Alternativen für Kunststoffe – bitte kritisch bleiben! (8)

Roland Greissl
Roland Greißl

Der Verbraucher ist König – aber ohne die Medien ist er nichts. Kritische Köpfe müssen diese stets von Neuem reizen, damit sie sich elementarer Probleme annehmen. Seit eineinhalb Jahren hat es das Thema »Plastik« auch in die letzten Mainstream-Medien geschafft.

In Tageszeitungen und in allen gängigen Nachrichtensendungen sind die verheerenden Folgen der Plastikverschmutzung unseres Planeten alltäglich geworden. Vermutlich nur, weil die Schock-Effekte verendeter Tiere und die verheerenden Folgen von Mikroplastik in immer mehr Lebensbereichen nun auch (fast) beim letzten Bürger angekommen – und inzwischen Quotenbringer sind.

Was sind nun die Alternativen, aus denen sich vollwertige Plastik-Ersatzstoffe produzieren lassen? Neulich entdeckte ich diese »clevere Verpackung« auf dem Tetrapack einer Berchtesgadener Milch mit pflanzenbasierter Beschichtung aus Zuckerrohr (siehe Foto!).

Berchtesgadener Milch: »Clevere Verpackung«

Zuckerrohr? Ja, das ist gut. Nachdem sich die Industrie eben erst zu einer deutlichen Reduzierung von Zucker in immer mehr Nahrungsmitteln »verpflichtet« hat, spricht nichts dagegen, dass die Zuckerrohranbauer andere Erwerbsquellen finden – sofern für diesen Anbau nicht, wie im Falle Biosprit, gewaltige Flächen wertvoller Wälder gerodet werden!

Naturkautschuk – eine Lösung? Luftballons aus diesem Material lassen Kinderaugen nicht weniger leuchten als die aus Kunststoffen. Aber auch dieses Material braucht mehrere Wochen bis zur Verrottung und kann, von Tieren gefressen, zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod führen, auch durch die Halteschnüre für Postkarten. Inflationär sollten sie also bei Kindergeburtstagen, Schulfesten und auf Jahrmärkten nicht in die Lüfte steigen.

Seegras (Algen) als Basis für Kunststoff-Ersatzprodukte mit schier unbegrenzten Möglichkeiten wird aktuell stark propagiert vom indonesischen Startup Unternehmen Evoware. Immerhin ist Indonesien einer der größten Verursacher von Plastikmüll, und ein Drittel davon in den Weltmeeren sind Verpackungen. Das Besondere am Konzept der Firma sind essbare, schmackhafte, zwei Jahre haltbare und sehr gesunde Verpackungen von Fast-Food-Gerichten, Müsli-Riegeln, Einwegbechern oder schnell verrottende Kaffee-Beutel oder Schutzhüllen für Seifen und mehr. Als »Game-Changer« im Kampf gegen die Plastikflut werden sie sogar gefeiert. Sie treten damit in Konkurrenz zu den Algen als Nährstofflieferanten der Zukunft, von denen Vegan-Magazine schwärmen. So bleibt zu hoffen, dass die Menge an künstlich angebautem Seegras den Bedarf befriedigen könnte, ohne dass, wie für die Shrimps-Farmen, ganze Ökosysteme brachial zerstört werden. Und natürliche Seetang-Felder sind unersetzlich für das Aufwachsen von Mikrolebewesen und Fischschwärmen.

Gelten Algen als die am schnellsten wachsenden Organismen im Wasser, so gilt Bambus als der am schnellsten wachsende Rohstoff an Land. Unzählige Bambus-Ersatzprodukte sind auf dem Markt – als Schüsseln, Tellerchen, Trinkhalme oder Einwegbecher (»Bamboo-to-go«): doch Vorsicht! Spülmaschinengeeignet sind diese nur, wenn sie mit Melamin, einem synthetischen Kunstharz, verbunden werden. Ab 70 Grad können dabei Krebs erregende Stoffe in die Getränke geraten, zum Beispiel in der Mikrowelle. Lange Testreihen haben gezeigt, dass sich diese Becher in der Natur niemals vollständig auflösen und nach ihrer Abnutzung verbrannt werden müssen. Die biologisch abbaubare Maisstärke ist leider nicht stabil genug. Andere Bambusbecher sind mit Polylactaten auf Milchsäurebasis kombiniert – was man als »Bioplastik« bezeichnet. Dass diese Becher äußerst günstig produziert, aber sehr teuer verkauft werden, ist ein weiteres Ärgernis, auf das die Deutsche Umwelthilfe hinweist. Wie jene synthetisch hergestellten Textilfasern, die gerne irreführend als »Bambusfasern« verkauft werden. Also: Augen auf bei schnellen Lösungen!

Roland Greißl, Fuchstal
(Bambus-Infos: SWR2 Impuls/SWR Wissen aktuell, 13.4.2018, 15.45 h)

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