Fiktive Ersterschließung uralter Straßen bleibt noch für ein paar Jahre
Am Donnerstag, 14. Juni 2018 beschloss der Bayerische Landtag die Änderung des Kommunalabgabengesetzes oder – kurz gesagt – in Bayern wurde die Straßenausbau-Beitragssatzung (Strabs) rückwirkend ab 1.1.2018 abgeschafft. Der am 16. November 2017 erstmals eingebrachte Gesetzentwurf der Freien Wähler wurde von allen anderen anwesenden Abgeordneten abgelehnt. Auch die von Freien Wählern, SPD und Grünen gestellten Änderungsanträge zum CSU-Gesetzentwurf hatten keine Chance. Die Mehrheitspartei CSU bringt ihren Antrag bei einer Enthaltung aus den eigenen Reihen und Enthaltung der GRÜNEN mit großer Mehrheit durch. Das Hauptziel der Strabs-Gegenbewegung ist erreicht – die Strabs ist weg.
Noch vor wenigen Monaten wurden die Freien Wähler von den anderen Abgeordneten für ihr Umdenken beim Thema Strabs beschimpft. Aber so kurz vor der Landtagswahl setzte dann doch auch bei CSU, SPD und GRÜNEN ein Umdenken ein. Verfolgte man jedoch Ausschuss- und Landtagssitzungen als Besucher vor Ort oder am Bildschirm zu Hause, konnte man bei verschiedenen Redebeiträgen erkennen, wie viel Ärger und Unverständnis bei so manchem Abgeordneten über die Kehrtwende der eigenen Partei vorhanden ist. So auch der Eindruck einer Besucherin des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen. Ihr Fazit: Tobias Reiß (CSU) beklagt die hohen Kosten für den Staatshaushalt, Horst Arnold (SPD) stört, dass die Kosten des Straßenbaus nun zugunsten der „satten Immobilieneigentümer“ sozialisiert werden und auch Katharina Schulze (GRÜNE) bedauert den Straßenausbau auf Kosten der Steuerzahler. Der Vorsitzende des Ausschusses, Franz Schindler (SPD) gab dann im Anschluss an die Redebeiträge aus den Fraktionen seine persönliche Meinung zum besten: Er sei jahrelang im Stadtrat gewesen und immer seien Straßen ausgebaut und mit den Bürgern abgerechnet worden. Klar habe es Beschwerden gegeben, aber die seien „abgearbeitet“ worden und dann war wieder Ruhe und die Bürger lernten zu akzeptieren. Er verstehe nicht, dass jetzt die CSU, wohl um Wählerstimmen nicht zu verlieren, nach dem Vorpreschen der Freien Wähler eingeknickt sei, wo es doch in der Regel mit den Beitragserhebungen geklappt habe. Aber jetzt sei es halt so, die Strabs soll abgeschafft werden und er wahre Disziplin und stimme mit seiner SPD-Fraktion.
Auch der Vorstoß der Freien Wähler, das sofortige Inkrafttreten der bereits beschlossenen Neuregelung bei der fiktiven Ersterschließung zu erreichen, fand bei den anderen Landtagsparteien keine Unterstützung. Es bleibt dabei: Kommunen können den Ausbau alter und uralter Straßen, die noch nicht als ersterschlossen gelten, mit einem Kostenanteil von 90 Prozent auf die Anlieger umlegen. Erst ab dem 1. April 2021 gilt: Erschließungsbeiträge dürfen 25 Jahre nach dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage nicht mehr erhoben werden.
In der Stadt Lindau gab es am 7. Juni 2018 dazu den bemerkenswerten, einstimmig gefassten Beschluss des Werkausschusses, bis zum 31.03.2021 keine Straßen mehr endgültig zu erschließen, die unter dieses Gesetz fallen würden. Dieser bürgerfreundliche Beschluss kann nur zur Nachahmung empfohlen werden.
Noch offen sind die Modalitäten für die künftige Verteilung von Straßenbau-Fördermitteln an die Gemeinden. Hierzu heißt es im jetzt beschlossenen Gesetzentwurf der CSU: „Die genauen Kriterien und Verteilungsparameter hierfür sollen bis zur Aufstellung des Doppelhaushalts 2019/2020 im Einvernehmen mit dem Bayerischen Städtetag und dem Bayerischen Gemeindetag festgelegt werden.“ Also: Genaueres erst nach der Wahl!
Renate Müller, Schongau
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