den Zögling zum eigenen Tun weckt.
Nur naturwissenschaftliche Einsichten oder allgemeine Normen und Gesetze vermitteln, spricht zu früh den Intellekt, den Verstand an. Das blendet den aufwachsenden Menschen. Er wird leicht hochmütig daraus. Die Willens- und Gemütsbildung verkümmert.
Im künstlerisch-kindlichen Malen entdeckt sich das Kind. Im daraus entstehenden Schreiben und folgenden Lesen erspürt das Kind sein »Ich«. Nur der Mensch kann sich als »Ich« benennen, nichts anderes. Das kann und muss er selbst. Spätere Erwachsenen-Probleme wie Burnout oder Mangel an Anerkennung entstehen aus mangelnder Ich-Entwicklung.
Durch Fabeln oder märchenhafte Darstellungen im Unterricht lässt man das Kind mit eintauchen in die Sache. Es fühlt sich, sein »Ich«, als mitwirkender Teil. Die Einbettung des zu vermittelnden Lehrstoffes in künstlerisch-schaffende Tätigkeiten spricht den ganzen Menschen mit Körper, Geist und Seele an.
Im Menschen weckt das den Sinn für geistige Lebensinhalte. Er erlebt die Ergebnisse seiner eigenen Ideen in seinem eigenen Tun. Er baut eigene Maßstäbe in sich auf, die heute häufig gänzlich fehlen. (siehe OHA: »Pisa-kippende Lernfähigkeit«)
Mit Vollendung des neunten Jahres nimmt das ICH-Gefühl die Gestalt an, dass man mehr von den Beziehungen der Dinge und Vorgänge zueinander sprechen kann. Die Beziehungen zum Menschen sind dann gefestigt.
Erst nach dem zwölften Lebensjahr kann man das Ganze ohne Beziehung zum Menschen auffassen. Mineralisches, Physikalisches, Klima usw. werden jetzt erst »verdaut«. Auf einer gesunden Gemütsbasis kann der Verstand das jetzt begreifen. Dann erst kann »Unbegreifbares« wie KI richtig eingeschätzt werden.
Damit der Lehrer seine Kinder, ihren Ich-Stand, richtig einschätzen kann, muss er selber seine Gemüts- und Seelenbildung zur vollen Lebensvielfalt entwickelt haben. So kann er auch eine kraftvoll sich fortbewegende Generation fördern. Sie hat sich vom »Kennen« durch eigenes Tun zum »Können« und durch künstlerische Empfindsamkeit zu »Schaffenden« von Neuem weiterentwickelt. Mit dieser Kraft kann sie später produktiv Wirtschaft und Staat tragen.
Die derzeitige Schulorganisation greift zu oberflächlich und zu kurz. Sie will schnellstmöglich (8 Klassen Gymnasium) computergeübte Mitarbeiter für Wirtschaft und Verwaltung heranziehen. Der Mensch bleibt auf der Strecke, wie sich überall zeigt. Die Maxime ist: „Der Mensch ist das Teuerste im Wirtschaftsprozess, er muss abgeschafft werden.“
Ein freier Geist muss in den Lehrenden wirken dürfen, der sich natürlich an allgemeinen Regeln orientiert. Der Lehrrahmen muss von einem Kollegium von Lehrenden aus der individuellen Menschenkenntnis vor Ort gesetzt werden. (siehe OHA: »Menschliche Vielfalt und ihre Gesetzmäßigkeiten«)
Zielsetzungen von »Nichtlehrenden« in Gesetzen und Anordnungen, mit heute überall gefordertem Nachweis der Tätigkeit zur Kontrolle im PC, zerstört die Fähigkeiten von Lehrenden und Schülern. Individueller Unterricht wird unmöglich.
Aus der Enttäuschung des Schullebens entsteht auch die Abkehr von Staat und Gesellschaft oder deren missbräuchliche Ausnutzung auf allen Ebenen. (siehe OHA: »AfD – ihre Antriebsenergien«)
Nur der künstlerische Sinn des Lehrenden trägt Seele in die Schule hinein. In künstlerischer Freiheit die Materie selbst bezwingen zu können, lässt das Pflichtgefühl reifen, das heute oft fehlt. Durch den Verstand wird die Natur(wissenschaft) begriffen, durch ausgebildete künstlerische Empfindung wird sie erst erlebt.
Diese Vereinigung mit der Natur – mit unserer Natur, Körper, Seele, Geist – müssen wir wieder erreichen, um zu überleben.
Von der Filmemacherin Maria Knilli wurde eine solche Klasse zwölf Jahre lang begleitet. Diverse Filme daraus sind unter »guten-morgen-liebe-kinder.de« zu finden.
Roland Brendel, Weilheim
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Buchtipp: Josephine Hartlmaier 1869-1957 Erinnerungen an München-Anzing-Wangen-Bergkirchen und Weilheim in OB. Bewegendes Zeitzeugnis einer Lehrersgattin.