Verwunderlich war es für mich schon, dass eine Wohnung mit 70 qm, die sich in einem Wohnblock mit 38 anderen ein Grundstück teilt, fast genau so viel Grundsteuer (114,80 Euro) zahlt, wie ein Haus mit 94 qm Wohnfläche und 951 qm Grund (181,32 Euro).
Die »Steuermesszahl« wurde vom Finanzamt bisher aus Tausendsteln des »Einheitswertes« ermittelt. Die Basis für den Einheitswert war die regionale »Jahresrohmiete«. So hatte 1961 der Einheitswert eines Hauses die Summe von 5.200 DM, 1963 von 9.000 DM und 1964 – in der für alle einheitlich durchgeführten »Hauptfeststellung« – die Summe von 28.600 DM. Bei einer Wohnung wurde 1997 beim Kauf vom Finanzamt eine »Nachfeststellung« des Einheitswertes mit damaliger Miete gemacht.
Nur bei Grundbuchaktivitäten entstanden also neue Einheitswerte. Ansonsten galten seit 1964 60 Jahre lang die niedrigen Werte. Weil zwischen Haus (1964) und Wohnung (1997) 33 Jahre Mietsteigerungen lagen, waren sie in der Besteuerungsgrundlage fast gleich geworden.
Die Messzahl für die Grundsteuer waren wechselnde Tausendstel vom Einheitswert. Beim Haus 1961 8 von tausend, 1964 3,1 von tausend. Bei der Wohnung 1997 3,5 von tausend – also 23,900 x 3,5 = 83,65 (DM). Solche im Laufe der Zeit immer stärker gewordenen Ungleichgewichte führten zum gerichtlichen Auftrag, zum 1.1.2022 allen eine neue, gemeinsame Berechnung zu geben.
Der »Einheitswert« ist entfallen. Jetzt werden Wohnflächen, Nutzflächen und Grundflächen in der Grundsteuer B gemeinsam bewertet. Wohnflächen mit 50 Cent pro Quadratmeter, Grundflächen mit 4 Cent/qm bis zum 10-fachen der Wohnfläche, dann bis l0.000 qm nur noch 2 Cent/qm. Landwirtschaftliche Flächen in Grundsteuer A werden nach Bodenertragswerten des Bewertungsgesetzes (BewG) zu steuerpflichtigen Erträgen.
Das Ergebnis ist ein für alle gleichbemessener »Äquivalenzwert«. Teure oder billige Wohnlagen haben den gleichen Steuerwert.
- Er ist bei der Wohnung: 70 qm x 50 Cent; 35,00 Euro plus die Grundfläche 105 qm x 4 Cent = 4,20 Euro.
- Für das Haus: 94qm x 50 Cent: 47,00 Euro und 940qm x 4 Cent = 37,60 Euro plus (bei 951 qm) 11 qm x 2 Cent = 22 Cent, zusammen 37,82 Euro.
Für den Grundsteuermessbetrag werden vom Äquivalenzwert der Wohnfläche 70%, vom Grund 100% herangezogen.
- Bei der Wohnung: 0,7 x 35 Euro = 24,50 plus 4,20 Euro = 28.70 Euro.
- Beim Haus: 0,7 x 47 Euro = 32,90 Euro plus 37,82 Euro = 70,72 Euro.
Das sind deutliche Unterschiede zu bisher 42,77 und 45,33 Euro. Insgesamt ist die Messzahl kleiner für die Stadt geworden.
Der Grundsteuermeßbetrag entspricht in keiner Weise dem Marktwert. Für Rechnungen der Notare, der Justizkasse und die Erbschaften ermittelt man Marktwerte, z. B. an Hand der Brandversicherung und anderem. 1997 war der Marktwert das l0-fache, 2024 das dreißigfache des Einheitswertes.
Die Stadt muss aber für alles Marktpreise bezahlen. Zur Anpassung daran kann sie das Mehrfache des Grundsteuermessbetrages verlangen. 1961 war es das 2,3-fache, heute das 4-fache (Hebesatz 400 in Weilheim). Ihre Einnahmen aus dem Haus waren 1961 104 DM, 1997 265 DM, 2002 in Euro 165 und 2024 (alte Rechnung) 181 Euro.
Das entspricht nicht den allgemeinen Preissteigerungen. So bekam man 1961 für 104 DM etwa 100 Brote 2024 für 181 Euro nur noch 50 Brote. Mit den bisherigen Grundsteuereinnahmen kann man also auch nur noch die Hälfte an Gemeinschaftsleistungen zahlen.
Zudem wurden die Gemeindeeinnahmen aus der Vermögenssteuer und der Gewerbekapitalsteuer ausgesetzt. Der Ausgleich dafür aus der Umsatzsteuer des Bundes und der Länder ist gering.
Weder die laufenden noch zukünftigen Aufgaben wie Massenverkehrsentlastung durch kurzen Bustakt, Sozialwohnungsbau statt Großparkplätze oder Schwimmbad, können daraus bewältigt werden.
Hessen gewichtet die Grundstückswerte marktgerecht nach den Bodenwertzahlen des Baugesetzbuches. Hamburg hat einen Hebesatz von 975. Alle wollen mehr Gemeinschaftsleistungen. Die Verantwortung der – seit der Säkularisation im 19. Jahrhundert – privaten Grundbesitzer für einen wertschätzenden Umgang mit »Mutter Erde« können sie vielleicht durch eine Grundsteuer ähnlich der »Erbpacht« an die Gemeinde zum Ausdruck bringen.
Wer jetzt mehr zahlt, hatte es 60 Jahre günstig.
Roland Brendel, Weilheim
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