Erfolgreiche Alternative zum herrschenden Finanzkapitalismus
Hin und wieder gibt es ermutigende Beispiele dafür, dass wir Großkonzernen und Finanzkapitalisten nicht ohnmächtig ausgeliefert sein müssen, sondern eigene Wege bei der Gestaltung dieser Welt gehen können.
Ein solches Beispiel ist der Windpark-Betreiber PROKON. Vor 20 Jahren hatte Carsten Rodbertus die Idee, eine Firma im Bereich alternativer Energien aufzubauen und zu deren Finanzierung sog. Genussscheine auszugeben, die von Jedermann bzw. -frau erworben werden konnten. Man könnte dies als eine Spielart des »crowd-funding« bezeichnen, bei der Banken und sonstige Finanzinstitute außen vor bleiben.
Zur Erinnerung: Die übliche Form der Finanzierung derartiger Projekte war – und ist – nämlich die Gründung eines Unternehmens in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, bei der interessierte Anleger Kommanditanteile erwerben können. Der größte Teil des benötigten Kapitals (etwa 70 %) wird in der Regel jedoch von Banken als Darlehen zur Verfügung gestellt, die sich hohe Zinsen sowie erstrangige Sicherheiten garantieren lassen. Risiken tragen in erster Linie die Kommanditisten. Außerdem sind regelmäßig hohe Vergütungen für die geschäftsführende GmbH, Treuhänder, Wirtschaft- und Steuerprüfer sowie zahlreiche Service-Dienstleister fällig. Es stellte sich bei diesem Modell heraus, dass für die Kommanditisten nur in ganz seltenen Fällen die versprochenen Ausschüttungen übrig blieben – viele haben erhebliche Verluste erlitten und streiten vor Gericht um ihre Rechte.
Zurück zu PROKON: Schließlich waren es zirka 75 000 (Klein-)Anleger, die sich für die Idee begeisterten und mit deren Geld (1,5 Milliarden EUR) insgesamt 54 Windparks in Deutschland, Polen und Finnland mit über 300 Windrädern errichtet wurden.
Dieser Erfolg muss dem Initiator, Carsten Rodbertus, zu Kopf gestiegen sein, vermutlich war er auch mit der Aufgabe überfordert. Sein größter Fehler war es, zur Finanzierung langfristiger Investitionen Genussscheine auszugeben, die kurzfristig gekündigt werden konnten. In dieser Situation sah das Finanz-Establishment die Chance, die ungeliebte »crowd-funding« Alternative zu zerstören: Es genügte, Gerüchte über eine mögliche Zahlungsunfähigkeit von PROKON zu streuen, um viele Inhaber von Genussscheinen zur Kündigung zu veranlassen. Das führte innerhalb von wenigen Monaten zur Insolvenz des Unternehmens, obwohl im operativen Geschäft (also mit den Windparks) weiterhin gutes Geld verdient wurde. Von den Medien wurde diese Entwicklung mit Genugtuung und viel Häme begleitet. (Die Talkshow »Hart aber Fair« von Frank Plasberg beispielsweise widmete dem Fall PROKON eine Sendung mit dem Titel »Gier frisst Hirn«, ganz offensichtlich in der Absicht, die Inhaber von Genussscheinen als geldgierige Kapitalisten zu diffamieren.)
Geht ein Unternehmen in die Insolvenz, so kreisen in der Regel die Geier (sprich: Hedgefonds und sonstige Schnäppchenjäger) über dem weidwunden Wild, die Belegschaft ruft „rette sich wer kann!“ und zerstreut sich in alle Himmelsrichtungen oder wird arbeitslos. Und der Insolvenz-Verwalter macht seinen Job, der vor allem darin besteht, verwertbare »Filetstücke« an den Meistbietenden zu versteigern.
Im Fall PROKON aber verlief alles ganz anders: Aus dem Kreise der Genussschein-Inhaber gründeten u. a. Juristen, Volks- und Betriebswirte, Beamte, Journalisten, Ärzte, Ingenieure usw. den Verein »Freunde von PROKON« mit dem Ziel, das insolvente Unternehmen in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft weiter leben zu lassen. Mit bewundernswertem, ehrenamtlichem Engagement wurde die Zusammenarbeit mit dem Insolvenz-Verwalter organisiert, Öffentlichkeitsarbeit betrieben, eine Internetseite geschaffen und betreut, mehrere Regionalgruppen wurden gegründet, Informationsveranstaltungen durchgeführt usw. usw. Die Belegschaft hielt ebenfalls zu »ihrem« Unternehmen und arbeitete härter und motivierter als je zuvor. »Kapital« und »Arbeit« waren keine Antagonisten, sondern wurden zu Partnern. Der Insolvenz-Verwalter versah sein Amt umsichtig, fair und mit offenkundigem Verständnis für die Idee einer Genossenschaft.
Natürlich gab es Störfeuer von verschiedenen Seiten: »Interessierte Kreise« warnten vor den »Risiken« einer Genossenschaft und/oder warben für die Weiterführung von PROKON als Aktiengesellschaft mit der entsprechenden Möglichkeit schneller Kursgewinne (der Börsengang der Internet-Firma »Zalando« wurde dabei bezeichnender Weise als Vorbild angeführt!). Natürlich zeigten sich auch Großinvestoren interessiert an einem günstigen Einstieg in den Bereich Erneuerbare Energien. In großformatigen Anzeigen in mehreren Zeitungen und Informationsveranstaltungen versuchte vor allem der Atom-Konzern EnBW, die Genussschein-Inhaber zu einem Verkauf ihrer Anteile zu überreden. EnBW schreckte dabei auch nicht vor falschen und irreführenden Behauptungen zurück. Dagegen protestierten die Mitarbeiter von PROKON heftig. Sie schrieben einen offenen Brief an den (grünen) Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann. Und einige Freunde von PROKON wehrten sich erfolgreich mit anwaltlicher Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung.
Gegen alle Erwartungen musste das Großkapital am Ende die Segel streichen: Anfang Juli diesen Jahres stimmte die überwältigende Mehrheit der Genussrechts-Inhaber für eine Weiterführung von PROKON als Genossenschaft und wird das seinerzeit eingebrachte Kapital in Form von Genossenschaftsanteilen dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stellen! EnBW ging leer aus und rang sich in einer Pressemitteilung u. a. zu folgendem Statement durch „…wir haben großen Respekt für die Verbundenheit der Genussrechts-Inhaber mit PROKON“.
PROKON, als ein bedeutendes Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien, wird demnach in den Händen zahlreicher ökologisch engagierter Bürger und Bürgerinnen bleiben. Der Verein »Freunde von PROKON« wird auch in Zukunft das Projekt begleiten und verspricht auf seiner Homepage: „Wir nehmen die Herausforderung als ein Hoffnungsträger der Energiewende von unten an.“
Übrigens: Wer sich an diesem interessanten Modell alternativen Wirtschaftens künftig (finanziell oder sonstwie) beteiligen möchte, kann dies tun.
(Näheres unter www.prokon.net und www.freunde-von-prokon.de)
Der »Fall PROKON« zeigt, dass auch bei Großprojekten – mit Ausdauer, gelebter Solidarität und Sachkenntnis! – Alternativen zum vorherrschenden Finanzkapitalismus verwirklicht werden können.
Fazit demnach:
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