Armut im Steuer-Paradies


Eine Auswahl verschiedener Aspekte und Erkenntnisse

Wünsch dir was: Jubel–Trubel–Heiterkeit! – Berg & gut heil! – Glück auf & ab! – (Cartoon: Petra Altmann)

War Deutschland seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 schon einmal ein Steuerparadies? Ja, das ist offenbar tatsächlich der Fall, wenn wir mit Christoph Butterwegge auf den Anfang des Wirtschaftsaufschwungs zurückblicken.

Der emeritierte Professor für Politikwissenschaft bietet in seinem Buch »Die zerrissene Republik« einen erhellenden Ein- und Überblick über die Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik in Deutschland. Er zeigt klar auf, wie sich die kontinuierlich wachsende Ungleichheit über die Jahrzehnte hinweg entwickelt hat und wie deutsche Regierungen von Adenauer bis Merkel – egal in welcher Parteienkonstellation – den Reichtum kontinuierlich gefördert und die steigende Armut hingenommen haben.

Doch zurück zum Steuerparadies in der Nachkriegszeit. Noch unter US-amerikanischer Besatzung orientierte sich die Besteuerung offenbar am damaligen US-Modell namens »New Deal«. Und wie sah dieses Modell für unser Gemeinwesen aus? 1950 zahlte man mit einem Einkommen von 250 001 Mark noch 186 215 Mark Steuern. Ein Millionär trug mit 898 714 Mark Steuern substanziell zur Beseitigung von Ungleichheit bei. Danach konzentrierten sich alle Regierungen auf Reichtumsförderung. Kapital- und Gewinnsteuern wurden reduziert oder ganz abgeschafft. Ehemals als Bagatell-Steuern belächelte Abgaben auf Tabak oder Sekt bringen dem Staat heute mehr Geld als etwa die Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften oder die betriebliche Erbschaftsteuer.

Über die rasante Reduzierung bzw. Abschaffung von Kapital- und Gewinnsteuern kann auch im Kapitel 12 »Geld regiert die Welt« von Hauke Fürstenwerth vieles nachgelesen werden. Da heißt es u. a. : „Im Jahr 1946 mussten die Kapitalgesellschaften in den westlichen Besatzungszonen 65 Prozent Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne zahlen, gleich ob diese einbehalten oder ausgeschüttet wurden. Aktionäre hatten ausgeschüttete Dividenden in vollem Umfang im Rahmen der damals im Vergleich zu heute sehr hohen Einkommensteuer zu versteuern.“ (…)

Fürstenwerth benennt in seiner Aufstellung zur »Steuersenkungsorgie« die Vielzahl gesenkter bzw. abgeschaffter Steuern zur Förderung des Reichtums. Die Liste ist lang. Hier ein kurzer Auszug: Die Vermögen­steuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Die Gewerbekapitalsteuer ist seit 1998 abgeschafft. Die Körperschaftsteuer wurde stufenweise von 50, 40, 25 auf nur noch 15 Prozent (seit 2008) abgesenkt. Eine weitere Senkung ist bereits angedacht.

Bei der Förderung privaten Reichtums von Kapitalgesellschaften und Aktionären durch die Steuerpolitik hat sich auch die rot-grüne Regierung von Schröder und Fischer hervorgetan. Hans Eichel (SPD) senkte den Spitzensteuersatz um 11 Prozent von 53 auf 42 Prozent. Sahra Wagenknecht wünschte sich angesichts dieser Entwicklung die Steuersätze aus der Regierungszeit von Helmut Kohl zurück.

Es verfestigt sich zunehmend der Eindruck, dass die »Verarmung« des Staates nicht zufällig, sondern politisch gewollt ist. Ergebnisse der als »Reformen« bezeichneten Maßnahmen sind Armut, verrottende Infrastrukturen im Bildungs- und im öffentlichen Verkehrswesen sowie der Notstand im Gesundheits- und Pflegebereich.

Was zeigt uns der aktuelle Armutsbericht?

Was zu tun wäre, kann auch dem kürzlich veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes entnommen werden: „In gut einem Viertel aller Regionen ist die Armut in den vergangenen zehn Jahren gleich um mehr als 20 Prozent gestiegen“, sagt Jonas Pieper, Referent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die Armutsquoten zeigen ein viergeteiltes Deutschland. In Anbetracht der Entwicklungen fordert der Verband einen »Masterplan zur Armutsvermeidung«, Mut zu einer anderen Steuerpolitik und als „Sofortmaßnahmen“ eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze auf 528 Euro sowie eine Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro. – Insgesamt sind diese Erkenntnisse alles andere als erfreulich. Wir müssen sogar damit rechnen, dass die derzeit herrschende Politik solche Vorschläge zur Armutsvermeidung und Förderung des Gemeinwohls mit Floskeln wie »Gleichmacherei«, »Neiddebatte«, »ideologische Mottenkiste« usw. erneut abschmettern wird.


(Fortsetzung folgt)
Sigi Müller, Schongau

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