Differenzierte Betrachtung zur Entnahme von Organen
Anlass zu diesem Beitrag ist der Gemeindebrief der Evangelischen Gemeinde Schongau, in dem fürs Organspenden geworben wird. Den folgenden Leserbrief an die Gemeinde will ich hiermit gerne einer etwas breiteren Öffentlichkeit zum Bedenken geben.
Ich gehöre zu denjenigen, die die Entscheidung begrüßt haben, dass der potenzielle Organspender grundsätzlich dazu gefragt und nicht dazu gezwungen wird, sich als Nicht-Spender zu deklarieren, wenn er nicht möchte, dass man ihm nach Feststellung seines Hirntodes brauchbare Organe für eine Transplantation entwendet. Daher habe ich zwar einen Organspendeausweis, auf dem aber angekreuzt ist, dass ich gegen jegliche Organentnahme bin. Nur zur Spende einer Niere, bei der ich ja weiterleben kann, wäre ich bereit. Warum?
Ich bin nicht gewillt, nach der Prämisse zu leben, dass es einen Tod schon vor dem eigentlichen Tod geben soll, bei dem das Leben, das mich zum Menschen macht, schon sozusagen »vorabgeschaltet« ist und es nicht mehr der eigentlichen Todesmerkmale bedarf, um mich für tot zu erklären. Im Gemeindebrief steht auf Seite 5 ganz klar: „Der hirntote Mensch atmet, schwitzt, scheidet aus. Würden die Geräte abgestellt werden, würde er unverzüglich sterben.“ Für mich heißt dies daher eindeutig, dass ich – wenn an mir der Hirntod festgestellt wird und, falls ich Organspender wäre, der Arzt mich per Apparateanschluss am endgültigen Sterben bis zur möglichen Organentnahme hindern dürfte – eben noch gar nicht wirklich tot bin. Der Odem des Lebens ist noch bei mir. Davon bin ich überzeugt.
Daher kann ich mich überhaupt nicht damit einverstanden erklären, dass mein Körper vor meinem endgültigen Tod schon zum »Organersatzteillager« herhalten soll. Ich möchte in Ruhe ganz sterben, denn erst dann kehrt nach meinem Dafürhalten das Leben, das in mir verkörpert ist, zum Lebensursprung zurück.
Und wenn ich schon dabei bin, möchte ich gerne erwähnen, dass ich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes begrüße, das den Boden für eine anständige Regelung der Modalitäten der Hilfe zum Freitod bereitet. Für mich war es immer unerträglich, davon ausgehen zu müssen, dass »fremdentschieden« wird, ob ich sterben darf oder nicht. Auch wenn ich selbst, aus meinen Glauben heraus, dazu bereit bin, dass nur das Leben den Zeitpunkt meines Todes bestimmt, halte ich es für recht und billig, dass der Mensch selbst über sein Leben oder Ableben bestimmt, wenn er es nicht dem Leben überlassen will. Jedenfalls ist es auf keinen Fall recht, dass ein Gesetz, der Staat oder sonst eine weltliche Instanz bestimmt, wann und wie der Mensch zu sterben habe oder dass er nicht zu sterben habe, wenn er dazu Hilfe in Anspruch nehmen müsste, wie dies bisher der Fall war.
Übrigens, ich wundere mich sehr darüber, wie sich in christlichen Kreisen die Bereitschaft durchsetzt, der Wissenschaft, auch in den Bereichen die Deutungshoheit einzuräumen, für die meines Erachtens nach wie vor die Religion und die Philosophie der eigentliche Zugang sind. Denn es geht hier um die Dimension, die im Verborgenen bleibt, nämlich der Ursprung des Lebens als Selbstoffenbarungsmacht Gottes, zu dem keine noch so erfolgreiche Wissenschaft des Weltlichen je vordringen wird. Meines Erachtens kann nur die Mystik, also Erfahrungswissen, oder gar »Intuitionswissen«, ja Gnade, den Zugang zu dieser Dimension der Wirklichkeit gewähren.
Maurice de Coulon, Schwabsoien
Zitate aus dem Gemeindebrief
- „Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben 36 % der Bundesbürger einen Organspendeausweis.
- 72 % der Bundesbürger halten hingegen Organtransplantation grundsätzlich für sinnvoll und wichtig. Nur etwa 14 % widersprechen ihr.
Pfarrer Jost Herrmann zur Organspende
Auf die Frage, ob er einen Organspendeausweis habe, antwortet Pfarrer Jost Herrmann: „Ja, seit vielen Jahren. Meine Familie weiß auch, dass ich als Organspender in Frage käme.“ (…)
Er spricht sich auch für eine Widerspruchslösung aus. „Ja, ich finde, man kann erwarten, dass jeder Bürger und jede Bürgerin sich Gedanken macht über seinen und ihren Tod und ggf. einer Organentnahme widerspricht.“ (…)
„Zunächst ist wichtig festzustellen, es ist eine Spende. Auf keinen Fall darf in irgendeiner Weise Geld fließen. Daher ist wichtig, dass die Transplantation nicht von kommerziellen Firmen organisiert und durchgeführt wird.“ (…)
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