Was machen die Aufsteiger besser?
Wer oder was ist denn schuld an dieser Misere? Warum lassen die sonst so pflegeleichten Wählenden die bisher fest im Sattel Sitzenden so abblitzen, indem sie ihr Kreuzchen plötzlich bei anderen setzen?
Die Verlierer der Bayernwahl wollen ja jetzt erst mal alles „analysieren“, so ist von den Spitzenpolitikern der CSU unisono zu hören. Und wie üblich kommt bei der Suche nach den Schuldigen wiederum nur Floskelhaftes über die Lippen der Mandatsträger. Die bei der Bayernwahl stark abgestraften SPD-Politiker wollen tatsächlich wieder zur „Sacharbeit“ zurückkehren. Was damit gemeint ist, bleibt – wie so oft – völlig nebulös und frei interpretierbar.
Noch-Innenminister Horst Seehofer will jetzt in seiner CSU „ein starkes Profil entwickeln“. Worthülsen wie „solide“, „zuverlässig“, „berechenbar“ sind universal einsetzbare Schlagwörter, die flott über die Lippen der Polit-Profis kommen. Ja – nicht zu vergessen – „aus Fehlern lernen“ ist auch wieder angesagt.
Warum die vormals großen Parteien ins Strudeln geraten sind, liegt eigentlich auf der Hand. Irgendwann dämmert es auch dem Gutgläubigsten, dass es so nicht weitergehen kann, dass die Schere zwischen den immer mehr Habenden und den immer weniger Bekommenden weiter auseinandergeht, dass die Steuerreformen der letzten Jahrzehnte nicht der breiten Bevölkerung geholfen, sondern die Reichen noch reicher gemacht haben. Die offensichtlichen Betrügereien der Finanz- und Autoindustrie gepaart mit fehlenden Maßnahmen zum Schutz des Gemeinwohls dürften das Fass wohl endgültig zum Überlaufen gebracht haben.
Die Bankenkrise vor zehn Jahren und die von Kanzlerin Merkel „alternativlose Rettung“ durch den Steuerzahler – ein Raubzug auf Kosten der Allgemeinheit – hatte das Vertrauen bereits nachhaltig zerstört. Und immer wieder zeigt sich, dass die Exzesse der Finanzindustrie mithilfe nichthandelnder Regierenden so weitergehen. Besonders spektakulär sind die etwa seit der Jahrhundertwende praktizierten Betrügereien durch Cum-Ex-Geschäfte. Finanzexperten sprechen von einem „Beutezug durch Europa“ auf Kosten der Steuerzahler durch das Hin- und Herschieben von Aktien: europaweit geschätzter Schaden über 50 Milliarden €, davon über 30 Milliarden € allein in Deutschland! Auch hier hat die Politik lange tatenlos zugeschaut und die Öffentlichkeit nicht informiert. Anton Hofreiter von den Grünen bezeichnete dies als Versagen und „Blamage für die deutsche Finanzpolitik“.
Es ist kaum zu glauben, dass derartige Manipulationen und Betrügereien in Milliardenhöhe von den Regierenden nicht nur ermöglicht, sondern auch geduldet wurden. Überall fehlen die Finanzmittel – für Schulen, Bildung, ÖPNV, sozialen Wohnungsbau usw., aber die politisch Verantwortlichen der großen Parteien lassen ohne Hemmungen zu, dass der Sozialstaat durch betrügerische Machenschaften von superreichen Spekulanten ausgebeutet wird.
Jetzt noch kurz etwas zu dieser unsäglichen Diesel-Affäre. Da geht es der GroKo nicht um die Gesundheit der Menschen, die unter Abgasen leiden, sondern vorrangig um die Vermeidung von Fahrverboten sowie die Erhöhung der Grenzwerte.[1] Dazu kommt noch die unterschiedliche Behandlung der durch die Autoindustrie Betrogenen in den USA und hierzulande: Hardware-Einbau und finanzielle Entschädigung dort, Kniefall vor der Industrie und verordneter Schaden durch Wertverlust für Dieselauto-Besitzer hier!
Angesichts dieser Entwicklung ist es wirklich nicht schwer sich vorzustellen, dass eine Partei wie die Grünen, die sich für Umweltschutz, Landwirtschaft ohne Glyphosat, gegen den Flächenfraß usw. stark macht, Pluspunkte sammeln kann. Auch die Freien Wähler haben in Bayern mit ihrem erfolgreichen Einsatz gegen die unsozialen Straßenausbaubeiträge und ihre Unterstützung der Demos gegen die Strabs den Nerv der Bevölkerung getroffen. Die in Bayern so erfolgreichen »Roten Karten gegen die Strabs« sind inzwischen deutschlandweit im Einsatz. In der klaren Haltung für den Tierschutz sowie gegen den Bau der 3. Startbahn sehe ich weitere Pluspunkte, die auch in Programmen kleiner Oppositionsparteien enthalten waren, denen ich den Platz im Landtag anstelle von Blau & Gelb durchaus gegönnt hätte.
Sigi Müller, Schongau
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- „Wir glauben, dass in der Regel Fahrverbote nicht verhältnismäßig sind, wenn es sich um Grenzwert-Überschreitungen von geringerem Umfang – also bis zu 50 Mikrogramm pro Kubikmeter – handelt. Wir wollen hierzu das Bundesimmissionsschutzgesetz, also die entsprechenden Gesetze, ändern.“ Bundeskanzlerin Merkel zu Fahrverboten↵
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