Diesmal: Zwei junge Männer aus Eritrea in Lechbruck
Simon und Mebratu, beide Anfang 20, kommen aus diesem kleinen ostafrikanischen Land mit zirka 6 Millionen Einwohnern, das sich vor ungefähr 20 Jahren nach einem langen Krieg von Äthiopien unabhängig machte. Seit dieser Zeit wird die frühere italienische Kolonie von Präsident Afewerki äußerst autoritär regiert. Jungen und Mädchen werden mit 18 Jahren vom Staat für verschiedene Aufgaben (Straßenbau, Wehrdienst …) auf unbestimmte Zeit dienstverpflichtet, abweichende Meinungen werden mit willkürlichen Haftstrafen geahndet und die weitgehende internationale Isolation des Landes führt zu schrecklichen wirtschaftlichen Bedingungen und vollständiger Perspektivlosigkeit der Jugend. Zudem drohen beständig Konflikte mit Äthiopien, die schon in der Vergangenheit mehrere 10 000 Tote forderten. Es ist kein Wunder, dass sich Tausende Eritreer nach Europa aufmachten, wo sie zeitweilig die viertstärkste Flüchtlingsgruppe stellten.
Simon und Mebratu kamen vor ungefähr einem Jahr nach Lechbruck. Zwei Jahre zuvor brachen sie von der Hauptstadt Asmara aus auf, um Diktatur und Unterdrückung zu entfliehen. Ihr abenteuerlicher Weg führte sie 6 000 Kilometer zu Fuß und mit dem Bus über den Sudan nach Libyen in Nordafrika. Zwischenzeitlich saß Simon wie viele afrikanische Flüchtlinge in einem libyschen Gefängnis, bevor er sich freikaufen konnte. Dann ging es auf die Reise übers Mittelmeer, genauso wie wir es von den Bildern im Fernsehen kennen: Mit 500 anderen Leidensgenossen in einem kaum seetauglichen Boot jederzeit von Schiffbruch bedroht …
Simon – der sich sehr für traditionelle eritreische Musik interessiert, selber singt und sich in Deutschland aus Holzresten vom Schreiner und Metallteilen aus dem Baumarkt eine Krar (eine eritreische Laute) gebaut hat – möchte wie sein Freund nächstes Jahr eine Ausbildung anfangen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Vor allem die deutsche Sprache macht Probleme, die die beiden mit einem Integrations- und Sprachkurs in Roßhaupten bewältigen wollen. Der Kurs dauert noch bis Ende des Jahres. Jeden Tag fahren Simon und Mebratu um 8 Uhr bei jedem Wetter 9 Kilometer mit dem Fahrrad nach Roßhaupten. Der Kurs dauert bis zum frühen Nachmittag. Dann stehen noch Hausaufgaben an und am Ende jeder Woche ein Test. Die beiden jungen Eritreer haben beim Spracherwerb (für Kenner: auf der Stufe A2) zum Teil die gleichen Probleme, wie wir sie in der Schule hatten. Was ist ein Nominativ, ein zweiter Fall, das Imperfekt …? Träumen wir »auf«, »von«, »mit« oder »für« – das lernten wir als Kleinkinder und macht gleichzeitig klar, wie schwer die deutsche Sprache ist – von der Aussprache ganz abgesehen. Richtig Deutsch lernen werden die beiden erst, wenn die Sprache selbstverständlicher Teil ihres Alltags geworden ist, wovon bisher nicht wirklich die Rede sein kann.
Mebratu, der wie Simon in Eritrea zehn Jahre zur Schule gegangen ist und ein wenig Englisch spricht, würde gerne Schreiner werden. Sein Freund könnte sich auch vorstellen, das Friseurhandwerk zu erlernen.
Die beiden jungen Afrikaner wohnen zusammen mit zwei Syrern und einem Palästinenser in einer Wohnung mit kleinen Zimmern, gemeinsamer Küche und Bad. Auch wenn das Zusammenleben sehr harmonisch verläuft, träumen sie davon, eines Tages eine eigene Wohnung beziehen zu können.
In den vergangenen Wochen zog auch sie die Fußballeuropameisterschaft in ihren Bann. Natürlich drückten sie dem deutschen Team die Daumen, beim »Public Viewing« sogar im Trikot der Nationalmannschaft. Da ist die Integration schon ganz weit fortgeschritten. Bei ihren sonstigen Eingliederungsbemühungen wird der Asylhelferkreis sie nach Kräften unterstützen. Leider kommen die beiden mit der Bevölkerung bisher nur gelegentlich über den Asylhelferkreis in Kontakt. Hier könnten die örtlichen Sportvereine eine wichtige Rolle spielen, deren Engagement aber hält sich – vornehm ausgedrückt – in Grenzen.
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