Nachwehen zum Thema Kurt Eisner – Landrätin für Kabarettpreis vorgeschlagen

Als im Jahrbuch »Lech-Isar-Land 2020« ein 51-seitiger Beitrag des Kreisheimatpflegers Helmut Schmidbauer über den ersten Bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner und dessen Mörder Graf Arco auf Valley erschien, war die Empörung über die einseitige Darstellungsweise enorm, denn einerseits rechnete Schmidbauer gnadenlos mit Eisner ab und stellte ihm in „geradezu hymnischer Wertung“ (Zitat aus dem Münchner Merkur) seinen Mörder gegenüber.

Als einer der schärfsten Kritiker erwies sich dabei der Bezirksrat Professor Dr. Klaus Weber aus Neuried (Die Linke), der in einer Kulturausschusssitzung des Bezirkstags am 1. Juli 2020 auf den entsprechenden Artikel hinwies und dazu ausführte: „Die Hetze gegen den ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner und die Darstellung seines antisemitischen Mörders als Held durch den Kreisheimatpfleger waren unerträglich.“ Über diese Kulturausschusssitzung wurde dann bekannt, dass das Jahrbuch »Lech-Isar-Land« für diese Ausgabe vom Bezirk Oberbayern keine Fördermittel erhält. „Die Expert*innen, unter ihnen Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler, haben das Jahrbuch nicht in die förderungswürdigen heimatkundlichen Projekte aufgenommen“, so Professor Weber in einer Presseerklärung vom 1. Juli 2020. Weber wies dabei auch darauf hin, dass die Landrätin Weilheim-Schongaus, die für eine Abberufung des Kreisheimatpflegers zuständig wäre, trotz seiner diesbezüglichen Aufforderung nichts unternommen habe und weiter: „Sie drückt sich vor einer Entscheidung seit mehreren Monaten.“

Am 21. Oktober erhielt Professor Weber dann endlich eine kurze Antwort der Landrätin folgenden Inhalts: „Der von Ihnen angeführte Sachverhalt wurde geprüft. Herr Kreisheimatpfleger Schmidbauer hat einen kulturhistorischen Beitrag geschrieben, den man fachlich und politisch unterschiedlich bewerten kann. Ein Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften ist aus unserer Sicht nicht ersichtlich.“

Zusammengefasst von der OHA-Redaktion


Diese Antwort der Landrätin wollte Klaus Weber nicht kommentarlos stehen lassen und antwortete wie folgt:

„Sehr geehrte Frau Landrätin,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief vom 21.10.2020. Diesem ist zu entnehmen, dass der von mir „angeführte Sachverhalt geprüft“ wurde und dass „ein Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften aus [Ihrer] Sicht nicht ersichtlich“ sei. Für die detailreiche und ausführlich begründete Antwort auf meine Briefe vom 10.3.2020, 1.6.2020 sowie 19.9.2020 haben Sie sich und der Tastatur gerade mal vier Zeilen gegönnt. Das ergibt pro Zeile Ihrer kenntnisreichen Ausführungen eine Arbeitsdauer von zweieinhalb Monaten pro Zeile. Es ist in Kabarettkreisen üblich, davon zu sprechen, der öffentliche Dienst sei langsamer als die menschliche Evolution (Erwin Pelzig). Ich werde die Kabarettisten über die gerade gewonnene Erkenntnis informieren, dass die Landrätin von Weilheim-Schongau diese »Geschwindigkeit« bei Weitem noch zu unterbieten in der Lage ist. Doch nicht nur die Zeitdauer Ihrer Antwort ist verblüffend, auch die Ausführungen und das Ergebnis Ihres Schreibens zeugen von größter Sachkenntnis in Bezug auf die Unterscheidung kultureller, politischer und rechtlicher Gebiete. Die Abberufung des Kreisheimatpflegers, wie ich sie Ihnen nahe gebracht habe, ist eine politische Frage und keine rechtliche. Insofern können Sie den Kreisheimatpfleger wegen seiner historisch (also kulturpolitisch relevanten) falschen Aussagen abberufen – ein Rechtsverstoß wurde weder von mir moniert, noch muss er Grundlage einer politischen Entscheidung sein.

Da Sie den völlig unsinnigen Satz zum „nicht ersichtlichen Rechtsverstoß“ als Folge einer politischen Sichtweise deklarieren, gehe ich davon aus, dass Sie mit den „kulturhistorischen“ Ausführungen des Kreisheimatpflegers einverstanden sind und also den Mord am bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner rechtfertigen und seinen antisemitisch motivierten Mörder als verführtes Opfer bezeichnen werden. Dazu ist anzumerken: „Die Landrätin des Kreises Weilheim-Schongau hat einen politischen Brief geschrieben, den man fachlich und politisch unterschiedlich bewerten kann. Ein Verstoß gegen die Möglichkeit, selbstständig zu denken, historische Sachverhalte zu überprüfen und antisemitische Propaganda zu unterbinden ist aus meiner Sicht nicht ersichtlich.“ Zudem musste ich mehrere Stunden damit verbringen zu entschlüsseln, was es damit auf sich hat, dass aus „unserer Sicht“ etwas nicht „ersichtlich“ sei. Ersichtlich kann nur etwas sein, was ich sehe. Ihr »Sehen« bekunden Sie damit, dass Sie aus Ihrer »Sicht« etwas ersehen können, was aber gleichzeitig »nicht ersichtlich« sein soll und was allerdings nur bei geschlossenen Augen funktioniert (oder weil frau gerne wegschaut von dem, was leicht »ersichtlich« ist). Aus all diesen Gründen werde ich Sie für den Deutschen Kleinkunstpreis (Sparte: Unbeabsichtigtes Kabarett), den bayerischen Kabarettpreis (Sparte: Denkverbote helfen nur, wenn gedacht wird) und eine Professur im Bereich Subjektphilosophie (Ambivalenzen der Ersichtlichkeit) vorschlagen.

Mit amüsierten Grüßen
Prof. Dr. Klaus Weber

Nachtrag zu obigem Artikel
Laut einer Kurzmeldung im Lechkurier (18. November 2020) hat der Landratsamt-Geschäftsleiter Georg Leis in einer Kreisausschusssitzung bekanntgegeben, dass Kreisheimatpfleger Helmut Schmidbauer darum gebeten habe, zum 30. April 2021 von seinem Ehrenamt entbunden zu werden.

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