Von einer Schmutzkampagne gegen ein ehrenwertes Projekt
Im letzten Jahr hat sich in Füssen der »Förderverein Nationalpark Ammergebirge e. V.« gegründet. Er setzt sich ein für die Errichtung eines Nationalparks in unserer Region und hat dazu einen sehr fundierten Projektvorschlag erarbeitet und zur Diskussion gestellt.
Wie zu erwarten, stieß der Vorschlag nicht überall auf Gegenliebe. Ganz im Gegenteil: Seit Wochen und Monaten sind Gegner des Nationalparkvorschlags landauf und landab feldzugartig unterwegs, um diese Idee madig zu machen. Dabei schrecken die Gegner, deren emsigste Aktivisten mehr oder weniger überraschend aus dem Bereich der staatlichen Forstbetriebe und einigen Bürgermeisterzimmern stammen, auch vor Halbwahrheiten, Falschaussagen und sogar persönlichen Verunglimpfungen der Nationalparkbefürworter nicht zurück.
Je nach Zielgruppe werden Schreckgespenster an die Wand gemalt, als führe die Verwirklichung eines Nationalparks im Ammergebirge unweigerlich zum Untergang des Abendlandes, mindestens aber zu massiven Beeinträchtigungen von Einzelinteressen der jeweils Angesprochenen.
Bei Alpenvereinsmitgliedern spricht man von einem dann bevorstehenden Wegeverbot für Wanderer und Alpinisten; bei den Waldbauern ist die Rede von schwerwiegenden Eingriffen in deren Eigentumsrechte und dem drohenden Verlust von Weide- bzw. Almrechten; und bei Bürgermeistern und kommunalen Verbänden wie zum Beispiel Auerbergland wird man vorstellig und behauptet, dass so ein Nationalpark sich keinesfalls positiv für den Tourismus in der Region auswirke. Ach ja, und dann wird noch die Geschichte erzählt, dass die Zahl der Befürworter des Projekts mit der Entfernung ihres Wohnsitzes von unserer Gebirgsheimat zunähme, aber die tatsächlich betroffene Bevölkerung vor Ort in ihrer großen Mehrheit gegen das Vorhaben sei. Hier wisse man schließlich um die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort. Man lasse sich also sozusagen von Fremden nicht die Heimat, die Lebensgrundlagen und die bewährte bäuerliche Land- und Forstwirtschaft mit ihrer positiven Wirkung auf unsere Kulturlandschaft mutwillig zerstören.
Starker Tobak kann man da nur sagen. Und das verstärkt sich noch, wenn man ins Detail geht und einmal den tatsächlich vorliegenden Nationalparkvorschlag unter die Lupe nimmt.
Der vom Förderverein vorgeschlagene Nationalpark Ammergebirge umfasst mit 230 km² ausschließlich Gebirgsflächen, die sich mit Ausnahme des Eibsees alle in staatlichem Besitz befinden. Somit wäre nicht ein einziger Quadratmeter Privatgrund betroffen! In der zunächst zirka 51 Flächenprozente betragenden Kernzone (Zielvorgabe wäre ein Anwachsen innerhalb von 30 Jahren auf 75 Prozent) dürfte nach den Richtlinien der Internationalen Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) und nach dem entsprechenden deutschen Gesetz keine forst- und landwirtschaftliche Nutzung stattfinden. In der Pflegezone, und dazu würden schon aus landschaftsschützerischen und biodiversitätsorientierten Gründen auf alle Fälle die Almen sowie die Bannwälder gehören, gelten diese strengen Maßstäbe nicht.
Ganz im Gegenteil: Gerade die artenreichen Magerrasen und Offenlandflächen der Lichtweiden bilden in ihrer Pflanzenvielfalt ein besonders schützenswertes Gut. Die dort bestehenden Weiderechte stehen somit auf keinen Fall für einen Nationalpark zur Disposition.
Den befürchteten Borkenkäferbefall, der wohl eher aus den tieferen Lagen außerhalb des Nationalparks drohen dürfte, könnte man selbstverständlich überall da, wo es nötig wäre, also zum Beispiel in Lawinenschutzwäldern mit forstlichen Mitteln bekämpfen. Schutzstreifen zu den Wäldern außerhalb des Nationalparkgebietes wären im Fall des Falles selbstverständlich und den örtlichen Gegebenheiten nach in einem sogenannten Borkenkäfermanagement einzurichten. Selbstverständlich würde man dabei die Erkenntnisse aus den in anderen Regionen durchaus gemachten Fehlern berücksichtigen.
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sollen Nationalparke auch „dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen“. In einem entsprechenden Nationalpark Ammergebirge würde man also auch weiterhin wandern, baden, radeln, skifahren und skibergsteigen können, mit den bereits jetzt geltenden Einschränkungen, zum Beispiel auch nach den Regeln des Deutschen Alpenvereins. Gerade diese Freizeitnutzung, bei der neben der heimischen Bevölkerung vor allem die in der Fremdenverkehrswirtschaft hochgeschätzten Langzeiturlauber eine maßgeblich Rolle spielen dürften, stellt eine der großen Zukunftschancen für die Region durch einen Nationalpark dar. Erfreulicherweise handelt es sich dabei auch um sogenannten sanften, also naturverträglichen Tourismus mit entsprechender Zukunftsfähigkeit. Die beiden bereits bestehenden Nationalparke in Bayern bestätigen dies mit eindrucksvollen Zahlen. Dort ist jede Kommune froh und stolz, wenn sie den Titel »Nationalparkgemeinde« führen und damit erfolgreich werben kann.
Neben der ethischen Dimension eines Projekts Nationalpark im Sinne von Bewahrung der Schöpfung, von Verantwortung für kommende Generationen und von Toleranz für Wildnis und Biodiversität wird in der Debatte so gut wie nie thematisiert, dass in Deutschland und in Bayern früher oder später noch mehrere nationalparkähnliche Gebiete ausgewiesen werden müssen. Auf der Grundlage der Beschlüsse von Rio de Janeiro aus dem Jahre 1992, in unserem Fall bezieht sich das auf die sogenannte Waldkonvention, haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, bis zu 2 Prozent der jeweiligen Landesfläche, fünf Prozent der vorhandenen Waldfläche bzw. 10 Prozent der staatlichen Wälder von wirtschaftlicher Nutzung frei zu halten, also in einen nationalparkähnlichen Zustand zu belassen oder zu versetzen. Als eine erste zeitliche Vorgabe für dieses ehrgeizige Ziel gilt in Deutschland das Jahr 2020. Früher oder später werden also durch supranationale Verträge und Vereinbarungen vorgegebene Wildnisflächen gesetzlich umzusetzen sein.
Unter diesen Umständen wird auch klar, warum unser Nachbarbundesland Baden-Württemberg im Bereich des Nordschwarzwalds einen entsprechenden Nationalpark plant. Dies geschieht mit tatkräftiger Unterstützung der Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der obersten Forstbehörden des Landes. Ein ähnliches regierungsamtliches Vorgehen wünschte man sich auch in Bayern für die in der Diskussion stehenden Nationalparkprojekte im Spessart und im Ammergebirge.
Wir sind mit Recht stolz auf unsere landschaftlich einmalige Heimat, auf das wunderbare Zusammenspiel zwischen Kultur- und Naturlandschaften. Vieles davon wurde in den letzten Jahren stark beeinträchtigt und teilweise auch ganz verspielt – man denke dabei nur an den nach wie vor ungebrochenen Flächenfraß und Zersiedlungswahn, an Schneekanonen und überdimensionierten Forstwegebau. Umso mehr sollten wir dafür Sorge tragen, dass wenigstens ein kleiner Teil unseres Landes gegen diesen Trend geschützt wird, von Profitinteressen der Staatsforsten ausgenommen und in seiner natürlichen Vielfalt erhalten bleibt.
So wie es im kulturellen Bereich eine große Ehre ist, Stätten des Weltkulturerbes vorweisen zu können, so wäre auch ein Nationalpark Ammergebirge eine große Ehre und internationaler Anerkennung gewiss für die Region und das ganze Land.
Gemeinsam mit allen Bürgerinnen und Bürgern des Landes (sie alle sind letztlich die Eigentümer der staatlichen Wälder), aber auch mit allen Betroffenen und Anrainern vor Ort sollten wir in überlegter und sachlicher Weise an dieses großartige Schutzvorhaben herangehen. Das Projekt »Nationalpark Ammergebirge« ist aller Ehren wert und wartet auf die Unterstützung des bayerischen Volkes!
Hans Schütz
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Hinweis
Einen guten Überblick über das Projekt »Nationalpark Ammergebirge« kann man sich mit folgender Broschüre verschaffen: Sonderdruck »Nationalpark Ammergebirge« von Hans Ehrhardt aus »Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben e. V.« , Band 116, 2012
Weitere Informationen, auch zur Mitgliedschaft im Förderverein unter www.initiative-nationalpark-ammergebirge.de
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