Dienstag, der 5. November 2024 wird uns im Gedächtnis bleiben. Donald Trump gewinnt zum zweiten Mal die US-Präsidentschaftswahl – Olaf Scholz entlässt den FDP-Finanzminister Christian Lindner und beendet damit die Ampel-Koalition. Anscheinend brachte das Wirtschafts-Strategiepapier von Christian Lindner das Fass zum Überlaufen.
Wirtschaftliches Wachstum und Fortbestehen des (angeblichen) Wohlstands stehen in Deutschland, in den USA und in vielen anderen Ländern unseres Planeten an erster Stelle. Die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen tun ein Übriges, um globale Krisenherde und elementare Risiken für unseren Planeten in den Hintergrund treten zu lassen. Über die verheerenden Unwetter in den USA und zuletzt in Spanien wird zwar weltweit berichtet, eine Schlussfolgerung oder gar ein Aktionsplan, wie man zumindest langfristig zukünftige Naturkatastrophen mildern kann, gibt es nicht. Die UN-Biodiversitätskonferenz COP16 im Oktober endete ohne nennenswerte Ergebnisse.
Der Verlust an Biodiversität schreitet in Deutschland und weltweit dramatisch voran. Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung sagt dazu: „Der Artenverlust bedroht unsere Existenz“.[1]
Der Schutz unserer Lebensgrundlagen Luft, Boden und Wasser ist Voraussetzung für das Weiterbestehen der Menschheit. Neue Straßen, schwere Elektroautos und ein weiterhin steigendes Bruttosozialprodukt werden unsere Lebensgrundlagen nicht schützen. Im Gegenteil: unser fortgesetztes Streben nach materiellem Wachstum wird Wasserknappheit, Ernteausfälle, Waldbrände, Überschwemmungen, Hitzeperioden und viele andere Naturkatastrophen noch weiter verstärken.
Was bedeutet Biodiversität?
Sie umfasst die verschiedenen Lebensformen wie Tiere, Pflanzen, Pilze und Bakterien, die unterschiedlichen Lebensräume, in denen Arten leben und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten selbst.
In den drei Ebenen genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Ökosystemvielfalt liegt die außergewöhnliche Buntheit des Lebens, die unseren Planeten so reich und einzigartig macht. Der Verlust an Biodiversität und die damit einhergehende Verschlechterung der Ökosysteme umfasst die Abnahme von Artenvielfalt und beschleunigtes Artensterben, den Schwund genetischer Vielfalt und die Beeinträchtigung von Ökosystemfunktionen.[2]
Diese Auffassung findet sich auch an offizieller Stelle wie dem Statistischen Bundesamt. Dort heißt es zu Tierhaltung, Fleischproduktion, Fleischkonsum: „Ob bio oder konventionell: Laut einer neuen Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP) beansprucht die Tierhaltung weltweit mittlerweile 78 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die fortschreitende Ausdehnung der Acker- und Weideflächen zerstört natürliche Lebensräume und geht zu Lasten der Biodiversität. Dünger und Pestizide verschärfen die Situation weiter. Zudem tragen die aus der Tierhaltung resultierenden Treibhausgasemissionen in nicht unerheblichem Maße zum Klimawandel bei. Um effektiv gegenzusteuern ist laut der UNEP-Studie „Food system impacts on biodiversity loss“ eine stärker pflanzenbasierte Ernährung und eine Umstellung der Lebensmittelproduktion notwendig.“[3]
Das Umweltbundesamt hat in einer Veröffentlichung bereits im Jahr 2013 auf diese Entwicklung hingewiesen. Damals betrug der weltweite Anteil der durch Tierhaltung beanspruchten Ackerflächen noch 71 %,[4] eine Steigerung von 7 % in 10 Jahren.
Ein Großteil der in Deutschland in der Tierhaltung eingesetzten Futtermittel werden in Südamerika produziert. Die von Donald Trump angedrohten Handelseinschränkungen und zusätzlichen Zölle werden nicht lange auf sich warten lassen. Am 7.12.2024 wurde zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay eine politische Einigung über das lange verhandelte Mercosur Freihandelsabkommen erzielt. Damit das Abkommen unterzeichnet werden und in Kraft treten kann, sind nun weitere Verfahrensschritte notwendig. Es ist zu erwarten, dass diese Verfahrensschritte erfolgreich durchgeführt werden, obwohl Frankreich und auch der deutsche Bauernverband das Abkommen durchaus kritisch sehen. Es könnte negative Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft haben, wenn deren Erzeugnisse aufgrund billigerer Rohstoffe aus Südamerika unter Preisdruck geraten.
Neben anderen möglichen negativen Auswirkungen auf Arbeitnehmer*innenrechte, unsere Umwelt, das Klima, den Rohstoffabbau, indigene Gemeinschaften, Kleinbäuer*innen bedroht dieses Abkommen auch die Biodiversität mit dem Schwerpunkt in Südamerika.
Es ist zu erwarten, dass das Mercosur-Abkommen zu einer weiteren Steigerung der Futtermittelimporte nach Europa und speziell nach Deutschland führen wird. Diese Entwicklung führt dann zu weiteren Abholzungen, dem Einsatz von Gentechnik und Pestiziden auf riesigen Monokulturen und zu einem weiter steigenden Verbrauch an Süßwasser. Darüber hinaus sind die teilweise erheblichen Unterschiede in den Produktionsstandards bekannt, auf die von Slow Food bereits seit längerem aufmerksam gemacht wird.[5]
Trotzdem befürworten viele Politiker*innen Handelsabkommen wie Mercosur. Dabei wird das Thema Biodiversität ausgeblendet und der Blick ist ausschließlich auf weiteres Wachstum und den Wohlstand im eigenen Land gerichtet. Nach wie vor sind wir von einer globalen Sicht auf die Dinge weit entfernt. Das Wahlergebnis in den USA wird diesen Trend verstärken.
Die globale Politik wird durch den Wahlerfolg von Donald Trump wieder ein Stück mehr von Klimaleugner*innen, Wachstumsfanatiker*innen und Wohlstandsverteidiger*innen bestimmt. Deutsche Politiker wie Olaf Scholz oder Robert Habeck haben sich bereits positiv zum Mercosur Abkommen geäußert. Eine gegenteilige Auffassung kommt vom Bayerischen Bauernverband. Der BBV Generalssekretär Carl von Butler fordert, dass EU-Rat und das Europaparlament jetzt noch die Reißleine ziehen und das Handelsabkommen verhindern. Insbesondere bei Umwelt-, Klima- und Tierschutzvorgaben klaffen die Unterschiede zwischen der EU und den Mercosur Staaten himmelweit auseinander. Der bayerische Bauernverband befürchtet vor allem bei Rindfleisch, Geflügelfleisch, Zucker und Ethanol einen drastischen Preisdruck aus den Mercosur-Staaten. Die komplette Stellungnahme der Delegierten der Landesversammlung des bayerischen Bauernverbandes findet man unter www.BayerischerBauernVerband.de/Positionen .
Aus Sicht von Slow Food Pfaffenwinkel ist dies ein perfektes Beispiel, wohin eine grenzenlose Globalisierung führen kann. Der Transport von Lebensmitteln über nationale Grenzen hinweg macht innerhalb von Europa schon wenig Sinn. Noch viel weniger erschließt sich die Sinnhaftigkeit des Transports von Lebensmitteln und entsprechenden Rohstoffen von Südamerika nach Europa. Es sind nicht nur die gigantischen Auswirkungen des Transports, sondern auch die Folgen einer industriellen Landwirtschaft in den Anbaugebieten. Es mag durchaus verständlich sein, warum europäische Bauern sich gegen die Unterzeichnung des Mercosur Abkommens wehren. Schaut man genauer hin, sind dies „nur“ ähnliche Bedingungen, wie in Europa Landwirtschaft betrieben wird. Der Anbau von Gemüse und Obst in den Monokulturen Süditaliens und Spaniens hat auch dort bereits tiefe Spuren in der Umwelt hinterlassen. Es wird zwar immer wieder beteuert wie hoch die Standards vom Anbau von Obst und Gemüse in Europa sind. Die Folgen für den Wasserhaushalt und die Biodiversität von Apfel Monokulturen in Südtirol oder Auberginen in Spanien sind jedoch deutlich sichtbar. In Südamerika werden die Auswirkungen nur noch gravierender sein.
Umso wichtiger erscheint das individuelle Handeln vor Ort. Seien es nun Streuobstwiesen, Schrebergärten, Orts- und Waldränder, Gärten, Grünanlagen, Parks und Friedhöfe.
Handlungsmöglichkeiten für naturnahe Freiflächen gibt es in großer Zahl. Selbst Industriegebiete lassen sich attraktiv gestalten, wenn man zwischen Fabrikhallen und Parkplätzen Lebensräume für Insekten, Amphibien, Vögel und Igel schafft. Das Handeln vieler Initiativen hierzulande ist extrem wichtig und macht dann doch etwas Mut. Die Anzahl der SoLaWis in Deutschland wächst beständig, viele Bundesbürger bauen selbst (wieder) Obst und Gemüse an.
Heiner Putzier, Weilheim
Slow Food Pfaffenwinkel
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- https://www.studienstiftung.de/portraets-interviews/katrin-boehning-gaese-der-artenverlust-bedroht-unsere-existenz/↵
- https://naturschutz-initiative.de/wissen/publikationen/die-biodiversitaetskrise/↵
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/tierhaltung-fleischkonsum/tierhaltung-fleisch.html↵
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/globale_landflaechen_biomasse_bf_klein.pdf↵
- Vergleich der Produktionsstandards https://www.slowfood.de/was-wir-tun/projekte-aktionen-und-kampagnen/gleiche-standards-fuer-alle-lebensmittel-eu-muss-spiegelmassnahmen-fuer-importlebensmittel-einfordern↵
1 Kommentar
Wen berührt „Biodiversität“? Wenige, nimm ich an. Rudolf Steiner konnte das aufzeigen. So wie Pflanzen in Kompost, also Resten von Pflanzen, die immer noch in Teilen ihre Ausstrahlung als Pflanze bieten, leichter wachsen, weil sie von der Ausstrahlung gestützt werden, so „wächst“ der Mensch in der Ausstrahlung von tierischem und pflanzlichem Leben leichter. Tierische Ausstrahlung und die Samen von Pflanzen stützen unsere genetische ordentliche Fortpflanzung, die auch für die dauernde Zellerneuerung nötig ist, siehe OHA:Landwirtschaft-biologisch-dynamisch-nachhaltig, und: Getreide-Urnahrung für heute kochen. Wir brauchen die lebendige Vielfalt um uns.