Lagerbildung

Personen: Simon Riederer (78) bei einem Cappuccino vor dem Café Krönner in Weilheim und Renate Kleinschmitt

R: Grüß dich, Simon.

S: Ja hallo, Renate! Bist auch schon unterwegs?

R: Ja, ich muss zum »Zauberberg«, ein Buch ist dort für mich angekommen. Aber sag, Simon, ich hätte dich beinahe nicht erkannt, so ernst hast du trotz schönster Morgensonne gerade noch dreingschaut.

S: Du, setz dich doch zu mir. Ich lad dich zu einem Cappuccino oder einem Kaffee ein.

R: Danke, gerne. Bist noch immer ein echter Gentleman, Simon. (setzt sich)

S. Und du siehst wie immer blendend aus.

R: Danke. Bist halt auch ein großer Charmeur, Simon. Aber sag, was hat denn vorhin für deine ernste Miene gesorgt?

S: Du, das ist nicht so einfach zu erklären … Also, Renate, in der heutigen »Süddeutschen« waren wieder die Israelis und die Palästinenser Thema.

R: Oje! Du, ich mag an diesen Konflikt gar nicht mehr denken. Dass dich dieses Drama arg bewegt, wundert mich allerdings nicht. Du warst ja schon im Gymnasium ein ungewöhnlich nachdenklicher Typ und einer, der auch bei der katholischen Jugend immer für Bewegung gesorgt hat.

S: Kann sein. Du, ich hab ja keine umfassenden Kenntnisse in Sachen Naher Osten, weiß eigentlich nur, dass dieser Raum seit Langem ein Unruheherd ist. Was mich allerdings seit dem Überfall der Hamas auf Israel besonders bewegt, ist, dass sich daraus bei uns eine derartige Lagerbildung entwickelt hat, dass man sich eine halbwegs gerechte Sicht auf die Israelis und die Palästinenser kaum mehr leisten kann, ohne gewaltig anzuecken.

R: Das ist leider so. Ich lass mich deshalb gar nicht mehr auf eine diesbezügliche Diskussion ein. Du, das ist inzwischen ja fast schon so wie während der Corona-Pandemie. Im ganzen Land, und auch hier auf unserm schönen Marienplatz, kam es damals zu äußerst giftigen Auseinandersetzungen.

S: So war’s, Renate. Ja, der Marienplatz kann manchmal ein regelrechter Schauplatz werden. Du, das hab ich erst im letzten September wieder erleben müssen. Ich bin am Freitag vor der Landtagswahl von Infostand zu Infostand marschiert und sag an einem Stand, wo einer auf blödeste Art über die »Letzte Generation« hergezogen ist, nur kurz: „Den jungen Leuten bleibt doch nichts anderes übrig als zu rebellieren.“ Renate, du glaubst es nicht, was da in der nächsten Sekunde los war. Es war wie nach einem Stich in ein Wespennest. Fünf oder sechs Leute haben mich regelrecht umzingelt und auf mich eingeschimpft, wie ich es noch nicht erlebt habe.

R: Warst am Stand der AfD?

S: Es war ein anderer Stand.

R: Ist doch nicht möglich, Simon!

S: Leider doch, Renate. Kritische Haltung gegenüber unserem System wird inzwischen immer weniger gern gehört.

R: So ist es leider, Simon. Und so müssen Leute wie du und ich bezüglich unserer Zukunft vor allem auf unsere Jugend hoffen.

S: So ist es, Renate.

Guggera

1 Kommentar

    • Roland Brendel, 82362 Weilheim auf 3. April 2024 bei 16:31
    • Antworten

    Zum Textteil: „…das man sich eine halbwegs gerechte Sicht auf die Israelis und die Palästinenser kaum mehr leisten kann, ohne gewaltig anzuecken“. Meine Antwort findet sich in dem OHA-Artikel „Jüdischer Leidensweg“ zusammen mit dem OHA-Artikel „Europäische Union“ für die, die „lesen“ können.

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