Kontroverse Meinungen über Querungshilfen
Fußgängerüberwege (FGÜs in Deutschland), Schutzwege (in Österreich), Fußgängerstreifen (in der Schweiz)
Seit der Schongauer Stadtratssitzung Ende Juni, als es um die Neugestaltung der Münz- und Weinstraße ging, geht mir dieser Kinderlied-Refrain (aus Rolf Zukowskis Schulweg-Hitparade) nicht mehr aus dem Kopf:
»Zebrastreifen, Zebrastreifen, mancher wird dich nie begreifen.
Zebrastreifen, Zebrastreifen, doch ich weiß Bescheid.
Zebrastreifen, Zebrastreifen, alle die dich nicht begreifen.
Zebrastreifen, Zebrastreifen, die tun mir nur leid.«
Über die Abbey Road in London führt der wohl berühmteste Zebrastreifen der Welt. John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr, einigen vielleicht besser bekannt als »The Beatles« kreuzten diesen Fußgängerüberweg 1969 für das Cover ihres Albums »Abbey Road«. Dieser Zebrastreifen wurde im Jahr 2010 sogar zum Kulturerbe in Großbritannien ernannt.
1952 werden die ersten Zebrastreifen in Deutschland angelegt, 1953 folgt die Aufnahme in die deutsche Straßenverkehrsordnung.
Seit dem 1. Juni 1964 haben Fußgänger am Zebrastreifen Vorrang. Autofahrer müssen Personen oder Rollstuhlfahrer, die am Straßenrand stehen und den Zebrastreifen erkennbar nutzen wollen, passieren lassen und gegebenenfalls auch anhalten. Nimmt der Autofahrer dem Fußgänger die Vorfahrt, fährt er zu schnell an den Zebrastreifen heran oder überholt er dort ein anderes Auto, drohen ihm ein Punkt in Flensburg und ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro. Die Verhaltensregeln an Zebrastreifen sind in § 26 StVO geregelt.
Der Verein FUSS e. V. schreibt über Zebrastreifen auf seiner Homepage: „Zebrastreifen haben nachgewiesenermaßen eine hohe Akzeptanz und verbessern die Verkehrssicherheit, wenn sie der Verkehrssituation entsprechend gut ausgeführt sind. Sie bieten eine eindeutige, sehr fußverkehrsfreundliche Vorrangregelung und zumeist kürzere Wartezeiten gegenüber lichtsignalgeregelten Übergängen.“
Der Senat der Bundeshauptstadt Berlin setzt seit 2001 wieder verstärkt auf Zebrastreifen. Finanziert werden die mittlerweile über 200 neuen Zebrastreifen aus dem Bauprogramm zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger, für das derzeit jährlich eine Million Euro zur Verfügung stehen. Offiziell als Fußgängerüberweg betitelt, ist der Zebrastreifen an vielen Stellen in Berlin mittlerweile die wirtschaftlichere Alternative zur Fußgängerampel.
In der bayerischen Landeshauptstadt München gibt es aktuell rund 350 Zebrastreifen. Die CSU im Münchner Stadtrat schlägt nun noch eine weitere Querungshilfe vor: Ein neuer Zebrastreifen soll von der Schützenstraße über den Bahnhofsplatz führen, sozusagen als Schneise durch die zwei Reihen der Taxistellplätze.
In Schongau gibt es seit Jahr(zehnt)en nur einen einzigen echten Zebrastreifen – in der Karmeliterstraße vor dem Hl.-Geist-Altenheim. In jedem der Schongauer Kindergärten gibt es jedoch höchstwahrscheinlich einen Zebrastreifen, der wie ein kleiner Teppich ausgerollt werden kann. Der frühere Vorsitzende der Gebietsverkehrswacht Schongau, Landrat Luitpold Braun, überreichte diese Verkehrserziehungsmaterialien während seiner Amtszeit an alle Kindergärten. Braun bezeichnete allerdings die Zebrastreifen immer wieder als „Fußgängerfallen“. Wohl deshalb baute er in Schongau sogar unter einer Tempo-30-Straße in der Innenstadt einen Fußgängertunnel für 300 000 DM, der – außer zur Besichtigung – so gut wie nie genutzt wurde. Als Bürgermeister von Schongau lehnte Braun die Zebrastreifen – genauso wie die örtliche Polizei – kategorisch ab. In unserem Landkreis weigern sich die Verantwortlichen von Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden, die Polizei, öffentliche Verkehrsunternehmen und verkehrssachkundige Privatpersonen im Rahmen von Verkehrsschauen (z. B. im Herbst 2014 in Bernbeuren), neue Zebrastreifen einzurichten.
Grundschüler*innen im Landkreis, die in der vierten Klasse die praktische Fahrradprüfung auf dem Verkehrsübungsplatz in Peißenberg ablegen, haben in mehreren Einheiten gelernt, wie sie sich am Zebrastreifen verhalten müssen. Auch jede*r Fahrlehrer*in in Deutschland trichtert den Fahrschüler*innen gebetsmühlenartig ein: „Wenn du an einem Zebrastreifen nicht anhältst, bist du den Lappen sofort wieder los“.
In der eingangs erwähnten Stadtratssitzung musste sich ALS-Stadtrat Sigi Müller aus dem Munde von Bürgermeister Sluyterman folgende Sätze anhören: „Zebrastreifen suggerieren eine Sicherheit, die es so nicht gibt. Da liegen Sie mit Ihrer Meinung leider daneben.“ Sigi Müller entgegnete daraufhin spontan, dass er diese Aussagen hinterfragen würde. „In Österreich und in der Schweiz gibt es ein ganz anderes Verkehrsverhalten“, so sein Hinweis.
Auf der Suche nach neu gebauten Zebrastreifen habe ich im Internet Folgendes entdeckt:
- Die Stadt Linz errichtete im Juni 2015 zwei neue Schutzwege. „Die Kosten für diese Maßnahme betragen 35.000 Euro – eine Investition, die zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Stadtteil Auwiesen beiträgt“, so war es in der Pressemitteilung zu lesen.
- Ab sofort werden in der Schweizer Stadt Bern Glitzerkügelchen von Swarovski in die Markierungsfarbe der Fußgängerstreifen gemischt. Damit soll die Verkehrssicherheit erhöht werden.
- An der stark frequentierten Hans-Thoma-Straße richtete die Stadt Mannheim einen neuen Zebrastreifen ein. Dies war dank der Spende des Vereins für Kinderunfallopfer im Straßenverkehr e. V. möglich.
- Die Stadt Weiterstadt (Landkreis Darmstadt) hat nach jahrelangem Ringen im April 2015 einen Fußgängerüberweg über die Darmstädter Straße neu eingerichtet.
- Binnen einer Woche hat die Gemeinde Holzwickede/Opherdicke (Kreis Unna, NRW) fünf neue Zebrastreifen erhalten.
- Den frisch aufgebrachten Zebrastreifen – zwischen der Alten Mainbrücke und dem Kitzinger Marktplatz – nahmen jetzt die Fußgänger und Radler Anfang Juli 2015 in Besitz.
- Das Amt für Straßen und Verkehrstechnik der Stadt Köln hat entschieden, an den Kreisverkehren auf der Alteburger Straße in der Kölner Südstadt zusätzliche Zebrastreifen zu installieren.
- Landsberg/Lech: zwei neue Zebrastreifen am Hauptplatz (zwischen Klösterl und Musikschule sowie kurz vor der Einfahrt in die Salzgasse); OB Mathias Neuner hält das für angebracht. Es gehe hier um die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer, der Kinder, der Senioren und der Gehbehinderten.
Nun meine abschließende Frage: Wenn Zebrastreifen wirklich so gefährlich sind, wie in regelmäßigen Abständen behauptet wird, dann müsste doch irgendwann einmal ein Verbot kommen – oder?
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