Fassungslosigkeit, Wut, Scham über die feigen Mordtaten der Nazigruppe aus Thüringen.
Die Vollstrecker rechter Stichwortgeber aus dem »bürgerlich-konservativen« Lager erschüttern die Republik.
Die offenkundige Blindheit auf dem rechten Auge der staatlichen Organe ist eine lange Geschichte, die schon mit der Gründung der BRD beginnt. Alle sog. »Dienste« einschließlich der Polizei waren vom Nationalsozialismus infiziert. Kaum einer der Nazi-Schergen im Polizeidienst (oberster Dienstherr Heinrich Himmler!) musste um seinen Job fürchten, darunter auch Mörder. BND und Verfassungsschutz wurden von »Fachleuten« aus der NS-Zeit aufgebaut. Der »Feind« stand ja nach wie vor links.
66 Jahre danach findet langsam eine Aufarbeitung dieser Geschichte durch Historiker statt. Aber ist der Geist des Nationalismus, des Rassismus und des Antikommunismus mit den neuen Generationen wirklich verschwunden? Oder wurden diese etwa nicht von den Altvorderen ausgebildet?
Die Sonderkommission der Polizei zur Aufklärung der 9 Mordfälle nannte sich »Bosporus«, als ob die Morde in der Türkei und nicht mitten in Deutschland geschehen seien. Die Medien bezeichneten die Mordserie als »Dönermorde«, weil zwei der Ermordeten Döner verkauften. Es wurden aber Menschen ermordet und nicht Döner! Lange wurde im Umfeld der Opfer ermittelt, war von »türkischer Mafia« die Rede, so dass die Opfer öffentlich entwürdigt wurden. Dabei war ein rassistischer Hintergrund offensichtlich, ein solches Ermittlungsergebnis aber nicht erwünscht.
Dazu passt, dass bis heute die Zahlen der durch Rechtsradikale ermordeten von den Behörden und der Bundesregierung »kleingerechnet« werden. Während die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion von 47 Getöteten ausgeht, sprechen Fachleute von mindestens 137 Toten seit 1990.
CSU-Fraktionschef Georg Schmid forderte den Landtagsabgeordneten der Grünen Sepp Dürr auf, er solle sich für seine Aussage entschuldigen, die CSU habe „eine Nähe zu rechtsradikalen Einstellungen“ und sei darum „auf dem rechten Auge blind“.
Rückblende: September 1980, Oktoberfestattentat
Kurz davor hat Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauß die Wehrsportgruppe Hoffmann noch als Spinner verharmlost. Der Attentäter Gundolf Köhler kam aus dieser Gruppe. Sein Ziel war, die Tat den Linken unterzuschieben, um so Strauß zum Wahlsieg zu verhelfen. Für diese Aussage Köhlers gibt es inzwischen offenbar Zeugen. Bis heute jedoch gilt Köhler als Einzeltäter ohne Hintermänner. Für diese These lässt man dann schon mal ein paar Asservate vernichten, damit nicht etwa DNA-Spuren neue Erkenntnisse erbringen. Ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach mehr als 30 Jahren noch Hintergründe und Hintermänner aufdecken kann, sei dahin gestellt.
Die Verfassungsschutzorgane sind ein einziger Skandal.
Es beginnt mit dem ehemaligen Verfassungsschutzchef Roewer aus Thüringen, der öffentlich mehr als verharmlosend über das III. Reich schwadroniert und in einem rechtslastigen Verlag publiziert. Der größte Skandal aber ist, dass über die sog. V-Leute die NPD und andere Nazi-Organisationen finanziert werden. Mit sichtlichem Stolz berichtet einer von den angeblichen Spitzeln, dass mit seinem »Lohn« Flugblätter, Plakate u. a. bezahlt wurden. Trotzdem besteht Bundesinnenminister Friedrich (CSU) weiter auf dem Einsatz dieser V-Leute. Soll also die rechtsradikale Propaganda auch künftig vom Verfassungsschutz bezahlt werden?
Manche Verfassungsschutzämter, z. B. das in Bayern, beobachten lieber altehrwürdige Opferorganisationen, wie die VVN-BdA.[1] Welche Gefahr von den KZ-Opfern und Antifaschisten ausgeht, bleibt im Dunklen der Schlapphüte verborgen. Auch die Beobachtung der Partei DIE LINKE halte ich für rechtswidrig, nicht nur weil ich Mitglied und Funktionär bin. Die Verfassung zu schützen bedeutet nicht, die derzeitige Wirtschaftsordnung zu schützen. Das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung lassen ohne weiteres einen demokratischen Sozialismus zu,[2] wenn er denn aus demokratischen Wahlen hervor gehen würde.
Die Auseinandersetzung mit den Nationalisten und Rassisten ist auch und vor allem eine Aufgabe der Zivilgesellschaft. Liebe Leser, lasst uns zusammen gegen diesen brauen Dreck kämpfen!
Hans Hahn
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Die »Strategie der Spannung«
Im ARD-Magazin MONITOR vom 24.11.2011 tauchte dieser Begriff im Zusammenhang mit den Mordtaten der Thüringer Nazigruppe wieder auf. Diese »Strategie der Spannung« spielte in den 1970er Jahren in Italien eine ganz zentrale Rolle. Damals gab es verheerende Anschläge, die offiziell stets im linken Milieu verortet wurden. Regine Igel beschreibt in ihrem Buch Terrorjahre – Die dunkle Seite der CIA in Italien über die Ermittlungen mutiger Staatsanwälte und Untersuchungsrichter sowie über die Ergebnisse von Parlamentskommissionen, die „einen äußerst beunruhigenden Einblick in staatliche Geheimpolitik“ vermitteln – so heißt es im Klappentext dieses aufschlussreichen Buches. Und weiter: „Die Ermittlungen (…) hatten fast alle das gleiche Muster. Zuerst erklärten Politik, Justiz und die Medien, Linke seien schuld, dann, nach einigen Jahren, entdeckten Untersuchungsrichter und Staatsanwälte überzeugendere Spuren zu Rechtsterroristen. Man wurde ihrer jedoch nicht habhaft. Es schien, als ob eine mächtige, schützende Hand sie vor dem Zugriff der Justiz retten wollte.“
In Italien wurde durch Gerichtsprozesse offengelegt, dass Attentäter von Geheimdiensten gedeckt wurden. Regine Igel schreibt: „Von staatlicher Seite wurden Geheimdienstagenten in die Terrororganisationen eingeschleust und über sie die Attentate sogar angeheizt.“ Viele Belege dafür sind im Buch zu finden.
Sigi Müller
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