Extrem hohe Messwerte bleiben geheim

Foto: WildsauImmer noch sorgt Tschernobyl für hohe radioaktive Belastungen bei Pilzen und Wildschweinen

Als ehemaliger langjähriger Strahlenschutzbeauftragter befasse ich mich schon viele Jahre mit den nachwirkenden Folgen des Reaktorunglücks von Tschernobyl. Eine nachwirkende Folge ist, dass Pilze und vor allem Wildschweine noch immer teilweise sehr hohe radioaktive Belastungen aufweisen. Und dies nach nunmehr 28 Jahren. (Tschernobyl 26.04.1986)

Da vom Umweltministerium keine detaillierten Messwerte in Bq/kg zu bekommen sind, habe ich in einer sehr aufwändigen, mehrmonatigen Recherche Folgendes festgestellt:

  • 336 Messwerte über 4000 Bq/kg, davon 67 Messwerte über 10000 Bq/kg bis hin zu einem Maximalwert von 27734 Bq/kg! Alle diese Messwerte liegen im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2014 und können von mir belegt werden.
  • In 23 Einzugsbereichen der Messstellen musste jedes dritte Wildschwein der Tierkörperverwertung zugeführt werden. In 10 davon jedes zweite Wildschwein.

Dazu muss erwähnt werden, dass beispielsweise von den 65718 erlegten Wildschweinen des Bayerischen Jagdverbandes (BJV) im Jagdjahr 2012/13 nur höchstens 22 Prozent einer Messung zugeführt wurden.

Im Bereich des BJV messen derzeit 85 Radiocäsium-Messstellen Schwarzwild. Diese Messstellen wurden auch mit Steuermitteln eingerichtet. Die Messwerte werden jedoch nicht, in Bq/kg wie gemessen, ans Ministerium gemeldet. Es wird nur die Anzahl der Messwerte über 600 Bq gemeldet. Von konkreten Messwerten erfährt die Allgemeinheit nichts. Bürger, die Vorsorge betreiben wollen, können dies nicht tun, da sie die Messwerte nicht erfahren und auch nicht in Erfahrung bringen können.

Das Umwelt-und Verbraucherschutzministerium verstößt damit in eklatanter Weise gegen das Strahlenschutzvorsorgegesetz.

Im Internetauftritt des Landesamtes für Umweltschutz (LfU) stehen derzeit gerade mal zirka 10 Messwerte über dem Grenzwert! Auch die Staatsforsten hätten im Jagdjahr 2013 675 Messwerte über dem Grenzwert beisteuern können. Von den insgesamt 2078 Messwerten über dem Grenzwert, beispielsweise im Jahr 2013, erfuhren die Bürger keinen einzigen Messwert exakt in Bq/kg. Hier stellt sich mir die Frage: Will das Ministerium die vielen, teilweise extrem hohen Messwerte nicht wissen? Das Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung (StrSchVG) scheint man im Ministerium nicht zu kennen. Wie soll der Bürger da der Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz folgen, wenn er die Belastungen nicht erfährt?

Die Empfehlung lautet: wer für sich persönlich die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten möchte, sollte deshalb auf den Verzehr von hoch kontaminierten Pilzen und Wildfleisch verzichten. (Siehe auch weiter unten!)

Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit unternimmt in Sachen vorbeugender Verbraucherschutz auch nichts. Keinerlei Information zur Vorbeugung. Das Landesamt für Umweltschutz informiert im Internet die Jäger in Bayern absolut einseitig und falsch.
Diese irreführende Information des LfU, man solle Wildfleisch mit 10000 Bq/kg „wirklich nur gelegentlich“ verzehren, was bedeutet, das LfU hält es für unbedenklich, gelegentlich solch hochbelastetes Fleisch zu essen, führt zu einer Sorglosigkeit der Jäger, welche absolut nicht angebracht ist. (Siehe: www.lfu.bayern.de/strahlung/caesium_wildbret/wie_viel_essen/index.htm)

Und es führt leider auch dazu, dass nur sehr wenige, im eigenen Haushalt der Jäger verzehrte Wildschweine vorher gemessen werden! Dies kann in einigen der am höchsten belasteten Regionen zu gravierenden gesundheitlichen Folgen führen. Die Jägerfamilien verzehren Wildfleisch teilweise mit extremen Bq-Werten und wissen es mangels vorheriger Messung nicht.

Diese einseitige und letztlich irreführende Information ist zu lesen im Internetangebot des LfU. Kein Wort von der LNT-Hypothese die vom Bundesamt für Strahlenschutz und auch von der Internationalen Strahlenschutzbehörde angewandt wird.

Risiko nicht nur bei hohen Dosen

Laut LNT-Hypothese gibt es keinen Schwellenwert, ab dem radioaktive Strahlung zu gesundheitlichen Folgen führt. Das heißt: auch sehr niedrige Dosen von Strahlung können, müssen aber nicht, zu einem Schaden führen.

Ich habe folgende Forderungen an das Ministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz:

  1. Stellen Sie alle Messwerte der Qualifizierten Messstellen des BJV und der Staatsforsten ins Internet! Dann können sich die Bürger mit ein paar Mausclicks selbst über die Belastungen in ihrem Landkreis informieren und aufgrund dieser Informationen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Das Land Baden-Württemberg z. B. stellt in vorbildlicher und transparenter Weise seit fünf Jahren sämtliche Messwerte in Bq/kg einschließlich einiger Kontaminationskarten ins Internet. Dort standen alleine im Jagdjahr 2012/13 1375 Messwerte über 600 Bq/kg! Warum sollte das nicht auch im höher belasteten Bayern möglich sein?
  2. Stellen Sie Informationen über eventuelle gesundheitliche Gefahren ins Internet, die sich an der Empfehlung des BfS und der LNT-Hypothese orientieren! Das Bundesamt für Strahlenschutz gibt auf seiner Website folgende Empfehlung: „Wer für sich persönlich die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten möchte, sollte deshalb auf den Verzehr von vergleichsweise hoch kontaminierten Pilzen und Wildbret, wie aus dem Bayerischen Wald, der Region Mittenwald oder dem Donaumoos südwestlich von Ingolstadt, verzichten.“ (Siehe: www.bfs.de/de/kerntechnik/unfaelle/tschernobyl/faq.html)
  3. Ändern Sie die irreführende Rechnung im Internet, in eine Rechnung mit realistischen Dosiswerten um, damit der Jäger eine Orientierungshilfe hat. Da wir noch lange Zeit mit hohen Kontaminationen bei Pilzen und Wildschweinen leben müssen[1], sehe ich die Umsetzung der genannten Forderungen als sehr wichtig an, für den Schutz der Gesundheit der heutigen Verbraucher, der Jägerfamilien und deren Kinder.

Die Ergebnisse meiner Recherche und die hier von mir aufgeführten Forderungen habe ich dem Umwelt-und Verbraucherschutzminister Marcel Huber sowie dem Landwirtschaftsminister Helmut Brunner am 24. April 2014 schriftlich mitgeteilt.

Helmut Rummel

 

Quellenangaben / Hinweise


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  1. Dr. Fielitz, 2005: Untersuchungen zum Verhalten von Radiocäsium in Wildschweinen und anderen Biomedien des Waldes

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