Ein Einwurf von Oliver Koch
Geht es Ihnen auch so? Man kann den grauenhaften, vielleicht auch kranken amerikanischen Präsidenten kritisieren, beschimpfen, verachten – und steht am Ende dann doch ziemlich hilflos und irgendwie unzufrieden da. Gegenrede kommt eh keine auf. Was Trump betrifft, ist man sich einig. Der OHA ist in der Regel nicht das Blatt für große Außenpolitik. Deshalb soll es hier auch weniger um die USA und ihren »Führer« gehen, das – wie gesagt – frustriert eher. Vielmehr will ich Ihre Aufmerksamkeit auf uns alle lenken, und damit – Verzeihung – auf den Trump in uns.
Die Behauptung, dass jede/r die Regierung hat, die er oder sie verdient, ist zu einfach, als dass man sich damit zufrieden zurücklehnen könnte. Das würde all denjenigen nicht gerecht, die sich innerhalb und außerhalb von Parlamenten und teilweise unter Lebensgefahr eben gegen ihre – gewählte oder nicht gewählte – Regierung stellen. Der Satz aber weist in eine interessante Richtung: Wenn wir Regierungspersonal gleichsam als Symptom für eine vorherrschende gesellschaftliche Strömung und damit für das Resultat aus persönlichen Haltungen in der Bevölkerung begreifen, bekommt eine Regierung Trump eine beängstigend zwingende Logik. Dieses Phänomen ist nicht nur in den USA zu beobachten. Ein weitgehend entfesselter globaler Kapitalismus, das Recht des Stärkeren bzw. Reicheren, unregulierte Finanzmärkte und die schrankenlose Ausnutzung der natürlichen Lebensgrundlagen bis hin zu der abzusehenden Klimakatastrophe – findet dies alles so ganz ohne ein allgemeines stillschweigendes Einverständnis und ohne unser tägliches Zutun statt? Sicher nicht, auch wir sind infiziert vom herrschenden darwinistischen Leistungsprinzip und verseucht von Konsumwünschen. Auch unsere Prioritäten sind ganz im Trumpschen Sinne gesetzt: Ich und meine Familie, Partei, Verein usw. zuerst.
Natürlich wissen wir, dass diese Haltung und alle daraus resultierenden Worte und Taten nicht konstruktiv und heilsam sind, sondern (selbst-)verletzend. Die Idee des Humanismus, das Urchristentum und auch fernöstliche Religionen erinnern uns gelegentlich an unsere unbefriedigte Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit. Kann es demzufolge sein, dass wir – betroffen von unserem inneren Dilemma – auf einen wie Trump unsere persönliche Zerrissenheit projizieren, weil er unseren uneingestanden-destruktiven »westlichen« Lebensstil im Grunde nur auf die Spitze treibt? Daher könnte die Heftigkeit unserer Ablehnung, unsere tief empfundene Verunsicherung und nicht zuletzt dieser frustig-schale Nachgeschmack rühren. Denn wir ahnen, dass wir im Grunde nicht darauf warten dürfen, dass unser Bedürfnis nach Kongruenz von außen und schon gar nicht von Regierungshandelnden gestillt wird.
Mich jedenfalls erinnern die Trumps dieser Welt auf höchst unangenehme Weise daran, dass der Veränderungsbedarf schlicht und einfach auch bei mir liegt. Im Übrigen dürfen hinsichtlich seiner sexistischen Ausfälle wir Männer uns aufgerufen fühlen, unsere Empörung darüber einmal auf eigene innere Anteile zu überprüfen. Das alles hat nichts mit Relativierung oder gar Verharmlosung zu tun. Natürlich ist das »System Trump« eine Gefahr für den Weltfrieden und verdient jeden Widerstand. Die manchmal irrationale Abscheu, die wir davor empfinden und die wir mitunter vorschnell und selbstzufrieden artikulieren, hat aber Ursachen, die mehr bei uns und weniger beim amerikanischen Präsidenten liegen. Daher mein Vorschlag: Machen wir ihn nicht mächtiger als er ist. Lasst ihn uns ernst nehmen und gleichzeitig laut über ihn lachen. Wenn wir aber die Gelegenheit nutzen, unsere »innere Stimme« zu hören und beherzt nach ihr handeln – dann können wir sogar von einem wie Trump profitieren.
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