Bei einer Anhörung von Sachverständigen im Verkehrsausschuss des Bayerischen Landtags am 27. Oktober, die in Corona-Zeiten nur online mitzuverfolgen war, ging es um die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs (MIV).
Die Experten legten dar, dass der MIV in den urbanen Räumen an Bedeutung verlieren wird, weil dort eine Umverteilung auf andere Verkehrsträger stattfindet. Es wird jedoch noch mehr Anstrengungen brauchen und es gehe nicht ohne Fördermaßnahmen, um die Klimaziele zu schaffen. Auch der Freizeitverkehr müsse unbedingt mehr Aufmerksamkeit bekommen, denn er mache 50 % des Verkehrs aus. Kritisiert wurde, dass der ländliche Raum so gar nicht im Fokus des Bundesministeriums für Verkehr liege. Im europäischen Ausland wurden schon seit Jahren innovative verkehrspolitische Entscheidungen getroffen; nun sei es an der Zeit, dass auch in Deutschland die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.
In seinem Eingangsstatement sagte der Ausschuss-Vorsitzende MdL Sebastian Körber (FDP), dass Mobilität maßgeblich dazu beitrage, den Wohlstand unserer bayerischen Gesellschaft zu fördern. Hierzulande sind 10 Mio. Kraftfahrzeuge registriert und 50 % der Bevölkerung bewege sich ausschließlich mit dem Auto vorwärts.
„Die Akzeptanz, dass parkende Autos 23 Stunden auf Flächen ruhen, schwindet“, erklärte Kerstin Hurek vom Auto Club Europa (ACE). Sie forderte einen Umbau des derzeitigen Mobilitätskonzepts: Deutschland muss eine Transformation vornehmen. Die täglichen Pendler-Distanzen betragen zwischen 5 und 35 Kilometer.
Sie bezeichnete es als reine Symbolpolitik, dass es keine echten Zulassungsverbote für Verbrennungsmotoren gibt. Derzeit sind weniger als 1000 zugelassene Wasserstoff-Fahrzeuge unterwegs.
Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern berichtete von einer ADAC-Studie über ältere Menschen im ländlichen Raum. Mit zunehmendem Alter verändert es sich, dass der Pkw die Nummer 1 ist. Mobilität für den Einzelnen muss sicher und verfügbar sein, so wie er sie braucht. Mobilität muss erhalten, muss bezahlbar bleiben. Für die Ballungsräume sind ganzheitliche Konzepte sehr existenziell, man muss jedoch den Umraum mit einbeziehen. Pendler-Fahrten machen nicht nur in München einen großen Anteil am Verkehr aus. Wenn man weniger Verkehr in den Städten möchte, muss man Anreize für das Umland schaffen.
Ein gut ausgebauter ÖPNV stelle das Rückgrat dazu dar, die Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger sei ein zentraler Punkt. Die Verkehrsteilnehmer sind bereit, dies anzunehmen, jedoch dürfen die einzelnen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausgespielt werden. In Bezug auf den Komfort dürfen keine Rückschritte gemacht werden. Der gefühlte Stillstand kommt aus dem Bewusstsein, dass es schon viele tolle Dinge gibt, die aber nicht vernetzt sind. Wenn wir den großen Fortschritt nutzen wollen, müssen wir dies in eine Hand geben, die es durch die Instanzen vorantreibt.
„Autos müssen immissionsfrei sein. Unfälle gehören in das Museum!“, so das Credo von Ralf Lenninger, einem Conti-Manager. Früher gab es 8 000 Verkehrstote/Jahr, im Jahr 2019 waren es noch 3 000. „Ein Auto muss Teil eines intelligenten Netzes sein“; daran arbeiten 42 000 Ingenieure, 1,4 Mrd. werden alleine in die Entwicklung gesteckt.
Prof. Barbara Lenz (Institut für Verkehrsforschung, Berlin) bat darum, keine Fronten zwischen Auto-Befürwortern und -Gegnern zu schaffen. Man müsse sich Pendler-Verkehre auch in kleineren Städten anschauen. Durchschnittlich sei ein Pkw nur mit 1,1 bis 1,2 Personen besetzt. Es brauche Verhaltensveränderungen und alternative Verkehrsformen im Vergleich zum Pkw. Viele Menschen sind in Corona-Zeiten auf das Fahrrad umgestiegen, das sie bereits vorher in ihrem Mobilitäts-Portfolio hatten. „Wenn man jetzt den Kauf von Verbrennern mit Gutscheinen fördert, bleibt dieser 15 Jahre in der Flotte“, so die Mobilitätsexpertin. Die Forschung war die letzten Jahre nur auf den urbanen Raum fokussiert. Es gäbe deshalb immer noch kein Konzept für den Verkehr, der durch Arbeits- und Ausbildungsplätze in die Städte hineingetragen wird, Konzepte mit dem Umland fehlen. Das, was wir an Mobilität schon haben, muss endlich in die Fläche gebracht werden. Hier sind gesetzgeberische Veränderungen notwendig. Großstädte sollten z. B. Gelder für P+R-Parkplätze auf dem Grund von Nachbarkommunen ausgeben können. Die Infrastrukturen müssen ausgebaut werden: Nicht nur Radwege, sondern auch sichere Abstellmöglichkeiten müssen gegeben sein.
„Die Zukunft des Verkehrs ist vernetzt, multimodal“, so Martin Margreiter vom Lehrstuhl Verkehrstechnik an der TUM. Es brauche Konzepte vor der ersten Pkw-Kaufentscheidung!
Ein Vertreter des BMW-Konzerns meinte, dass wir in die Diskussion gehen müssen, was die Bürger wollen – und dahingehend Rahmenbedingungen schaffen. In Städten wie Berlin sind 30 % der Menschen gar nicht abhängig von ihrem Pkw! Viele, die Auto fahren (können), wollen gar nicht Auto fahren… jedoch haben viele, die Auto fahren, gar nicht die Wahl! Zum Thema E-Mobilität sagte er, dass es in München 3.100 Ladesäulen gibt. Diese fehlen aber in der Region und auf dem Land. Die Fördermöglichkeiten für private Garagen, den Ausbau im privaten Bereich sollten vorangetrieben werden.
Dr. Brian Rampp von der Audi AG will den Kunden mit den Audi- oder Ducati-Modellen „ein besonderes Erlebnis bieten“. Audi stellt um, will viele Elektromodelle auf den Markt bringen und hat ein ambitioniertes Programm in allen Fahrzeugklassen, auch zu erschwinglichen Preisen. „Das derzeitige Bahn-Programm ist nicht dazu gedacht, die Auto-Fahrer zum Umsteigen zu bringen“, so der Leiter Politik des Audi-Konzerns. Trotzdem kooperiert Audi mit der Bahn und bringt so 8.000 Pendler alleine in Ingolstadt von der Straße auf die Schiene. Nicht nur in Bayern, sondern auch in Baden-Württemberg gibt es das Audi-Job-Ticket, in Heilbronn ist Audi an einem Mobilitätskonzept beteiligt. „Es ist vieles möglich“, so seine Aussage. „Wenn man keinen Parkplatz findet, braucht man auch kein Auto in den Großstädten.“ „Migranten lieben Autos, sie brauchen ökologische Autos.“ Plug-in-Hybride dienen dazu, Kunden an die E-Mobilität zu gewöhnen. Audi arbeitet derzeit an der Erhöhung der Reichweiten für E-Autos.
„Es braucht Rahmenbedingungen, dass andere Lösungen bevorzugt werden“, sagte die Sixt-Vertreterin Dr. Katrin Riesom im Maximilianeum bei der Anhörung.
„Wir wollen einen Mobilitäts-Mix fördern, wir wollen ein attraktives Angebot schaffen, dass der Kunde nicht auf seine Convenience verzichten muss.“ Carsharing-Nutzer sind auto-affine Menschen, meistens Männer. „Der Kunde fasst derzeit lieber ein Lenkrad an als neben einem anderen im ÖPNV zu stehen.“ Sixt hat noch keine Lösungen on demand für den ländlichen Raum. 8 bis 12 mal pro Tag sollte ein Auto bewegt werden. Es gibt Pilotprojekte in Gräfelfing und Garching. Im ländlichen Raum z. B. in Vaterstetten gibt es Vereine, die Fahrzeuge anbieten. Sie funktionieren relativ gut. Wichtig sind einfache Plattformen, über die gebucht werden kann (ÖPNV, Car-sharing).
Fazit: Viele interessante Aspekte wurden aufgezeigt, aber es wird noch viel Arbeit nötig sein, bis der MIV zukunftsfähig auf dem Weg ist.
Irmgard Schreiber-Buhl, Schongau
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