Die Post-Wachstumsökonomie (Wunschvision, erster Teil)

Herwarth Stadler

Herwarth Stadler

Nachdenken über den Sinn einer weiterhin andauernden Wirtschaftswachstum-­Euphorie ist angesagt. Die bei uns seit mehr als einem Jahrzehnt übliche Wachstums­-Be­schleunigungs-Rhetorik der Bundesregierungen von Mitte-links bis Mitte-rechts hat aus unserer Einsichttiefe ihre Berechtigung verloren. Was der derzeitige Bundes­wirtschaftsminis­ter Brüderle dabei leistet, wird als gesundbetende Rederei sich selbst entlarven; was schon vor über einem Jahrhundert Henry Ford[1] wusste, dass „Autos keine Autos kaufen“, ist bei den neoliberalen Repräsentanten noch immer nicht angekommen – sonst würden sie sich nicht dem Gedanken von Mindestlöhnen so vehement verweigern und ihre Position der weiteren Steuererleichterungen höherer Einkommen und der Unternehmen weiter energisch verfolgen.[2]

Zu Recht wird von der Anti-AKW-Bewegung und anderen argumentiert, dass die ver­traglich[3] beschlossene Laufzeitverlängerung der AKWs den Umbau der Stromversorgung auf erneuerbare Energieerzeugung verzögern wird. Nur dann findet nämlich eine ökologisch sinnvolle Entwicklung statt, wenn gleichzeitig mit der Inbetriebnahme eines Windparks einige Kapazität gleiche ältere Kohlekraftwerke stillgelegt würden – noch besser wäre stattdessen: bereits während der Planungs- und Bauphase eines in der Effizienz modernsten Kohlekraft­werkes diese zu stoppen und zurückzunehmen, weil nur das allein für ein halbes Jahrhundert[4] lang die (trotzdem) zusätzliche CO2-Ausstoßmengen vermeiden würde und am Markt kein Überangebot von Grundlaststrom die Einspeisung von erneuerbarer Energie blockierte.

Bei der bekannten Endlichkeit aller unserer irdischen Rohstoffvorkommen[5] grenzt es an selbstzerstörerisches Handeln der jetzigen Generation an den Enkelgenerationen, nur um des augenblicklichen Zusatzprofites und persönlichen Wohlbefindens willen die Lebenschancen der Enkelgenerationen in der Zukunft zu zerstören.[6] Grundsätzliches Umdenken wird unumgehbar:

  • Selbstbescheidung im Umgang mit allen materiellen Bequemlichkeiten des Alltags muss unser aller Leitmotiv werden!
  • Ein (bereits entwickelter) Wohlstands- und Wohlfühl-Index muss auch die nicht­monetarisierten gesellschaftlich erbrachten Dienstleistungen[7] mit einbeziehen.
  • Die auf der kapitalistischen Geldwirtschaft und dem Angebotsprinzip basierenden In­dustriemodell beruhende heutige Weltwirtschaft muss umgestaltet werden mit dem Ziel, eine Mengenhalbierung bei gleichzeitiger Nutzungsverdoppelung zu erreichen.[8]
  • Die Lebensarbeitszeit zu verringern muss damit verbunden sein, was übrigens bereits vor einem halben Jahrhundert Erkenntnis der Forschung war[9] und nicht nur immer wiederholt[10] sondern auch um weitere Notwendigkeiten wie regelmäßige Fortbildung im ausgeübten Beruf und Umqualifizierung oder das Sabbatjahr für Stressberufe erweitert wurde.[11]

 

 

Quellenangaben / Hinweise


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  1. »Vater« der Fließbandfertigung
  2. Mindestlöhne gehen voll in den Konsum, während eine höhere Steuer-Ersparnisbildung dem BIP verloren geht.
  3. Der Pferdefuß daran ist für alle folgenden Regierungen: Die Merkel-Westerwelle-Regierung hat das Hoheits­recht der Gesetzgebung ausgehebelt und eine Regresspflicht z. B. bei Änderungen der Laufzeit-Bedin­gungen zugunsten der Energie-Oligopolisten begründet (=leistungslose Milliarden-Einnahmen).
  4. Kalkulatorischer Zeitraum für die Abschreibungen der Investitionsmilliarden des neuen Kraftwerkes; die tech­nisch veralteten älteren KWs gleicher Kapazität würden sowieso abgeschrieben und stillgelegt werden.
  5. D.Meadows et.al., Die neuen Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update; Bericht an den Club of Rome, dt. 2006
  6. Die noch nicht ausgestandene Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und das laufende Vermüllen der Weltmeere seien hier nur als des Nachdenkens werte Beispiele angeführt.
  7. wie z. B.: ausgeübte öffentliche Ehrenämter, übernommene Funktionen im (Sport- u. a.) Vereinswesen, Selbst­hilfegruppen-Aktivitäten usw.
  8. Qualitätsoffensive plus Abschaffen aller konstruktiv eingebauter ‘Sollbruchstellen’ in Form von Frühver­schleiß, vorprogrammierter Materialermüdung etc. pp.
  9. Fourastier, Die 40 000 Stunden Lebensarbeitszeit, dt. 1967
  10. … Piaget, u., Bericht an den Club of Rome 197., – konnte ich nicht mehr verifizieren
  11. Giarini, O., Liedtke, P. M., Wie wir arbeiten werden, Bericht an den Club of Rome, 1997;

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