Offener Brief an Gerd Müller

Offener Brief übergeben am 11.11.2016 bei einer CSU Veranstaltung im Gasthof zur Post in Peißenberg an: Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Alexander Dobrindt, in seiner Funktion als Kreisvorsitzender der CSU Weilheim-Schongau

„Die Flüchtlinge sind keine Zahlen, sie sind Personen: Sie sind Gesichter, Namen, Geschichten – und als solche müssen sie behandelt werden.“ (Papst Franziskus)

Finden die Worte des Papstes im Oberland Gehör?

Hier leben etwa 90 Senegalesen, die meisten wegen der langwierigen Asylverfahren bereits seit 2 bis 3 Jahren. Wir haben sie lange nicht wahrgenommen, da sich die meisten von ihnen vorbildlich integriert, schnell die deutsche Sprache erlernt, Arbeit gefunden, soziale Kontakte zu den Einheimischen geknüpft haben. Sie haben sich ihren Lebensunterhalt verdient, Steuern und Abgaben bezahlt.

Seit dem letzten Jahr hat sich die Situation der Senegalesen dramatisch verschlechtert, da der Senegal seit 1993 zu den sogenannten »sicheren Herkunftsländern« gehört und Asylsuchende aus diesen Ländern unter der kompromisslosen Umsetzung der immer weiter verschärften Asylgesetze leiden. Während insgesamt versucht wird, Geflüchteten in Deutschland den Zugang zum Arbeitsmarkt und einer gesellschaftlichen Teilhabe zu erleichtern, werden Senegalesen in Bayern systematisch diskriminiert und ausgegrenzt. Bayern hält an einer abschreckenden Linie fest, die weit über die Einschränkungen der bundesdeutschen Asylgesetzgebung hinausgeht und das Integrationsgesetz unterläuft; so unterliegen sie hier einem rigiden Arbeits- und Ausbildungsverbot. Aus integrierten, sich selbst versorgenden Mitbürgern werden somit Almosenempfänger und Bittsteller und dieser von ihnen unverschuldete Umstand wird von Seiten der Politik auch noch zum Argument für noch härtere Maßnahmen gemacht.

Der Landkreis Weilheim-Schongau nimmt nach eigenen Angaben eine Vorreiterrolle ein. Die gesetzlichen Vorgaben werden, anders als in anderen Landkreisen, bewusst zu Lasten der Asylsuchenden ausgelegt. Dabei legt das Landratsamt augenscheinlich seinen Fokus auf möglichst unwürdige Verhältnisse: Unterkunft, Nahrung, Kleidung werden Asylsuchenden aus dem Senegal, deren Asylantrag abgelehnt wurde, nur noch in Form von Sachleistungen gewährt. Sie bekommen keinerlei finanzielle Unterstützung, nicht einmal ein Minimum für ihren persönlichen Bedarf. Sie sind untergebracht in isolierter Lage auf der Hirschbergalm bei Pähl; abgeschnitten von ihren bisherigen sozialen Kontakten und Integrationsmöglichkeiten fristen sie dort ihr Dasein. Die Situation verschärft sich zudem durch die schlechte Ausstattung und Verpflegung eines bekannten privaten Betreibers. So wird ein enormer Druck auf die Menschen ausgeübt, in ihr Heimatland zurückzukehren; was für viele aus unterschiedlichen Gründen unmöglich ist.
Die bis dato gelungene Integration wird bewusst zunichte gemacht, weil sie von staatlicher Seite nicht gewünscht ist. Die psychischen Belastungen sind enorm. In dieser Situation wäre es kein Wunder, dass Menschen für kriminelle Handlungen und fundamentalistische Ideologien anfällig würden. Zum Glück haben sie dieser Versuchung bisher widerstanden.

DESHALB fordern wir ein Ende der Ausgrenzungspolitik für Asylsuchende und Geduldete, die schon seit Jahren hier sind und bereits ihren Willen und ihre Fähigkeit zur Integration eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

Wir fordern eine menschenwürdige und respektvolle Behandlung aller Menschen, die hier leben, egal woher sie kommen.

Wir fordern eine Anwendung der bestehenden Gesetze mit Augenmaß und unter Berücksichtigung des Einzelfalls.

Wir fordern eine Aufhebung des bayerischen Beschäftigungs- und Ausbildungsverbots für Menschen aus sogenannten »sicheren Herkunftsländern«. Ausbildung, Arbeit, das Erwerben von Know-How  in Deutschland bedeuten eine nachhaltige Entwicklungshilfe, die den Menschen direkt zugute kommt und die nicht in korrupten Staatskassen versickert.

Ingeborg Bias-Putzier, Weilheim

 

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Kommentar der Verfasser

Dieser offene Brief wurde von einigen Ehrenamtlichen aus dem Netzwerk Asyl im Oberland verfasst und fand Zustimmung bei vielen Menschen im Oberland, die den Verfassern namentlich bekannt sind. Stellvertretend für sie wurde er von Ingeborg Bias-Putzier am 11. November 2016 in Peißenberg Herrn Bundesminister Müller persönlich übergeben. Dieser hat bei der Übergabe des Briefes eine Stellungnahme fest versprochen – geschehen ist bis heute (27. Dezember 2016) trotz einer freundlichen Erinnerung nichts.

Am 17. November wurde der Brief inklusive Unterzeichnerliste mit der Bitte um Unterstützung persönlich von Ingeborg Bias-Putzier im Vorzimmer der Landrätin Frau Jochner-Weiß abgegeben. Ist es überflüssig zu erwähnen, dass es noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung der Landrätin gegeben hat, geschweige denn eine Antwort? Es wird sehr gerne gesehen, wenn die Ehrenamtlichen dem Staat viel Arbeit abnehmen, aber wehe, sie stellen unbequeme Fragen und hinterfragen Vorgänge der Behörden kritisch. Dann ist es schnell vorbei mit der Wertschätzung und der vielbeschworenen »Augenhöhe«. Schade! So wundert es nicht, wenn sich immer mehr Ehrenamtliche zurückziehen.

Ingeborg Bias-Putzier,  Netzwerk Asyl im Oberland

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