Offener Brief an Umweltminister Reichhart


Arbeitskreis Fuchstalbahn der Umweltinitiative schreibt an Minister

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Reichhart, 
anlässlich Ihrer Antwort auf unsere Postkartenaktion ‚Grünes Licht für die Fuchstalbahn‘ an die Bürger/Bürgerinnen, die Ihnen schrieben, nehmen wir als Arbeitskreis Fuchstalbahn in der Umweltinitiative Pfaffenwinkel wie folgt Stellung.

Sie führen eingangs an, dass eine Reaktivierung ‚sinnvoll und möglich‘ sein muss. Zur Beurteilung dieser beiden Voraussetzungen dienen die von Ihnen aufgeführten vier Kriterien, die nach Ihren Worten den Maßstab hierfür bilden. Grundvoraussetzung für den Einstieg in einen Reaktivierungsprozess sind positive, schriftliche Gremienbeschlüsse zugunsten der Reaktivierung der Strecke durch die Aufgabenträger des ÖPNV. Hier hat der Kreistag Weilheim-Schongau mit einem einstimmigen Beschluss zur Reaktivierung der Fuchs­talbahn über alle Parteien hinweg ein eindeutiges Signal an Sie gesendet. Auch der Kreisausschuss Landsberg hat sich am 3.12.19 einstimmig dafür ausgesprochen, dass zwischen Landsberg und Schongau wieder Personenzügen verkehren sollen.

Zudem verlangen Sie für eine sinnvolle Reaktivierung die Darlegung eines verkehrlichen Mehrwerts der ÖPNV-Anpassung für die Region an den neu zu schaffenden SPNV. Diese Aufgabe kann momentan nur kurz skizziert werden in einem Eckpunkte-Papier, das die Bürgermeister der Fuchstalbahn Gemeinden voraussichtlich im Frühjahr vorstellen werden. Ein detailliertes Konzept wird erst mit einem späteren Gutachten möglich sein. Die Bürgermeister aus Schongau, Kinsau, Denklingen, Fuchstal, Unterdießen und Landsberg haben sich vor Kurzem auf dieses Eckpunkte-Programm für die Reaktivierung der Fuchstalbahn verständigt.

Sonderfahrt auf der Fuchstalbahn mit dem Schienenbus. Deutlich zu sehen, dass die Bahn freie Fahrt hat während sich der Verkehr auf der B17 staut. (FOTO: Rolf Podlewski)

Auffallend ist, dass nachfolgend Ihrerseits keine Argumente für die Wiedereinsetzung von ehemals stillgelegten Bahnlinien erfolgen, sondern der Tenor auf Nach­teilen und Belastungen für Bürger, Gemeinden und Aufgabenträgern sowie der Umwelt im Fall einer Reaktivierung liegt. Allerdings wissen wir, dass derzeit im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bund) Bundeszuschüsse in Höhe von 90 % der Kosten diskutiert werden, was die Gemeinden extrem entlasten würde. Sie führen mögliche Nachteile für die Bevölkerung und die bestehenden Verkehre an im Falle einer Nichtanpassung des ÖPNV. Eine von Ihnen geforderte Anpassung des ÖPNV an die durch die Reaktivierung betroffenen Verkehrsstrukturen ist aus unserer Sicht nur eine logische Folge. Allein die Vermeidung von Parallelverkehren ist zu gewährleisten. Das dann angepasste Busliniensystem würde vorrangig eine Zubringerfunktion zu den Haltepunkten auf der Bahnstrecke erhalten und Verbindungsfunktionen zu den Gemeinden in der Fläche erfüllen. Insofern erweist sich ein derart reformiertes Bussystem durchaus als Vorteil für die Bevölkerung. Bereits bestehende Verkehrssysteme haben sich häufig genug als Nachteil erwiesen (z. B. zu wenige Fahrten im ländlichen Raum).

Bei der ökologischen Bewertung von Schienenverkehr im Vergleich zum Verkehrsträger Bus betonen Sie, dass Dieselzüge bei einer Nachfrage von unter 1000 Pkm/km einen höheren Schadstoffausstoß bzgl. CO2 und NOx zeigen. Sie vergleichen sehr günstige Verbrauchswerte für den Bus mit ungünstigen Verbrauchswerten für Dieselloks und übersehen die Tatsache, dass heute verbrauchsgünstigere Dieseltriebwagen eingesetzt werden. Sie erkennen nicht, dass nach einer Reaktivierung einer Bahnlinie mit einer deutlich höheren Nachfrage gerechnet werden kann, wodurch sich der spezifische Treibstoffverbrauch und der damit verbundene Schadstoffausstoß pro Fahrgast verbessert. Zudem unterstellen Sie, dass reaktivierte Strecken grundsätzlich mit Diesel betriebenen Zügen gefahren werden. Die Möglichkeit, Strecken zu elektrifizieren oder alternative Antriebe, wie z. B. Hybrid-Fahrzeuge oder Wasserstoff getriebene Züge, die in Niedersachsen bereits erfolgreich getestet werden, ziehen Sie als Möglichkeit überhaupt nicht mit ein. Die Fuchstalbahn als Modellprojekt für Hybrid-Fahrzeuge zu verwenden wäre ein deutschlandweit innovativer und klimafreundlicher Ansatz für Ihr Ministerium. Dies könnte über den Ringschluss Lechfeld-, Fuchstal-, Pfaffenwinkel- und Ammerseebahn geschehen. Jeweils von Augsburg bis Geltendorf, in Weilheim und Kaufering stehen Oberleitungen zur Aufladung von Hybrid-Akkus zur Verfügung, die übrigen Streckenabschnitte werden dann mit dem extrem leisen Akkumotor gefahren. Vorteil des Ringverkehrs wären auch Einsparungen bei Personal und Triebwagen und damit Kostenersparnis.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Betrachtung erscheint uns ein Vergleich zum Bussystem eingeengt auf den Kostenfaktor Infrastruktur, Personal sowie den Unterhalt als sehr unzureichend. Der gesellschaftliche Mehrwert einer Bahnreaktivierung besteht aus wesentlich mehr Indikatoren, z. B. der Senkung von Unfallhäufigkeit im Individualverkehr, Entlastungen von Verkehrsachsen (z. B. der B 17) sowie positive Effekte im Ausbildungs-, Schüler-, Pendlerverkehr und in unserer Region im Freizeit- und Tourismusbereich (Stichwort Romantische Straße) u.v.a. Eine Gegenrechnung bezüglich Neubau, Unterhalt und Sanierung von Straßen und Brücken sowie der gesellschaftlichen Kosten des Individualverkehrs (u.a. Unfälle mit all ihren Folgekosten) unterbleibt. Ebenso bleibt bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Güterverkehr auf der Schiene unberücksichtigt. Derzeit wird die Strecke für Gütertransporte durch die DB Cargo für Unternehmen in der Region genutzt.

Aufgrund der defensiven Diktion Ihres Antwortschreibens mit Schwerpunkt auf Buslinien bekommen wir den Eindruck, dass die Reaktivierung von stillgelegten Bahnlinien Ihrerseits nicht gewollt wird. Es drängt sich uns der Verdacht auf, dass das eigentliche Ziel der Staatsregierung samt der ihr zugehörigen BEG ist, Reaktivierungsvorhaben und ihre Umsetzung bis auf die wenigen, die sich nicht mehr verhindern ließen, zugunsten von Buslinien zu minimieren. Hauptinstrument der Abwehr und Verhinderung von Initiativen sind dann die von Ihnen in Stein gemeißelten vier Kriterien.

Was wir an Ihrem Ministerium und der BEG vermissen, sind kreative Überlegungen, wie vorhandene Schieneninfrastrukturen besser genutzt werden können, Menschen einen Umstieg vom Individualverkehr auf spurgebundene Verkehrsmittel zu erleichtern. Gerade die BEG als Aufgabenträger des bayerischen SPNV sehen wir diesbezüglich in der Pflicht, auch bei der Beteiligung an Kosten der Ertüchtigung von Infrastrukturen der zu reaktivierenden Bahnstrecken. Ihrem Ministerium als vorgeordnete Behörde der BEG, Herr Minister Reichhart, stände es an, einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik hin zu klimafreundlichen und innovativen Konzepten einzuleiten und diese von nun an nicht nachfrage- sondern angebotsorientiert zu gestalten. Und gerade hierin sehen wir eine wesentliche Aufgabe Ihrerseits, um zu einer dringend notwendigen Verkehrswende beizutragen.


Harald Baumann
Sprecher des Arbeitskreises Fuchstalbahn
in der Umweltinitiative Pfaffenwinkel

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