Aus meinem Tagebuch 02/2023

Die moderne neue Welt, wie ich sie oft erlebe: Spaziergänger und Radfahrer halten ihre Smartphones vors Hirn; Mütter oder Väter schieben Kinderwagen, eine Hand am Lenker, die andere am Phone; Kinder im Wagen jammern ab und zu unbeachtet vor sich hin; Erholungsuchende, die durch den Wald gehen, laufen oder rennen, tun dies offenbar sehr gerne mit Stöpseln im Ohr. Immer öfter sehe ich Autofahrer, die am Steuer telefonieren und mit einer Hand lenken. Die moderne Funktechnik hat die meisten Smartphone-Nutzer schon voll im Griff.

Meine Beobachtungen in dieser sich doch relativ rasch verändernden neuen Welt, in der immer wieder von einer »Zeitenwende« die Rede ist, will ich durch eine Auswahl widersprüchlicher Auffassungen und Erkenntnisse ergänzen. Wohin soll nun diese »Zeitenwende« führen? Wer dem Narrativ der Leitmedien glaubt, der weiß es ja schon: Um Frieden zu schaffen, muss die NATO-Ostflanke bis an die russische Grenze erweitert werden. Der »teuflische, unmenschliche, grausame, mörderische, irrsinnige, wahnhafte, propagandageladene, zerstörerische, imperialistische, verbrecherische … russische Angriffskrieg« – so ist oft in Artikeln und Leserbriefen der »seriösen Presse« zu lesen – muss unbedingt zur Kriegsverlängerung mit Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt und nach dem »Sieg des demokratischen Westens« dann irgendwie beendet werden.

Dazu könnte noch vieles gesagt werden, was aber für diesen Tagebucheintrag zu viel des Schlechten und auch zu umfangreich wäre. Was ich aber gerne noch kurz darstellen will, ist folgende Botschaft: Neulich habe ich bei der Durchforstung der zahlreichen Zitate, die ich zu diesem russischen »Überfall« gesammelt habe, ein ganz besonderes wiederentdeckt. Es stammt von Papst Franziskus. Er hat im Mai 2022, also einige Monate nach Beginn der »militärischen Spezialoperation« Russlands in einem Interview der Zeitung »Corriere della Sera« gesagt, dass „das Bellen der NATO am Tor Russlands“ („l’abbaiare della NATO alla porta della Russia“) dazu geführt haben könnte, „den Konflikt auszulösen“ („scatenare il conflitto“). Er, der Papst, sei zwar nicht sicher, ob diese Provokation den „Zorn-“ bzw. „Wutausbruch“ („ira“) bei Putin ausgelöst habe, „aber erleichtert vielleicht schon“ („ma facilitata forse sì“).

Noch ein kurzer Rückblick auf die letzten drei Jahre im »Corona-Modus«

Wer sich in den Corona-Jahren für eine freie Impfentscheidung eingesetzt und gegen den Impfzwang protestiert hat, wurde von Bundesregierung und Hauptstrom-Medien üblicherweise als Corona-Leugner, Impfverweigerer, Querdenker, empathieloser, unsolidarischer Asozialer usw. diffamiert und sogar in die rechtsextreme Naziecke gestellt.

Eigentlich will ich dieses Kapitel gerne abschließen, aber es gelingt mir einfach nicht. In unserer Bundesrepublik gab es bisher noch nie eine Zeit, die mit den letzten drei Jahren vergleichbar wäre, mit so vielen von oben verordneten Zwängen, mit so massiver Verbreitung von Angst und Panik und weitreichendem Entzug der Eigenverantwortung.

Heribert Prantl, ehemaliger Staatsanwalt & Richter an diversen bayerischen Amts- und Landgerichten & später Journalist, hat diese Exzesse von Regelungen in einer Talk-Runde am 9. Februar bei Markus Lanz aus meiner Sicht hervorragend dargestellt. Er sagte u. a. Folgendes:

Wenn Sie sagen, wir machen ja keine Operationen am offenen Herzen. Wir haben in den letzten drei Jahren am offenen Herzen des Rechtsstaats, am offenen Herzen der Demokratie operiert. Mein Fazit nach drei Jahren Corona ist Folgendes: Mir war dieser Staat, der mein Staat ist, der unser Staat ist, nie so fremd wie in dieser Zeit. Er war unbarmherzig und er ist mir manchmal unheimlich erschienen in der Art und Weise, wie er auftrat. Das gilt für die Exekutive, Legislative und für die Judikative. (…) Es war ein Regelungsexzess. Außerhalb von Gefängnissen ist in der Bundesrepublik das Leben nie so reglementiert worden wie in diesen drei Jahren. Und es war ein Exzess sondersgleichen. Das werfe ich der Verwaltung vor. Der Legislative werfe ich vor: Es war nicht mein Staat in der Zeit, mit dem ich konform ging. Ich werfe ihr vor, dass sie sich weitgehend zurückgezogen hat aus ihrem Geschäft. Und der Judikative – namentlich dem Bundesverfassungsgericht – werfe ich vor, dass sie bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit unglaublich zurückhaltend war. (…) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir haben hier ganz viel verletzt und diese Würde mit Füßen getreten.“ (…)

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer dass der auch in der Runde sitzende professionelle Angst und Panik-Verbreiter Karl Lauterbach wenig Lust hatte, darauf zu reagieren. Er verteidigte dennoch seine Maßnahmen mit der Begründung, dass sonst in Deutschland ungefähr eine Million Menschen an Corona gestorben wären, wenn es diese Maßnahmen nicht gegeben hätte. (Auf Nachfrage waren es laut Karl Lauterbach bisher etwa 180 000 Corona-Todesfälle; in der am 21.02.2023 veröffentlichten Studie von »Statista« wurden 167 387 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Corona-Virus in Deutschland bisher festgestellt.) Lauterbach beklagte auch die »ständige Politisierung der Maßnahmen« und hatte noch einen Seitenhieb auf die »Querdenker« parat. Diese hätten die Gefahren sehr verharmlost.

Sigi Müller, Schongau

1 Kommentar

    • Siegfried Klar, 82362 Weilheim auf 2. März 2023 bei 16:41
    • Antworten

    Lieber Herr Müller,
    Ihr nachdenkliches Tagebuch hat mich gerade inspiriert, eigene Gedanken mit einfließen zu lassen.

    Ein Kommentar zum Zitat von Papst Franziskus: „Das Bellen der NATO …“

    Der Kirchen-Chef ist ein weiser alter Mann mit Beobachtungsgabe. In seiner biblischen Bildsprache weist er dezent und treffsicher darauf hin, wer im Verdacht steht, den Krieg zwar nicht militärisch aber propagandistisch losgetreten zu haben. Das erinnert sicher einige ehemalige Schüler an die »Arena« Schulhof. Wer dort zugeschlagen hat, ist der alleinige Sündenbock, falls nicht ein begabter Lehrer nach Vorgeschichte und Auslöser fragt. Ein solcher Lehrer hat vor einigen Wochen die Ergebnisse seines umfangreichen Nachfragens in einem Buch vorgestellt [1]. In der kurzlebigen „modernen neuen Welt“ scheint leider das aufmerksame Lesen, gepaart mit kritischem Nachdenken, durch die „moderne Funktechnik“ ersetzt worden zu sein. Wiki und Faktenchecker liefern bequem Antworten zu allen Fragen auf’s Smartphone. Dass dort auch nur Menschen mit eigenen Interessen arbeiten wird anscheinend übersehen.

    Der Frage „Wohin soll nun diese »Zeitenwende« führen?“ möchte ich hinzufügen: Und wem nützt diese »Zeitenwende«? Welches Ziel könnte „Das Bellen der NATO“ verfolgt haben? War es ein Angst-Bellen gegen ein Russland, das der NATO militärisch unterlegen ist? Oder diente es der Schaffung eines geächteten Sündenbocks, um das eigene Ziel im Dunkeln zu halten? Einen Blick hinter die NATO-Kulisse gewährt uns der Publizist Werner Rügemer im letzten Jahr [2]. Nun befinden wir uns fast schon in einem dritten Weltkrieg und stehen vor der Frage: Wie kommen wir da raus?

    »FEMINISTISCHE AUSSENPOLITIK«? [3] – was hat das zu bedeuten?

    Gestern warb Annalena Baerbock für eine »Feministische Außenpolitik«! Ausgerechnet Frau Baerbock, die mit Diplomatie ganz offensichtlich nichts am Hut hat und stattdessen wie ein dressiertes Hündchen die Wünsche ihres (männlichen) US-Kollegen Blinken erfüllt?

    Ich denke, mit »Diplomatischer Außenpolitik« ist uns mehr gedient. Und dafür gibt meiner Meinung nach intelligentere und kompetente Frauen, wie z.B. Frau Prof. Ulrike Guérot. Die gibt sich aber für den westlichen Kriegskurs nicht her.

    MfG.
    S. Klar

    [1] Georg Auernheimer, 09.01.2023: „Wie Russlands Nachbar zum Kriegsschauplatz wurde“
    https://www.buchkomplizen.de/buecher/hintergrund-verlag/der-ukraine-konflikt.html
    [2] Werner Rügemer, NDS 23.04.2022: „NATO: Die Gründungs-Lüge“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=83181
    [3] Maximilian Heim, BR 01.03.2023: „Feministische Außenpolitik“
    https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/feministische-aussenpolitik-darum-geht-es-baerbock-und-schulze,TXFDR5q

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