Leistungserhöhung nicht genehmigungsfähig
Wolfgang Renneberg, Professor am Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften in der Universität für Bodenkultur Wien, hat in einer Studie gravierende Sicherheitsmängel der beiden Gundremminger Siedewasserreaktoren aufgezeigt. Die Leistungsausweitung kann nach geltenden Vorschriften nicht genehmigt werden. Schon der jetzige Betrieb verstößt erheblich gegen kerntechnische Sicherheitsvorschriften.
Bis 2009 war Wolfgang Renneberg Leiter der Atomabteilung im Bundesumweltministerium. In einer von der gemeinnützigen Bürgerinitiative FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e. V. in Auftrag gegebenen und am 12. November 2013 öffentlich vorgestellten Studie deckt er viele gravierende Sicherheitsmängel des AKW Gundremmingen auf.
Besonders bedenklich: Das AKW Gundremmingen hat nicht die von den kerntechnischen Sicherheitsregeln geforderten ausreichenden Notkühlsysteme. Auch ist die Atomanlage nicht gegen den Absturz heutiger großer Verkehrsflugzeuge ausgelegt.
Bisher öffentlich unbeachtet ist, dass der Reaktordruckbehälter (RDB) bei der Schweißnaht zwischen Bodenkalotte und dem darüber liegenden RDB-Teil nicht die notwendigen Anforderungen erfüllt. Zitat aus der Risikostudie: „Die Sicherheit des Reaktordruckbehälters kann nicht unterstellt werden, da er den grundlegenden Anforderungen an die Basissicherheit nicht entspricht.“
Professor Renneberg weist als erfahrener Experte mit seinen Kenntnissen sowohl der Kerntechnik als auch des Atomrechts auf viele unglaubliche Lücken im Sicherheitssystem des Kernkraftwerks Gundremmingen hin. Lücken, die uns Laien verborgen blieben. Der Autor weist nach, dass die zwei Gundremmingen-Reaktoren schon heute nicht die geltenden Sicherheitsanforderungen erfüllen.
Atomtechnik birgt ein einzigartiges Gefahrenpotenzial
Die Kerntechnik hat einige außerordentliche Merkmale wie sie in anderen Industrieanlagen nicht vorkommen:
- In den Anlagen schlummert ein Hundertfaches an Energie verglichen mit anderen Betrieben.
- Die in den Atomanlagen erzeugte und befindliche Radioaktivität hat ein unvergleichliches Schadenspotenzial: Ihre Freisetzung kann gleich mehrere Landkreise unbewohnbar machen – und ein ganzes Bundesland in seiner Existenz gefährden.
- Schlecht voraussehbar ist die Wechselwirkung vieler Ereignisse und heikel die enge Koppelung vieler Vorgänge.
Da in der Kerntechnik die Verkettung von äußeren und inneren Ereignissen zu unvorhergesehenen Unfällen mit unvergleichlich weiten Folgen führen kann, werden normalerweise für alle Sicherheitsbereiche große Reserven verlangt. Überraschend und erschreckend ist, dass dies beim AKW Gundremmingen für Bereiche wie Erdbeben, Hochwasser und sogar Notkühlung nicht verwirklicht ist:
Das AKW Gundremmingen hat nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Hochwasserschutz. Es wurde Anfang der 1980er Jahre so genehmigt und gebaut, dass bis zu einem 100-jährigen Hochwasser (statistisch tritt so ein Hochwasser im Schnitt alle 100 Jahre auf) der Kraftwerksbetrieb uneingeschränkt möglich ist. Um ausreichenden Schutz zu gewährleisten, muss aber nach der KTA-Regel 2207 (Regel des Kerntechnischen Ausschuss) ein Kernkraftwerk so ausgelegt sein, dass es gegen ein 10.000-jähriges Hochwasser geschützt ist. Diese Festlegung stammt aus dem Jahr 2004. Auch dieses Niveau bietet nach heutiger Meinung keine ausreichenden Sicherheitsreserven. Das AKW Gundremmingen wie auch das für die Aufsicht primär verantwortliche Bayerische Umweltministerium haben keine unter Beachtung des Klimawandels aktualisierten Hochwasserberechnungen vorgelegt.
Früher hat man in der Nuklearbranche zur Sicherheit die Anlagen in dünn besiedelte Gegenden gebaut. Aber selbst hierin war man in den fast 30 Jahren des Betriebs der Blöcke B und C nicht konsequent und hat zugelassen, dass immer mehr Menschen in die Region zogen. Umso wichtiger ist es jetzt, zum Schutze der Menschen den Sicherheitsregeln Geltung zu verschaffen!
Die Fukushima-Lektion nicht gelernt
In Fukushima waren Erdbeben und Fluten der Stärken, wie sie am 11. März 2011 auftraten, seit Menschengedenken nicht beobachtet und beim Bau der Reaktoren nicht einkalkuliert worden. Auch das AKW Gundremmingen wurde für seltene aber mögliche große Beben und Fluten nicht geprüft und nachgewiesen, dass es dann noch sicher ist.
Auch aus der für Siedewasserreaktoren typischen Bildung und Explosion von Wasserstoff in Fukushima hat man für die zwei Siedewasserreaktoren des AKW Gundremmingen bis heute keine Konsequenzen gezogen. In Fukushima explodierte in nicht einkalkulierter Weise Wasserstoff, als infolge des Ausfalls von Kühlsystemen sowohl Brennelementelagerbecken als auch Reaktoren überhitzt wurden und dann bei einer Reaktion des Metalls Zirkonium, aus dem die Hüllrohre der Spaltstäbe bestehen, mit dem heißen Wasserdampf explosiver Wasserstoff entstand. Das AKW Gundremmingen hat selbst 2½ Jahre nach der schmerzlichen Lehre aus Fukushima noch nicht die empfohlenen Rekombinatoren nachgerüstet, um im Fall des Falles ungefährlich den Wasserstoff wieder mit dem Sauerstoff zu rekombinieren.
Auch das in den 1990er Jahren nachgerüstete Ventingsystem zur Notkühlung ist nicht, wie es Vorschrift ist, ausreichend erdbebensicher.
Beantragte Atomausweitung
Die Prüfung und Zulassung der beantragten Leistungsausweitung kann nicht durch eine beschränkte Ergänzung der bestehenden Genehmigung erfolgen, sondern erfordert unter Einberechnung der beantragten Ausweitung eine Neuprüfung der gesamten Anlage. Prüfungsmaßstab ist hierbei der heutige Stand von Wissenschaft und Technik.
Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) und der TÜV-Süd haben gegen diese Pflichten zur Prüfung der Gesamtanlage und zur Anwendung des Prüfungsmaßstabes »Stand von Wissenschaft und Technik« in mehrfacher Hinsicht verstoßen. Es wurde quasi die vorgeschriebene Prüfungscheckliste nicht abgearbeitet. Das kritisierte schon im Jahr 2009 die Staatliche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in einer Stellungnahme.
Der 1999 begonnene Versuch des AKW Gundremmingen und der Münchner Genehmigungsbehörde, die Leistungsausweitung der beiden Gundremminger Siedewasserreaktoren im Hauruckverfahren und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuziehen, war und ist abenteuerlich. Denn existenzielle Sicherheitsfragen sind auch im Herbst 2013 nicht geklärt.
Wenn wir Umweltschützer 1999 nicht Alarm geschlagen hätten und wenn die Bundesatomaufsicht der Münchner Genehmigungsbehörde nicht eine sorgfältige Sicherheitsprüfung abverlangt hätte, wären die Gundremminger Atomgefahren jetzt schon unter Ausschluss der Öffentlichkeit erhöht.
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