»Leitkultur« ist KEIN Wackelpudding … sondern rückwärts gewandte Ideologie (Teil 2)

Als ich den Entwurf für ein »Bayerisches Integrationsgesetz« das erste Mal gelesen habe, hielt ich das Ganze für dümmliches, unausgegorenes Geschwätz und den Begriff »bayerische Leitkultur« für ebenso schwammig wie einen Wackelpudding. (Siehe OHA Nr. 421 vom Dezember 2016)

Spätestens aber, als ich den Generalsekretär der CSU auf dem Deutschlandtag der Jungen Union mit hochrotem Kopf und sich überschlagender Stimme Sätze wie folgende in den Saal schreien hörte, „Wir sind stolz auf das Glockengeläut unserer Kirchen! Wir wollen den St. Martins-Umzug und den Weihnachtsmarkt!“ – da ging mir ein Licht auf: Hier geht es um Stimmungsmache und den Kampf um ein ideologisches Terrain, das die CSU nicht den »Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes« überlassen will!

Denn inhaltlich entbehren die zitierten Sätze natürlich jeglicher Substanz: Gegen Kirchengeläut ist bisher allenfalls hin und wieder mal ein »zuagroaster« Rentner zu Felde gezogen, und einen St. Martins-Umzug hat bis jetzt – wie kürzlich in Nürnberg – nur PEGIDA verhindert. Und die Andreas Scheuer zujubelnden jungen Menschen hätte ich gerne mal gefragt, wie oft sie denn zur Messe gehen und wie viele Weihnachtslieder sie auswendig singen können. Wer (außer den umsatzgeilen Warenhäusern) hindert sie denn daran, eine besinnliche christliche Weihnacht zu feiern?

Nein, »Leitkultur« soll die Menschen offenbar mental aufrüsten, zusammenschweißen und fit machen gegen all die äußeren Bedrohungen wie Globalisierung, Migration und islamistischen Terror. Das hat Tradition in Bayern, wenn die Zeiten schwierig sind: Landtagspräsident Michael Horlacher (CSU) beispielsweise forderte  1947, „Neubürger“ (also die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge) müssten sich an die „herrschenden Sitten anpassen“. So steht es auch im geplanten Integrationsgesetz 2016.

Irgendwie ist es ja auch zunächst verständlich, wenn sich die Menschen nach der (vermeintlich) guten alten Zeit zurücksehnen, an Bayern als gute Stube mit Hirschgeweih, Kachelofen, Lederhosn und Dirndl – ein wetterfester Herrgottswinkel gegen eine »Welt da draußen«, die dem Abgrund entgegentaumelt. Das Problem ist nur: Eine solche Haltung ist rückwärtsgewandt, sie löst keines der gegenwärtigen oder zukünftigen Probleme vor denen wir stehen, wie Klimaerwärmung, hemmungslose Ausbeutung der verfügbaren Ressourcen, weltweite Migration usw. Schon Karl Marx sprach daher vom „reaktionären Kult der Vergangenheit“. Es ist deprimierend mitzuerleben, dass die »Junge Union«, also Frauen und Männer in den besten Jahren, angefeuert von Andreas Scheuer diesem Kult huldigen, anstatt sich voll Tatendrang und Optimismus den Problemen der Zukunft zu stellen …

Banner: Demo Pegida

Wird die CSU mit solchen (von PEGIDA geklauten) Plakaten in den Bundestagswahlkampf ziehen?
(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Birgit Mair)

Die Forderung nach einer allgemeinverbindlichen »Leitkultur« ist nicht nur eine Flucht in die Vergangenheit, sie grenzt auch aus: Wer Bayern als eine homogene Abstammungs-, Schicksals- und Kulturgemeinschaft fordert, grenzt zwangsläufig Menschen mit anderer Herkunft, Lebenserfahrung und kultureller Identität aus. Wer die im bayerischen Integrationsgesetz vorgesehenen Sanktionen gegen die »Nicht-Angepassten« für richtig hält, sollte sich bewusst machen, dass kulturelle Homogenität nur in autoritären Staatsformen – also Diktaturen und »Volksdemokratien« – möglich ist!

Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich rede an dieser Stelle nicht einem orientierungslosen »Durchwurschteln« das Wort! Wir brauchen aber keine regionale oder deutsch-nationale »Leitkultur«, sondern ein Zukunft-orientiertes (europäisches) Leitbild, das jedem Bürger erlaubt, ohne Angst verschieden sein zu können, und das von den Prinzipien der Pluralität, Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Gleichwertigkeit geprägt ist!

Schließlich möchte ich gerade den »Leitkultur«-verliebten Christen der CSU die Worte eines gewissen Arthur Moeller van den Bruck aus dem Jahr 1923 ins Stammbuch schreiben: „Deutsche Kultur erfüllt jeden wahrhaft modernen Menschen mit derselben Sicherheit ums Weltall, die sonst nur das Vertrauen auf Gott geben konnte.“  »Leitkultur« als Ersatz für Gottvertrauen? (Übrigens, der Satz stammt aus dem Buch mit dem Titel »Das Dritte Reich« …)

Wolfgang Fischer

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