Die Genossenschafts-Idee – von Cuxhaven bis (nach) Schongau ist nach wie vor aktuell und innovativ

Online-Veranstaltung der GWÖ-Regionalgruppe AmmerLechland am 21. April 2021

Bürgerbahnhof Cuxhaven (Foto: Martin Limper)

„Gemeinsam erreichen, was einer alleine nicht schafft“, das war das Thema einer online-Veranstaltung mit Andreas Holzhey, die die Ge­mein­wohlökonomie Regionalgruppe AmmerLechLand kürzlich durchführte. Am Beispiel des Bürgerbahnhofs Cuxhaven eG zeigte der Referent auf, wie Bürgergenossenschaften gegründet werden und wie erfolgreich das gemeinsame Angehen von Projekten sein kann.

Für die Mitglieder der Gemeinwohlökonomie insbesondere in Schongau war der Vortrag v.a. im Hinblick auf die Köhler-Villa als möglichem Projekt von großem Interesse.

Die emotionale Bindung vieler Cuxhavener zu ihrem leer stehenden, deso­laten historischen Bahnhofs­gebäu­de samt Umfeld und konkrete Pläne, das Gebäude abzureißen und durch einen Investoren-Neubau zu ersetzen motivierte engagierte Bürger zu einer anderen Lösung. Ihre Idee war es, das charmante Backsteingebäude zu erhalten und zu sanieren und das Ganze durch Vermietung zu refinanzieren. Der Bahnhof samt Umgebung sollte wieder attraktiv für Bürger und Besucher und zu einer lebendigen Begegnungs­stätte werden. 2013 entschlossen sie sich, eine Genossen­schaft zu gründen und warben Mitglieder, die Anteile zu je 1000 Euro zeichnen konnten. „Der Zeitpunkt der Genossenschaftsgründung und die große Zahl der Gründungsmitglieder war ein Signal gegenüber der Kommune“, so Holzhey, der im ehrenamtlichen Vor­stand der Bürgergenossenschaft arbeitet. Die starke Identifikation mit dem Projekt und die breite Wertschätzung durch die Bevölkerung führten dazu, dass innerhalb des ersten Jahres  bereits279 Genos­sen­­schaftsanteile gezeichnet wurden. Im Folgejahr verdoppelte sich die Anzahl der Genossenschaftsanteile nahezu auf 551. Durch die schnell wachsende Zahl von Mitgliedern wurde das Projekt Bürgerbahnhof Cuxhaven auch politisch relevant. Die Idee und die ausgearbeiteten Konzepte wurden von der Stadtverwaltung zunehmend ernst genommen. Im Jahr 2020 hatten Firmen, Vereine, Organisationen und Einzelpersonen insgesamt 1.643 Anteile, also ein Volumen von über 1,6 Mio Euro gezeichnet.

Wichtig war, dass es von Anfang an ein konkretes Nutzungskonzept für den Bahnhof gab. Mietverträge mit diversen Firmen (z.B. Autoverleih, Fahr­kar­tenverkauf, Buchhandlung, Gastronomie) wurden schon vor dem 1. Spa­tenstich unterzeichnet. Während der heißen Bauphase konnten ehren­amt­liche Helfer mit eingebunden werden, was die allgemeine Identifikation mit dem Projekt verstärkte. U.a. gab es die Aktion „Rettung der Backsteine“ zusammen mit der Berufsschule Cuxhaven. So konnte originales Bau­material für Restaurierungsarbeiten erhalten und wiederverwendet werden. Auch ein neuer Anbau entstand. Die Gestaltung der Bahnhofshallen­fenster sowie die Ausstattung der Halle übernahmen ortsansässige Künstler, das bürgerschaftliche Engagement war ins­gesamt sehr groß. Die Bereitschaft zu einer langfristigen, gemeinnützigen Investition bei geringer Rendite wurde durch die Stärkung des Gemeinschaftssinns belohnt. Besonders freuen konnte man sich über die Auszeichnung als „Bahnhof des Jahres 2019“ durch die „Allianz pro Schiene“.

In die sich an den Vortrag anschließende Fragerunde brachten sich Teil­nehmer aus Altenstadt, Cuxhaven, Peiting, Penzberg und Schongau ein. Holzhey informierte dabei u.a. darüber, dass sich an einer ähnlichen Bürgergenossenschaft in Leutkirch im Allgäu, größenmäßig vergleichbar mit Schongau, sogar über 700 Bürger beteiligen. Er erklärte abschließend: „Eine Genossenschaft ist auch in kleineren Städten machbar. Wenn sich viele Personen hinter einer guten Idee versammeln, kann es ein Erfolgsmodell werden!“

Johanna Hentschke (Koordinatorin),
Gernot Schleeh (Koordinator)


weitere Informationen:
– zur GWÖ-Regionalgruppe ALL
https://bayern.ecogood.org/ammerlechland/
– zur Bürgergenossenschaft Bürgerbahnhof Cuxhaven eG
https://cuxhaven-bahnhof.de/29_Genossenschaft.php
https://buergerbahnhof-cuxhaven.de/
– zur Bürgergenossenschaft Leutkirch:
https://www.leutkircher-buergerbahnhof.de/
https://www.deutschlandfunkkultur.de/buergergenossenschafts-aktivist-christian-skrodzki-was.970.de.html?dram:article_id=420812
https://www.landentwicklung.bayern.de/mam/cms01/landentwicklung/dokumentationen/dateien/le_fachtagung_2018_pptx_skrodzki_leutkirch.pdf

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