In Bayerisch-Schwaben liegt der Ort mit Deutschlands größtem Atommülllager
In keinem anderen Ort Deutschlands lagert so viel tödlich strahlender Atommüll wie im zwischen Ulm und Augsburg gelegenen schwäbischen Gundremmingen. Zugleich ist die Energiewende in Schwaben nur einbeinig, da der Windkraftausbau blockiert wird. Und hierfür tragen vier Männer die Hauptschuld.
Rechnet man den Atommüll in den zwei Gundremminger Reaktorblöcken und im Castorlager zusammen, ist in Gundremmingen mit Abstand Deutschlands größtes Atommülllager. Weit größer als das in Gorleben.
Zugleich hinkt die Energiewende in Schwaben nur auf einem Bein voran. Der Solarausbau mit Photovoltaik wächst. Allerdings müsste zum Erreichen der Klimaschutzziele die Solarstromerzeugung wenigstens dreimal so schnell vorankommen. Fatal ist, dass der Windkraftausbau in Schwaben zum Erliegen gekommen ist. Dazu nach einer Auswertung des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur sieben Aussagen plus eine zur politischen Verantwortung.
1. Bestand an Windkraftanlagen (WKA). In Schwaben haben wir jetzt im Juli 2021 in den zehn Landkreisen (LK) genau 98 WKA. Sie haben zusammen eine Leistung von 178 Megawatt. Sie produzieren im Jahr geschätzt 350 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom. Am meisten Windkraftwerke stehen mit 27 Anlagen im LK Ostallgäu. Im LK Lindau fehlen diese Kraftwerke ganz.
2. Schwaben hat 1.905.841 Einwohner (mehr als Mecklenburg-Vorpommern und doppelt so viele wie das Saarland, etwas weniger als Thüringen). Rechnerisch entfallen auf jeden Deutschen rund 6.000 kWh/a. Damit werden in Schwaben insgesamt rund 11,5 Milliarden kWh Strom verbraucht (zum Vergleich: ein Block des AKW Gundremmingen produziert 10 Mrd. kWh/a). Ergo: Etwa 3 % des in Schwaben verbrauchten Stroms wird heute in Schwaben mit Windkraft erzeugt.
3. Vor- und Nachteile von Windkraftanlagen. Sie haben einen Hauptnachteil: Sie sind weit sichtbar und verändern das Landschaftsbild. Die anderen Kritikpunkte wie Lärm oder Infraschall sind widerlegt. Durch Vogelschlag und Fledermaustötung kommen Tiere zu Schaden. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch nur ein Bruchteil so viele wie durch Autos, Stromleitungen, Glasfenster oder Katzen und andere Beutegreifer (Habicht, Waschbär, Uhu usw.). Die Naturschutzregel muss lauten: Durch den Betrieb von Windkraftanlagen dürfen auf keinen Fall Arten und auch keine Populationen geschützter Tierarten gefährdet werden. Dies muss durch die Standortwahl und die biologischen Untersuchungen gesichert werden!
Der Vorteil der WKA ist, dass sie ohne Atommüll oder CO2 zu produzieren, Strom erzeugen. Allerdings vom Wetter abhängig wechselhaft. Wir brauchen zur Sicherung der Stromversorgung den Mix aller Erneuerbaren-Kraftwerke (also Biomasse, Geothermie, Solar, Wasser- und Windkraft) und ab etwa einem EE-Anteil von 70 Prozent auch viele Speicher. Der WKA-Vorteil ist auch, dass neue große Anlagen bei uns den Strom für 5 – 6 Cent je Kilowattstunde liefern. Dem technischen Fortschritt sei Dank.
4. Vergleich Donau-Ries mit Paderborn. In Schwaben haben die Landkreise bisher erst wenige WKA. Augenöffnend ist ein Vergleich des schwäbischen Landkreises Donau-Ries (1275 qkm und 134 Tsd. EW, also 105 EW je qkm) mit dem ostwestfälischen Kreis Paderborn (1.247 qkm und 308 Tsd. EW, also 247 je qkm). Im mehr als doppelt so dicht besiedelten Kreis Paderborn arbeiten 510 WKA. Im halb so dicht besiedelten Landkreis Donau-Ries 4 (in Worten: vier).
5. Leitlinie: Wir sollten etwa 40 % unseres Stroms aus Solar und 40 % aus Windkraft erzeugen. Den Rest aus den anderen EE-Anlagen, die mit der Wasserkraft, der Biomasse oder vielleicht zukünftig auch der Geothermie arbeiten.
Der Stromverbrauch wird infolge des Strombedarfs für E-Mobilität, E-Wärmepumpen statt Gas- und Ölheizungen sowie für dekarbonisierte chemische Stoffprozesse (Chlor, Stahl, Wasserstoff, Zement usw.) kräftig steigen. Wir werden zukünftig in Schwaben statt 11,5 eher 22 Milliarden kWh Strom konsumieren. Das erfordert grob kalkuliert rund 9 Mrd. kWh Windstrom. Und dafür brauchen wir unter der Annahme, dass moderne große WKA in 10 Jahren rund 12 Mio kWh/a liefern, grob geschätzt 800 WKA.
Bei 10 Lk und vier kreisfreien Städten heißt dies, dass jeder LK im Schnitt rund 75 WKA für die Stromversorgung braucht. Und jede der vier kreisfreien Städte gut zehn. Natürlich wird es große Unterschiede nach Größe und Windhöffigkeit der Landkreise geben.
Zur Einordnung: Im Kreis Paderborn stehen heute bereits sechsmal so viele. Im oberfränkischen Landkreis Hof auch schon 107 WKA und im mittelfränkischen Landkreis Ansbach 72 WKA.
6. Alternativen?
Natürlich gibt es Alternativen: Wir können die Marktmechanismen – also Angebot und Nachfrage machen die Preise – auch im Strombereich wirken lassen und Deutschland in wenigstens zwei Strompreiszonen aufteilen. Dann sinken in den Ländern mit viel preiswertem Windstrom die Strompreise und in den Ländern mit wenig Windstrom steigen die Strompreise. Dadurch werden stromintensive Industriebetriebe (Lechstahlwerke, Wielandwerke, Ciba Spezialitätenchemie Pfersee, UPM, Varta, usw.) zur Abwanderung angeregt. Ebenso die Mitarbeiter. Das fordern ja auch einige Stromleitungsgegner, dass Stromerzeugung und –verbrauch wieder zusammenrücken sollen. Für Bayern könnte dies bedeuten: Aus BMW wird Bremer Motorenwerke.
Natürlich können wir auch die Zahl der Autos halbieren und die Wohnungen und Häuser und somit den Heizbedarf verkleinern. Auch können wir zukünftig auf das Fliegen mit CO2-freien synthetischen Kraftstoffen verzichten und zuhause bleiben. Dann brauchen wir weniger Wasserstoff.
Dies sind Abschätzungen. Doch man sollte das Volk nicht weiter mit Aussagen wie „wir sind Solarland und brauchen kaum Windkraft“ oder „Wie werden den Wasserstoff aus sonnenreichen Ländern importieren“ dumm machen. Wer Industrie und Wohlstand will, muss auch Strom erzeugen – und dies umweltschonend!
7. Solar statt Wind?
Allerdings wird von der Bayerischen Staatsregierung die Irrlehre verbreitet, Bayern könne statt Windstrom zu erzeugen, auf Solarstrom setzen. Dies täuscht, denn im Winterhalbjahr mit kalten Temperaturen und kurzen Tagen ist sowohl der Stromverbrauch am höchsten als auch die Stromerzeugung mittels Solar am geringsten. So war deutschlandweit im Juni 2021 die Solarstromerzeugung elf Mal so hoch wie im Januar 2021. Andersherum beim Windstrom: Von ihm wurde im Januar 21 zweieinhalb Mal so viel erzeugt wie im Juni 21.
Der Windkraftausbau fing in den 1990er Jahren in den küstennahen Starkwindgebieten an. Doch seit rund zehn Jahren bieten die Windkrafthersteller Anlagen für die Leichtwindgebiete wie hier im Süden Deutschlands an. Mit hohen Türmen (Daumenregel für die süddeutschen Leichtwindgebiete: 1 m höher bringt fast 1 % mehr Windstrom) und langen Flügeln können diese modernen Windräder auch in Bayern 10 bis 12 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen. Das ist so viel Strom, wie beispielsweise 5.000 durchschnittliche E-Autos verbrauchen. Und diesen Strom erzeugen diese modernen Anlagen für 5 bis 6 Cent je Kilowattstunde. Dieser Preis wird mit weiteren technischen Fortschritten noch weiter sinken.
Wer in den letzten 10 Jahren auch in Schwaben den Windkraftausbau ausgebremst hat
Man muss Verantwortung benennen: Hauptschuld trägt der langjährige CSU-Vorsitzende H. Seehofer, der mit 10H und Anti-Windenergieaussagen die Energiewende blockiert hat. Die zwei schwäbischen Politiker Thomas Kreuzer als Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion sowie der ehemalige Wirtschaftsminister Franz Pschierer haben vor und hinter den Kulissen die Windkraft blockiert. Jetzt trägt die Verantwortung der Ministerpräsident Markus Söder, der vollmundige Versprechen macht, aber nichts für die Energiewende mit Windkraft zustande bringt.
Raimund Kamm
Vorstand Bürgerinitiative FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.
Vorsitzender des Dachverbandes LEE Bayern (Landesverband Erneuerbare Energie: Bioenergie, Geothermie, Solar, Wasser- und Windkraft)
FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.
Augsburg – Dillingen – Günzburg – Heidenheim – Ulm
Neueste Kommentare