Auflagen des Landratsamtes, die kein Mensch nachvollziehen kann
Sie sind berufstätig oder im wohlverdienten Ruhestand? Was würden Sie sagen, wenn Ihr Arbeitgeber oder die Rentenkasse ihnen mitteilt, dass Sie Ihr monatliches Salär nicht mehr auf Ihr Konto überwiesen bekommen, sondern es Ihnen bei einer Zahlstelle in bar ausgezahlt wird. Das ist kein Witz, sondern wird derzeit seitens des Landratsamtes Weilheim-Schongau praktiziert. Nein, nicht bei uns wohlbehüteten Bundesbürgern, sondern gegenüber Asylbewerbern, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben oder deren Asylantrag abgelehnt wurde. Das Landratsamt beruft sich mit dieser Vorgehensweise auf das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) § 3 Abs. 6 Satz 1. Dies ist jedoch eine Kann- und keine Mussbestimmung.
Was ist die Geschichte? Ich betreue seit zweieinhalb Jahren Asylbewerber. Derzeit eine vierköpfige afghanische Familie mit zwei Mädchen mit vier und sieben Jahren, die im Februar 2016 nach Deutschland geflüchtet sind. Ihr Asylantrag wurde Anfang Januar dieses Jahres abgelehnt. Gegen den Bescheid wurde Klage beim Verwaltungsgericht in München erhoben.
Was diese Ablehnung bei diesen Menschen bewirkt, erlebe ich tagtäglich. Sie haben Todesangst, zurück in ihre Heimat zu gehen. Die beiden Mädchen besuchen den Kindergarten und die Schule, können bereits schon fast perfekt Deutsch und haben hier Freunde gefunden, sich integriert und sozialisiert. Was es gerade für Mädchen und Frauen bedeutet, zurück nach Afghanistan zu gehen, kann man nur erahnen. Die Eltern lernen seit ihrer Ankunft Deutsch, die Mutter hilft mittlerweile ehrenamtlich im Kindergarten bei dem Mittagstisch.
Afghanistan wird wider besseren Wissens und trotz der Fakten von der Bundesregierung als sicheres Herkunftsland definiert. Hintergrund: Trotz massiver Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan sollen Flüchtlinge dorthin abgeschoben werden, damit die Zahl der Asylbewerber hier in Deutschland zurückgeht. Diese Vorgehensweise ist wahltaktisch motiviert. Die Humanität und Menschenwürde bleibt auf der Strecke.
Nun kommen zu den psychischen Belastungen noch Auflagen des Landratsamtes hinzu, die kein Mensch nachvollziehen kann. Als die Asylbewerber zu uns in den Landkreis kamen, wurden die Helfer seitens des Landratsamtes aufgefordert, unverzüglich mit ihnen ein Konto zu eröffnen, damit die Leistungen bargeldlos gezahlt werden können. Auch vor dem Hintergrund, die Beschäftigten des Landratsamtes am Auszahltag zu entlasten. Denn nicht alle Kommunen waren bereit, eine Zahlstelle einmal im Monat einzurichten, so dass viele Asylbewerber am ersten eines Monats nach Weilheim fahren mussten, um ihr Geld in bar abzuholen.
Vielleicht denken Sie, lieber Leser und liebe Leserin, na das wird doch nicht die Welt sein, einmal im Monat sein Geld abzuholen. Aber genau wie bei Ihnen laufen über das Konto Lastschrift-Einzüge oder Daueraufträge. Also Geld bar abholen und dann einzahlen auf das Konto, damit es gedeckt ist oder Konto auflösen und alles dann per Hand überweisen???
In meinen Augen bedeutet das Vorgehen des Landratsamtes eine weitere Schikane für Menschen, die sowieso schon sehr belastet sind. Eine unkritische Übernahme der derzeitigen Politik der Landesregierung. Mit dieser Vorgehensweise wird auch seitens der Politik den afghanischen Flüchtlingen deutlich gemacht, dass sie hier in Deutschland nicht erwünscht sind.
In den Medien wird immer wieder berichtet, dass die zukünftige Welt bargeldlos sein wird. Diesen Trend verpasst das Landratsamt oder hat bisher noch nichts davon gehört!
1 Kommentar
Sehr geehrte Frau Lebien-Schachner,
leider ist Ihre Sorge nicht unbegründet. Afghanistan ist so wenig ein „sicheres Herkunftsland“ wie ein elektrischer Stuhl ein warmer Fernsehsessel. Dies ist entweder den Entscheidungsträgern bekannt, oder sie beweisen ihre völlige Inkompetenz. Die Behauptung, es gäbe sichere Regionen in Afghanistan, ist an Unverfrorenheit kaum noch zu überbieten. Die Menschen werden dort ermordet, nur aus dem Grund, da sie der falschen ethnischen Gruppe angehören, oder – da keine Taliban – in den Augen der Mörderbanden „Ungläubige“ seien.
Daher wurde auf Island die ursprüngliche Entscheidung, eine Familie gemäß der Dublin-Regulierung wieder nach Deutschland zurückzuschicken, mittlerweile zurückgezogen:
http://icelandmonitor.mbl.is/news/politics_and_society/2017/02/06/hope_for_afghan_family_of_asylum_seekers/
Möge der informative Bericht geeignet sein, die eklatante Bildungslücke bei den Entscheidungsträgern zu schließen. Bei Nachfrage sende ich Ihnen gerne eine Übersetzung ins Deutsche zu.
Mit freundlichem Gruß
Bernhard Pangerl