27. Februar 2022
Sehr geehrter Herr Schröder,
zu der Zeit, als ich noch Juso war, waren Sie Bundesvorsitzender der Jusos. Ich gehörte schon damals nicht zu Ihren Anhängern, und als Sie Kanzler wurden, war ich nicht mehr in der SPD. Aber ich hatte trotz meiner Gegnerschaft zu Ihnen großen Respekt für Ihren Mut, Deutschland im Jahre 2003 aus dem Irakkrieg herauszuhalten, obwohl am Anfang noch nicht bekannt war, dass die USA den Krieg mit einer Lüge begründeten.
Nun hat der russische Präsident Putin einen barbarischen und verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine begonnen, der nur mit Lügen begründet wurde. Wahrscheinlich gibt es außer in Russland nur wenige Menschen auf der Welt, die diese Lügen glauben. Ich bin davon überzeugt, dass auch Sie diese Lügen nicht glauben. Sie sind enger Freund von Präsident Putin, Vorsitzender des Aufsichtsrates des russischen Energiekonzerns Rosneft, aktiv für die russische Ölpipeline Nord Stream und Sie wollen demnächst noch Vorsitzender des Aufsichtsrates im russischen Gaskonzerns Gazprom werden.
Während sich die gesamte demokratische Welt mit Grausen von dem Kriegsverbrecher Putin abwendet und Sanktionen verhängt, vertreten Sie nach wie vor die Interessen eines Faschisten. Wenn Sie noch einen Funken Charakter haben, dann treten Sie sofort fristlos ohne jede Entschädigung von allen Ihren Ämtern in Russland zurück, kündigen Putin die Freundschaft und verurteilen dessen Krieg als ein Kriegsverbrechen, das mit dem Überfall von Adolf Hitler auf Polen vergleichbar ist. Wenn Sie das nicht tun, dann schaden Sie dem Ansehen Deutschlands und der gesamten demokratischen Welt, und man stellt sich die Frage, wie tief ein Mensch sinken kann, der mal Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Neuber, Iffeldorf
2. März 2022
Sehr geehrter Herr Schröder,
während Putin die Bewohner der Ukraine massakrieren und jetzt wie in Syrien sogar Krankenhäuser bombardieren lässt, arbeiten Sie noch immer für den wohl größten europäischen Kriegsverbrecher seit Adolf Hitler. Alle anderen westeuropäischen Aufsichtsräte russischer Konzerne haben ihre Ämter niedergelegt, jetzt auch Ihre eigenen Mitarbeiter. Die Konzerne BP und Shell haben ihre Anteile an Rosneft und Gazprom mit riesigem Verlust verkauft. Nur Sie halten an Ihren Ämtern fest und kassieren von Putin Millionen Euro, die man nur noch als Judas-Lohn bezeichnen kann.
Schon seit Ihrer Übernahme diverser Ämter in Russland bereits kurz nach Ihrem Ausscheiden im Kanzleramt frage ich mich, was der Grund war für diese doch etwas merkwürdige Hast. Waren Sie etwa schon als Bundeskanzler ein Interessenvertreter von Putin? Waren Sie etwa schon damals ein Lobbyist von Rosneft, Nord Stream und Gazprom? Waren Sie Putin etwa schon damals in einer Art und Weise verbunden und verpflichtet, dass Sie diese Ämter übernehmen mussten? Und ist das vielleicht auch der Grund dafür, dass Sie jetzt nicht wie alle anständigen Menschen die Beziehung zu Putin abbrechen und ihre Ämter niederlegen?
Auf alle diese Fragen hätte ich gerne eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Neuber, Iffeldorf
3 Kommentare
Danke für diese offenen Worte! Ich kann mich nur zu 100 % Ihren Ausführungen anschließen!!! Ich schäme mich für diesen ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik, den auch ich einmal gewählt habe. Kann man daraus nicht einen öffentlichen Brief an Gerhard Schröder erstellen, den jeder, der der gleichen Meinung ist, an sein Büro per Mail oder Brief schicken kann?
Sehr geehrter Herr Neuber, Herr Schindelmeiser,
ich würde gerne in Anbetracht der sehr kritischen Situation bitten auch einmal eine andere Sichtweise zu berücksichtigen. Dafür sehe ich mich gezwungen etwas auszuholen. Falls Meinungsfreiheit jetzt überhaupt noch akzeptiert wird.
Der Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat noch am Tag des Überfalls auf die Ukraine an seinen Freund Wladimir Putin appeliert die Invasion zu beenden [1]. Aber der Rubikon war bereits überschritten.
All die Gutmenschen, die 15 Jahre ihre Augen verschlossen hatten, fühlen sich nun moralisch berufen auf Gerhard Schröder einzuschlagen. Spätestens auf der SIKO 2007 [2] hätten die Alarmglocken läuten müssen für einen faireren Umgang mit Russland [3].
Der offenbar „waidwund“ getroffene russische Bär schlägt jetzt „irrational“ um sich. Nun raten sie mal wer wohl geschossen hat und warum. Die Jäger wissen was das bedeutet. Aber wir hoffen verzweifelt, dass der Bär noch zur Besinnung kommt. Gleichzeitig wird er weiter in die Enge getrieben.
Die Europäer hätten diesen Wahnsinn wahrscheinlich verhindern können, doch sie folgten ohne eigenen Plan wie hypnotisiert einem vor 25 Jahren geschriebenen Drehbuch. Nachzulesen und zu hören bei Zbigniew Brzeziński 1997 [4] und George Friedman 2015 [5, 6, 7]. Jetzt können sie genausowenig umkehren wie der russische Kriegsapparat willens ist aufzuhören.
In ihrer Hilflosigkeit propagieren die Europäer nun genau die lang geplante Strategie der beiden genannten Herren „Russland zu isolieren“, um endlich auch dort einen „Regime Change“ herbeizuführen. Dabei schießen sie sich masochistisch ins eigene Knie. Bemerkenswert ist, dass es dieses Überfalls bedurfte um die Europoäer zu einen, und das gegen europäische Interessen. Was sagte noch die EU-Beauftragte Victoria Nuland kurz vor dem blutigen Regime Change [8, 9] am Maidan 2014? „FUCK the EU“ [10]. Das tut sich die EU nun wie dressiert selbständig an.
Berechtigte Kritik
Bei aller gerechtfertigten Kritik an dem Überfall auf die Ukraine fällt im emotionalen Kriegspanik-Zustand gerade der selbstkritisch-analytische Rückblick völlig unter den Tisch. Wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Unsere transatlantisch geprägten Politiker und Medienleute hatten dem russischen Präsidenten seit fast 20 Jahren immer wieder zu verstehen gegeben „Wir mögen dich nicht“. Sogenannte „Russlandversteher“ wurden geschmäht und geprügelt für ihre Kritik am transatlantischen Umgang mit Russland. Die Ignoranz hatte System. Dass es derart eskalieren würde, hatte niemand erwartet. Auch nicht Gerhard Schröder. Es gibt Anzeichen, dass dieser Krieg von der russischen Seite nicht gut vorbereitet war. Mit dem Überfall entlädt sich offenbar der aufgestaute Zorn der letzten 20 Jahre (NATO-Osterweiterung [3], Maidan [9], Odessa [11], … ).
Mit schuldig an dem Krieg ist nicht Herr Schröder, sondern alle die ihn wochenlang mit verbalem Dauerfeuer herbeigeredet haben. Im Krieg stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst. Aber machen Propaganda nur die Anderen?
Nachdem der Krieg losgetreten ist, läuft die Kriegspropaganda auf Hochtouren. Die Diplomatie ist praktisch hirntot. Wie vertrauenswürdig z.B. Satelliten-Aufnahmen sein können, hat uns im März 2003 der US-Aussenminister Collin Powell [12] deutlich vor Augen geführt. Das Schlimmste daran: Die Medien haben die „Beweise“ unkritisch nachgebetet.
Menschenleben
Und es gibt aus der Erfahrung Grund genug anzunehmen, dass die Menschenleben in der Ukraine für die Geostrategen genauso wenig wert sind wie lybische, irakische, syrische und afghanische Menschenleben. Man liefert ihnen martialische Waffen, die den Krieg und das Leid nur verlängern können und vor allem der Durchsetzung geopolitischer Interessen dienen. Die Kämpfer des kriegerischen Regiments Asow [13, 14, 15] können als Märtyrer den Heldentod sterben. Um die ukrainischen Flüchtlinge kümmern sich selbstverständlich die hilfsbereiten Europäer.
Nach dem Tabubruch Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, wird jetzt im emotionalen Kriegsmodus sogar der Ruf laut auch noch die deutsche Bundeswehr gegen die Russen zu verheizen, während die Strippenzieher hinterm großen Teich überzeugt sind einen Atomkrieg überleben zu können. Ihre treuen Vasallen besitzen für den Fall vermutlich schon ein One-Way-Ticket „raus-aus-Europa“.
Der Emotionalität konnte ich mich gerade auch nicht ganz entziehen. Leider werden wieder einmal die mutigen Kritiker wie Margot Käßmann [16] im Schlachtengetümmel untergehen
Mit freundlichen Grüßen. S.K.
P.S.: Natürlich sind solche Thesen ein gefundenes Fressen für sog. „Faktenfinder“, die vom Pawlow’schem Reflex getrieben zwanghaft bellen: „Verschwörungstherien!“ und „Putin-Trolle!“ Belege, die zu solchen Thesen führen werden penetrant ignoriert um das vertraute Freund-Feind-Weltbild nicht zu verunsichern. Verstehen kann den ganzen Wahnsinn aber nur, wer sich über sein bisheriges Weltbild hinaus auch mal intensiv mit der Geopolitik beschäftigt hat.
Im Kriegsgeschrei sind alle Nachrichten vergessen, die uns vorher noch zum Nachdenken anregten. Youtube ist nicht ganz so inkontinent wie meine Links zeigen. Wer nun auch den von mir zitierten Leitmedien Propaganda vorwirft macht sich nur noch lächerlich.
[1] SPIEGEL, 24.02.2022: „Ex-Kanzler Schröder fordert Putin zum Beenden der Invasion auf“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-gerhard-schroeder-fordert-wladimir-putin-zum-beenden-der-invasion-auf-a-75dcb51d-7890-4305-8911-543e3b1b4c18
[2] Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der 43. Münchner “Sicherheitskonferenz”
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Sicherheitskonferenz/2007-putin-dt.html
[3] Ulrich Reitz, Focus 18.02.2022: Putin klagt über gebrochenes Versprechen (NATO-Osterweiterung)
http://www.focus.de/politik/ausland/afdjkasdf_id_55569882.html
[4] Zbigniew Brzeziński 1997: “Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“
de.wikipedia.org/wiki/Die_einzige_Weltmacht%3A_Amerikas_Strategie_der_Vorherrschaft
[5] George Friedman, 03.02.2015: ”Europe – Destined for Conflict”
http://www.youtube.com/watch?v=QeLu_yyz3tc
[6] George Friedman, Geopilitical Futures (GFP):
geopoliticalfutures.com/live-updates-on-ukraine-war/
[7] Albrecht Müller, Nachdenkseiten 13.03.2015: „Der Tod kommt aus Amerika“
http://www.nachdenkseiten.de/?p=25398
[8] ARD Mittagsmagazin 10.04.2014: “Scharfschützen auf dem Maidan-Platz”
https://www.youtube.com/watch?v=Zm8duuDhvys
[9] Telepolis 10.04.2014: “Wer waren die Scharfschützen des Maidan?”
https://www.youtube.com/watch?v=Zm8duuDhvys
[10] BBC 04.02.2014: „Ukraine crisis: Transcript of leaked Nuland-Pyatt call „Fuck the EU““
http://www.bbc.com/news/world-europe-26079957
[11] Deutsche Welle 27.04.2017: „Ukraine: Ungeklärter Massenmord (Odessa, 2.5.2014)“
https://www.dw.com/de/ungekläter-massenmord-in-odessa/av-38537007
https://www.youtube.com/watch?v=2nZr_J9eG_4
[12] Christoph Burgmer, Deutschlandfunk 05.02.2013: „Auf Lügen gebaut“ (Colin Powell, 5.2.2003)
http://www.deutschlandfunk.de/auf-luegen-gebaut-100.html
[13] Moritz Gathmann, Spiegel 29.06.2014: „Ukraine, Lauter Verlierer“ (Bat. Asow))
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-127862113.html
[14] Moritz Gathmann, Spiegel 19.03.2015: „Porträt des Bataillons “Asow” im Sommer 2014“
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-127862113.html
[15] REPGOW Rechtsanwaltskanzlei 28.02.2022: „Facebooks Heuchelei und Doppelmoral –
Das Regiment Asow“
https://www.youtube.com/watch?v=5Ru7X76xbug
[16] Margot Käßmann, Telepolis 01.03.2022: „Mehr Waffen schaffen keinen Frieden“
http://www.heise.de/-6528948
Hallo Herr Klar, vielen Dank für ihren ausführlichen und fundamentierten Beitrag, den ich voll und ganz teile. Es ist erschreckend, dass unser Marionettentheater, das sich Regierung nennt, aus der Geschichte gar nichts gelernt hat.
Mindestens genau so erschreckend ist die Kriegspropaganda in den Mainstreammedien und die Zensur.
Ich hoffe, dass die Vernunft bald wieder in die Politik einkehrt.
Hinweisen möchte ich auf den folgenden weitsichtigen Artikel im Stern aus 2015. Siehe:
https://www.stern.de/politik/ausland/rolle-der-usa-in-der-ukraine-krise-die-egoistischen-staaten-von-amerika-3677574.html