Berliner Demo gegen TTIP: Leitmedien berichten auf Sparflamme

TTIP-Verteidiger reden von „einfach strukturierter Empörungsindustrie“. (Foto: Sophie Kohl)

TTIP-Verteidiger reden von „einfach strukturierter Empörungsindustrie“. (Foto: Sophie Kohl)

Eine der größten Demos in der jüngeren Geschichte – Kritik an TTIP wird weitgehend ignoriert oder lächerlich gemacht

Es war eine der größten Demonstrationen in der jüngeren Geschichte Berlins: Im Oktober hat in Berlin eine gewaltige Zahl von Menschen gegen die geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) protestiert. Laut Reuters sollen es rund 250.000 Menschen gewesen sein. Es war damit die größte Demonstration, die dieses Land seit vielen Jahren gesehen hat!

Die Liste der Unterstützer war diesmal noch viel breiter als bei bisherigen Protesten gegen den Freihandel: Sie umfasst die Linkspartei, die Grünen, Attac, Campact, Greenpeace, BUND, Kirchen, aber auch Kulturvereinigungen, Gewerkschaften, den gewerbliche Mittelstand und zahlreiche unabhängige Gruppen.

Bundesregierung und Wirtschaft warben dagegen für das TTIP-Abkommen – und zwar mit Steuergeldern: „Bangemachen gilt nicht“, mahnte Vizekanzler Sigmar Gabriel in ganzseitigen Anzeigen, die in mehreren überregionalen und regionalen Tageszeitungen erschienen. Nach welchen Kriterien die Steuergelder unter den Medien verteilt wurden, ist nicht bekannt. Die Bundesregierung übt seit Jahren die Praxis, nur bestimmte Medien mit Anzeigen zu bedenken.  Eine wohlwollende Berichterstattung als Gegenleistung ist da fast selbstverständlich.

Bei einigen Medien scheint die Initiative der Bundesregierung schon auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein: Die größte Demo in Deutschland seit Jahrzehnten wird auf der Startseite der BILD-Zeitung nur ganz klein im unteren Teil erwähnt. Der SPIEGEL aber übertrifft alle, wenn er schreibt: „Doch bei den TTIP-Protesten sind die Rechten nicht Mitläufer, sondern heimliche Anführer (…) Die Kampagne gegen den Freihandel ist wie auf dem braunen Mist gewachsen (…) Wer nichts Schlimmes daran findet, sich gedanklich bei Pegida-Bachmann, Marine Le Pen und Donald Trump unterzuhaken, darf bei der Demo heute gerne hinter dem Plakat mit dem Chlorhühnchen herrennen. Alle anderen jedoch sollten sich fragen, wie sie aus einer solchen Gesellschaft schnell wieder herauskommen.“ Wir vom OHA fragen uns: Wie tief will der SPIEGEL – das einstige Flaggschiff eines kritischen, aufgeklärten Journalismus – eigentlich noch sinken?

In der SZ, im Münchner Merkur und in vielen anderen Leitmedien wird so gut wie nichts über Ziele bzw. Forderungen der Demoteilnehmer geschrieben. Die Berichterstattung beschränkt sich auf Fotos mit Bildtext bzw. allgemein – wie in der SZ – auf den Freihandel als »Chance«, ganz nach dem Motto, Europa müsse weiter und noch besser verhandeln. Im Bildtext des Münchner Merkur wird der TTIP-Protest der Bayern von einem EU-Vertreter als „romantisierende Heimatbezogenheit“ sowie „Verklärung von Nicht-Welthandel“ abgetan.

Wolfgang Fischer / Siegfried Müller

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