Alfred Jodl, einem der schlimmsten Protagonisten der Nazi-Diktatur, wird nach 70 Jahren immer noch gehuldigt
Die Fraueninsel gehört zu den schönsten Orten Bayerns und wird von vielen Gästen jährlich besucht, auch von vielen Gästen aus dem Ausland.
Auf dem kleinen Friedhof, der ehemals dem Kloster, heute der Gemeinde Chiemsee gehört, sind viele Maler und Schriftsteller begraben, unter anderem Max Haushofer, Wilhelm Jensen und Felix Schlagintweit sowie Nachkommen des Dichters Freiherr von Eichendorff. Diese letzte Ruhe der Verstorbenen und die Idylle für die Lebenden werden durch einen Kenotaphen in Form eines großen Steinkreuzes gestört, der an Alfred Jodl, einen Kriegsverbrecher des 2. Weltkrieges erinnert.
Der 1890 geborene Alfred Jodl, dem das Denkmal in dem Friedhof errichtet worden ist, war als Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht Hitlers engster Berater bei der Kriegsführung, zunächst gegen die Westalliierten zwischen Norwegen bis Nordafrika und später Verantwortlicher für den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion. Die schrecklichen Folgen dieses Krieges mit seinen 60 Millionen Toten sind bekannt. Nun kann sich Alfred Jodl bzw. der Personenkreis, der das Denkmal für ihn errichtete, nicht darauf berufen, dass er als Soldat reiner Befehlsempfänger und daher letztlich für die Verbrechen, die im Zusammenhang des Krieges begangen worden sind, nicht verantwortlich gewesen ist. Er war nicht nur verantwortlich für den Wehrmachtsführungsstab, sondern auch innerhalb der verbrecherischen Nationalsozialistischen Partei, von der er 1943 das Goldene Parteiabzeichen erhielt. Besonders hervorgehoben werden muss seine Verantwortung für den so genannten Kommissar-Befehl vom 6. Juni 1941, in dem er, entgegen allgemeinen Völkerrechts, an die Kommandeure der Armee den Befehl gab, Führungspersonal der Roten Armee und so genannte Politkommissare nicht als Kriegsgefangene zu behandeln, sondern sie ohne Verhandlung zu erschießen. Auch die Liquidierung von Juden und Partisanen fällt zum Teil in die Verantwortung von Alfred Jodl. Er wischte Einwände gegen Judendeportationen ausdrücklich mit einem Vermerk: „Geschwätz. Es geht um staatliche Notwendigkeiten“, vom Tisch.
Am 01.10.1946 wurde Alfred Jodl als Hauptangeklagter in den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und am 16.10.1946 durch den Strang hingerichtet. Seine Asche wurde in die Isar gestreut.
Bei der Grabstätte der Familie Jodl handelt es sich somit bei dem größten Kreuz, das dem Kriegsverbrecher Alfred Jodl gewidmet ist, nicht um ein Grabdenkmal, sondern um einen Kenotaphen.
Nach Auskunft des Klosterladens der Fraueninsel gibt es immer wieder Anfragen von Besuchern, wie es sein kann, dass hier an einen Kriegsverbrecher erinnert wird. Von der Äbtissin der Benediktiner Abtei der Fraueninsel, der ehrwürdigen Äbtissin Mayer, wurde auch mitgeteilt, dass bisweilen „Gedenkveranstaltungen“ von Rechtsradikalen vor diesem Denkmal stattfinden und dort Kränze abgelegt werden.
Die Gemeinde Chiemsee hat es bisher nicht für notwendig erachtet, den Schandfleck auf ihrer schönen Insel zu beseitigen. Auf Anfrage wurde vom Bürgermeister, Herrn Georg Huber, mitgeteilt, dass ein Petitionsverfahren anhängig sei, „weshalb sich die Gemeinde Chiemsee zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegenüber Dritten äußern wird“. Für dieses jahrelange »Aussitzen« eines beschämenden Zustandes seitens der Zuständigen besteht in der Öffentlichkeit keinerlei Verständnis. Die erwähnte Petition eines Ortsansässigen verpflichtet nun die Gemeinde, die Grabstätte spätestens zum 28.01.2018 zu beseitigen. Dies ist eine zu lange Duldung des skandalösen Zustandes.
Wir fordern die Gemeinde Chiemsee und die anderen Verantwortlichen auf, das Denkmal für den Kriegsverbrecher Jodl nun unverzüglich zu beseitigen. Es ist unerträglich, wenn 70 Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur Protagonisten dieser Diktatur immer noch öffentlich gehuldigt wird.
Unterzeichner: Jürgen Arnold, Rechtsanwalt, Mediator, München; Utz Benkel, Künstler und Verleger, Berlin; Siegfried Benker, »München ist bunt«; Thomas Berkmann, Projektleiter, München; Josef Bierbichler, Autor, Schauspieler, Ambach; Thomas Bollmann, Sassenburg; Marina Dietweger, Angestellte, München; Dr. Ulrich Dittmann, Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft, München; Gabi Duschl-Eckertsberger, München; Dr. Matthias Facharani, Tierarzt, Bayrisch-Gmain; Martin Friederich, Architekt, München; Elke Funke, München; Günther Gerstenberg, Autor+ Künstler; Wolfram P. Kastner, Künstler, München; Michael Klingenfuß, Rechtsanwalt München; Ludwig Knapp, Trostberg; Herrad Küster-Eich, Rechtsanwältin München; Cordula Kropp, Soziologin, München; Gabriela Kufner, Technische Fachwirtin; Annemarie Gaugel, Rechtsanwältin, München; Michael Heininger, Cartoonist, München; Angelika Lex, Rechtsanwältin und Richterin am BayVerfGH; Claus-Peter Lieckfeld, Autor+Journalist, Windach; Sabine und Werner Litzenhoff, Halstenbek; Fritz Maier, Rechtsanwalt, München; Melanie Manyet, Studentin, Weilheim; Claudia Mühlhäuser, Rechtsanwältin, München; Siegfried Müller, Stadtrat, Schongau; Dr. Thomas Nappert, Rechtsanwalt; Cornelia Naumann, Autorin, München; Gerd Nies, Rechtsanwalt, München; Jakob Nusselt, Rettungsassistent, Weilheim; Hans Joachim Proft, München; Frank Rehberg, Bildungsreferent, ver.di Bildung & Beratung, München; Marta Reichenberger, München; Said, Autor, München; Tobias Schenke, Schauspieler, Berlin; Frieder Schuckall, Starnberg; Gershom von Schwarze, Künstler, München/Tel Aviv; Sigrid Sigurdsson, Künstlerin, Hamburg; Georg Simader, Literatur Agentur Copywrite, Frankfurt; Bernd Späth, Autor, München; Tillmann Spengler, Autor, Journalist, Ambach; Wieland Sternagel, München; Dr. Detlev Sträter, Soziologe, Stadt- und Regionalplaner, München; Marion Thomalla, Dossenheim; Ingolf v. Törne, München; Herbert Tremmel, Ingenieurbüro, München; Dr. Gerlinde Vogl, Soziologin, München; Barbara Wagner, Führungskräfte- und Organisationsentwicklung, München; Gerhard Weiß, München; Hans-Otto Wiebus, Journalist, München; Roswitha Wolff, Rechtsanwältin, München; Walter Zilker, München
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