Corona-Maßnahmen

Christian Weber, Weilheim

Vor einigen Tagen fand ich beim Spaziergang mit unserem Hund Zettel an Abfallkörben und Laternenmasten, auf denen Folgendes stand: „Und die Corona-Maßnahmen gehen weiter, Monat für Monat, bis alles kaputt ist, wie unter Hitler

Ich habe mich gefragt, wie man so etwas schreiben kann. Unter Hitler wurden sechs Millionen Juden ermordet und dazu unzählige weitere Menschen, die dem Regime nicht passten. Im Zweiten Weltkrieg verloren viele Millionen Menschen ihr Leben, Soldaten und Zivilisten. Und das waren nur die größten Verbrechen der Nazis. Ein Vergleich der heutigen Situation mit der im Dritten Reich ist einfach abwegig.

Allerdings scheint dieser Vergleich bei Teilnehmern an Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen kein Einzelfall zu sein. In einer Fernsehreportage über solch eine Demonstration erzählte ein Mädchen, dass sie sich wie Anne Frank gefühlt habe, weil sie und ihre Gäste auf ihrer Geburtstagsparty leise sein mussten, damit sie nicht von den Nachbarn denunziert würden. Für Anne Frank ging es um Leben und Tod. Heute geht es höchstens um eine Geldstrafe.

Eine Frau sah sich in ihrem Protest mit Sophie Scholl verbunden. Sophie Scholl wurde für das Verteilen von Flugblättern hingerichtet. Jene Frau muss für ihre öffentliche Kritik an staatlichen Verordnungen keine juristischen Folgen befürchten (die Verfasser oben erwähnter Zettel auch nicht).

Es ist auch nicht so, dass durch die Corona-Maßnahmen „alles kaputt“ geht. Die Wirtschaft boomt. Der DAX, der zu Beginn der Pandemie massiv einbrach, erreicht alle paar Tage eine neue Rekordmarke. Amazon verdient sich eine goldenen Nase, und viele andere Firmen auch. Ich glaube, es wurden in Weilheim noch nie so viele Häuser gebaut wie jetzt.

Einiges geht aber schon kaputt. Viele Menschen sind durch die Corona-Maßnahmen erheblich wirtschaftlich beeinträchtigt. In den Sinn kommen mir vor allem Künstler, der Einzelhandel und in der Gastronomie Beschäftigte. Die verbreitete Kurzarbeit bringt viele Familien in finanzielle Bedrängnis.

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst durch die Corona-Maßnahmen schneller, und das fällt den Menschen auf. Sie ist aber schon vor Corona gewachsen, und diese Entwicklung wird sich vermutlich auch nach Corona fortsetzen. Denn die Corona-Maßnahmen sind nicht die einzige Ursache für diesen Trend.

Der amerikanische Multimilliardär Warren Buffet hat einmal gesagt: „Es gibt nur einen Krieg, das ist der Krieg Reich gegen Arm, und wir werden diesen Krieg gewinnen.“ Ich fürchte, er hat mit dieser Aussage unser Wirtschaftssystem sehr treffend beschrieben. Er hätte noch hinzufügen können, dass große Teile der Erde dann für den Menschen und viele Tiere unbewohnbar sein werden.

Auswirkungen dieses „Krieges“ können wir bereits in der Dritten Welt beobachten. Unsere Einschränkungen wegen der Corona-Maßnahmen sind zwar gravierend. Aber im Vergleich zu dem, was dort passiert, sind sie ein Klacks. Ich befürchte aber, dass dieser Krieg auch uns, die wir noch auf der Gewinnerseite stehen, erreichen wird, mit all seinen Folgen.

Als ich am nächsten Tag die eingangs erwähnten Zettel fotografieren wollte, waren sie abgerissen. Ich fand das schade. Man hätte sie hängen lassen sollen, denn jeder blamiert sich, so gut er kann.

Christian Weber, Weilheim

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