Erfolgreiches »Start-up« aus dem Pfaffenwinkel

Die Schönegger Käsealm in Prem als Bindeglied zwischen Bauern, Verarbeitern, Vermarktern und Konsumenten

Eifrige OHA-Leser wissen, dass ich mich in der Vergangenheit schon öfter mit der Milchviehwirtschaft im Pfaffenwinkel beschäftigt habe. Zuletzt habe ich in einem längeren Artikel auf ein Konzept hingewiesen, von dem Bauern, Verbraucher und Umwelt gleichermaßen profitieren. (»GEHT DOCH! Die ARGE Heumilch in Österreich zeigt wie« – siehe OHA Nr. 416, Juli 2016)

Nun ist in meiner unmittelbaren Nachbarschaft einer der inzwischen bekanntesten Hersteller und Vermarkter von Heumilch-Produkten beheimatet, die SCHÖNEGGER KÄSEALM, – was liegt da näher als dort eine Antwort auf Fragen zu suchen, die mich in diesem Zusammenhang schon länger beschäftigen, wie etwa: Warum gibt es im Pfaffenwinkel so wenige Heumilchbauern? Welche Zukunft haben Heumilch-Produkte?

Diese und andere Fragen habe ich kürzlich mit Matthias Köpf, einem leitenden Mitarbeiter der Schönegger Käsealm, bei einem längeren Gespräch diskutiert. Es ergab sich dabei das Bild einer faszinierenden Unternehmensgeschichte, die vor fast 30 Jahren auf einem Bauernhof in Schönegg ihren Anfang nahm:

Sepp Krönauer, Hoferbe und Käsemeister mit Passion für seinen Beruf, begann in den 1980er Jahren handwerklich gefertigte Produkte von einem kleinen Hofladen zu vertreiben. Anfangs waren es zehn Bauern, die ihm die Milch für drei Käsesorten zulieferten.

Aus diesen bescheidenen Anfängen ist bis heute ein mittelständisches Unternehmen entstanden, das mit rund 150 Mitarbeiter/innen mehr als 60 Heumilchprodukte herstellt und vermarktet, ca. 25 Verkaufsläden betreibt, über einen Onlineshop mehr als 20 000 Kunden beliefert und so einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro erzielt.

Sepp Krönauer wurde im Jahr 2013 als »Unternehmer des Jahres« in unserem Landkreis geehrt und verschiedentlich mit den Firmengründern im Silicon Valley (USA) verglichen. Krönauers Erfolg hat auch andere Unternehmen in unserer Region ermutigt, auf Heumilchprodukte zu setzen, so etwa die Lebensmittelkette Feneberg aus Kempten mit ihrer Marke »Von Hier«.

Foto: Kühe Heumilch

Heumilch schafft eine Win-Win-Situation für Bauern, Verbraucher, Umwelt – und Kuh!

Fragt man nach den Leitbildern der Unternehmensführung, so werden an erster Stelle die Verbindung von Tradition und Innovation (letztere – leider unschön – ins Auge springend, wenn man am monströsen Reifelager für 120 000 Käselaibe am Ortsrand von Steingaden vorbeifährt …) sowie Fairness gegenüber den Bauern genannt.

Sinnbild für die Verbundenheit mit Tradition und heimatlicher Kultur sind die »Schönegger Almmusikanten«, die Sepp Krönauer als leidenschaftlicher Musikant initiiert hat und die regelmäßig im Pfaffenwinkel öffentlich auftreten.
Krönauer bezeichnet das Grundprodukt, also die natürlich produzierte Heumilch, als das Geheimnis seiner Erfolgsstory. Umso mehr hat es mich überrascht zu erfahren, dass von den inzwischen ca. 500 Milchlieferanten nur ein kleinerer Teil (nämlich etwa 150) in Deutschland (vor allem in den Landkreisen Ostallgäu, Oberallgäu, Lindau) beheimatet sind, mehr als 350 aber im nahen Österreich, wo auch in drei gepachteten Sennereien die Käse der Schönegger Käsealm produziert werden. Im Landkreis Weilheim-Schongau beliefern gerade einmal ein halbes Dutzend Heumilchbauern die Schönegger Käsealm – die doch hier ihren Ursprung hatte.

Zur Erinnerung: Heumilch stammt von Kühen, die silo- und gentechnikfrei, also nur mit Gras, Heu und Getreideschrot gefüttert werden. Das wirkt sich nicht nur positiv auf Geschmack und Qualität von Milch und Käse aus, sondern fördert auch die Gesundheit der Tiere und schont die Umwelt. Bei der Käseproduktion kann auf den Einsatz einer Baktofuge zum Herausfiltern von Buttersäure und Sporen verzichtet werden, und bestimmte Käsesorten lassen sich überhaupt nur aus Heumilch herstellen.

Dafür zahlt die Schönegger Käsealm ihren Lieferanten einen weitgehend stabilen, im Moment etwa 5 bis 6 Cent über dem für konventionelle Milch liegenden Preis. Da stellt sich mir die Frage: Warum bin ich hier überall von herumliegenden Siloballen umgeben, warum riecht es beim Gang durchs Dorf fast immer säuerlich nach Silo und fast nie nach duftigem Heu? Warum muss sich die Schönegger Käsealm die benötigte Milch in Österreich besorgen, wo doch bei uns im Voralpenland die natürlichen Bedingungen ebenfalls für die Heumilch-Produktion sprechen? Die Antwort ist einfach: Als vor 20 bis 30 Jahren viele Bauern vor der Entscheidung standen »wachse oder weiche«, gab es keine Molkerei in der Nähe, die Käse aus silofreier Milch erzeugte. Die Bauern waren abhängig von wenigen Abnehmern für ihre Milch, es gab nur einen einheitlichen Milchpreis unabhängig von der Qualität und kaum Unterstützung seitens der Politik oder der Verbände für eine umweltschonende Produktion. Meine Recherche im Internet zeigt, welche Auswirkungen dies hatte: Das 1997 eröffnete Schongauer Werk von Hochland verarbeitet heute täglich 600 000 Kilo Milch (geplant ist bekanntlich eine Verdoppelung der Produktion im Gewerbegebiet Schongau-West). Hochland ist im Übrigen in der Welt mit zahlreichen Standorten vertreten (u. a. in Russland, Ukraine, Rumänien, Iran, USA, Frankreich und Spanien). Zu seinen Kunden gehören in Deutschland McDonalds, Lidl, Aldi, Penny und andere Discounter. Mit 1,2 Milliarden Euro Umsatz zählt Hochland zu den größten Käseherstellern Europas. Der Weltkonzern Hochland auf der einen Seite und die Schönegger Käsealm (oder auch die Molkerei Scheitz in Andechs) stehen beispielhaft für die beiden Alternativen, vor denen die Bauern im Voralpenland stehen: Massenproduktion im Wettbewerb mit Großbetrieben auf der ganzen Welt oder Konzentration auf Qualität. Da jedoch die Voralpenregion nicht für Massenproduktion geeignet ist, konnten sich viele Milchbauern nur schwer am Markt behaupten – wenn sie nicht auf eine Nische (wie Heumilch) im derzeit gesättigten europäischen Milchmarkt gesetzt haben. Ein Gang durch die Dörfer im Pfaffenwinkel mit ihren zahlreichen aufgegebenen Höfen legt Zeugnis ab von dieser Entwicklung.

Wolfgang Fischer, Prem

In einer der nächsten Ausgaben des OHA will ich von den Erfahrungen eines Milchviehhalters im nahen Moosreiten berichten, der seit einigen Jahren die Schönegger Käsealm mit Heumilch beliefert.

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