K wie … Kosmos

Irmgard Deml, Weilheim

WO BIN ICH? – In einer sternenklaren Nacht ließ der Meister die Schüler in den Genuß seiner astronomischen Kenntnisse kommen: „Das ist das Sternensystem des Andromeda-Nebels.“, erklärte er. „Es ist so groß wie unsere Milchstraße und sendet Lichtstrahlen aus, die mit einer Geschwindigkeit von dreihunderttausend Kilometern in der Sekunde zweieinhalb Millionen Jahre zu uns auf die Erde brauchen. Der Andromeda-Nebel besteht aus hunderttausend Millionen Sonnen, die viel größer sind als unsere Sonne.“ Nach einer Weile des Schweigens sagte er mit einem Lächeln: „Nachdem wir nun die richtige Perspektive haben, laßt uns zu Bett gehen.“1

Kennen Sie das Lied »A Tropferl im Meer« von Konstantin Wecker? Es ist so schön, weil er darin beschreibt, dass er beim Schauen in den Sternenhimmel das Gefühl hat, mit allem zu verschmelzen, so dass es ihn selbst nicht mehr gibt. Für mein Empfinden ist es genau genommen das, was alles Gottgeschaffene verbindet. Alles gehört zusammen, bildet eine Einheit. All-Eins-Sein. Der Kosmos, das Weltall, ist eine einzige, wunderbare Symphonie, die schon viel zu lange von Satelliten, Mondraketen et cetera gestört wird. 

Mir tut es daher in der Seele weh, dass die Menschheit alles andere tut, als als Einheit zu agieren, sich – häufig mit religiösem Fanatismus – oft auf das Schlimmste gegenseitig bekämpft. Wie im alten Testament, in dem es heißt: »Auge um Auge, Zahn um  Zahn«, so dass schlussendlich nur noch Blinde und Zahnlose zurückbleiben, sofern überhaupt noch jemand lebt. „Wann wird man je verstehn?“ fragt Max Colpet in seiner Übersetzung des Liedes »Where have all the flowers gone?« – »Sag mir, wo die Blumen sind«. Ich bin der Ansicht, das ist nicht zu verstehen, nicht zu begreifen. Außer von den kranken und gierigen Geistern, die das immer wieder anzetteln und anheizen?

Vom Fischer-Verlag gibt es ein Büchlein von 1982, in dem sich »brandaktuelle« Texte und Lieder befinden. Es heißt schlicht »Friedenslieder«.2 Darin schreibt zum Beispiel Kurt Kusenberg: „Kriege werden von Leuten in Gang gesetzt, die nichts dabei finden, dass andere fallen … andere, nicht sie. Sie schließen einen heimlichen Pakt mit dem Tod: „Mach mich reich, mach mich groß, und ich werde dir Seelen zuführen, soviel du willst! Am liebsten verarbeiten sie – kaufmännisch oder strategisch – Menschenmaterial: vom Menschen wissen sie nichts. Ihr Weizen blüht auf blutgedüngtem Boden, der Lorbeer an ihren Stahlhelmen ist auf Friedhöfen gewachsen. Es sind Henker, Henkersknechte. Sie haben alle zusammen nur einen Feind: Den Frieden. Diesem rückt man erfahrungsgemäß am besten mit Mythen und Märchen zu Leibe, also indem man vom bösen Wolf, vom stolzen Helden und vom süßen Tod erzählt. Für eine Stange Gold lässt sich niemand sein einziges Leben abkaufen; für einen kindlichen, fadenscheinigen Mythos schenkt er es her.“ 

Kriege als eigenen Kosmos zu bezeichnen, ist genauso möglich wie jeder von uns in seinem eigenen, privaten Kosmos lebt. Wobei sich die Frage stellt, wie der jeweilige Kosmos aussieht, denn dieses griechische Wort hat laut Wikipedia nicht nur die Bedeutung »Ordnung« oder »Weltordnung«, sondern zudem »militärische Ordnung«, »staatliche Ordnung«, »Verfassung«, ja sogar »Schmuck«, »Glanz« und »Ehre«! Sie sehen, es ist nicht möglich, diesen Begriff in eine Schablone zu stecken. Wir verwenden wohl alle hin und wieder Worte aus anderen Sprachen, von denen uns nicht wirklich geläufig ist, welch vielfältige Aussagen damit gemacht werden können. Selbst lerne ich häufig beim Schreiben für den OHA dazu und bin sehr dankbar, wenn mir – so wie hier – bei meinen Recherchen etwas begegnet, das mein Wissen erweitert.

Schließlich lernen wir bis zum letzten Schnaufer dazu und auch Derartiges macht – und zwar ganz massiv – »leben« aus. Nichts mehr dazuzulernen wäre gleichbedeutend mit nicht mehr zu leben. Obwohl es den Spruch gibt »Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein«, bin ich selbst zumindest für Vieles offen, was ich sehe, höre, rieche, schmecke, fühle, ertaste, wenn eben auch nicht für alles, was um mich herum geschieht. Was mir meine Sinne an Neuem bescheren, ist heutzutage allerdings, wenn es um das Internet und Ähnliches geht, teils wesentlich schwieriger als wahr oder unwahr einzuordnen als noch vor nicht allzu langer Zeit. 

Der kleine Kosmos, in dem ich aufgewachsen bin, war geordnet und klar. Doch die neuen technischen Möglichkeiten führen schon längst dazu, dass – leider – viele Menschen mittlerweile unreflektiert und ohne sich weiter über Diverses zu informieren, alles glauben, was ihnen an vermeintlich wahren Informationen vorgesetzt wird und den »Menschheits-Kosmos« stört. Selbst aktiv zu werden ist halt anstrengender als sich einen vorgekauten Brei vorsetzen zu lassen. Doch nur Wahrheit, Eigeninitiative und Korrektur dessen, was alles schief läuft auf Mutter Erde, ermöglichen es, den anfangs benannten Göttlichen Kosmos gemeinsam NEU zu etablieren.

Irmgard Deml, Weilheim

  1. Wo das Glück zu finden ist / Anthony de Mello / Herder-Verlag ↩︎
  2. Friedenslieder / Alexander Lipping und Björn Grabendorf / Fischer-Verlag ↩︎
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