Giftwelle rollt aber auch auf uns zu
Schätzungsweise 20.000 Tonnen Müll landen jedes Jahr allein in der Nordsee – davon 75 Prozent aus Plastik. An den Stränden liegt immer mehr Plastikmüll. Naturschützer warnen schon seit langem davor, dass die Meere immer weiter vermüllen. Um die Touristen nicht zu vergraulen, werden die Badestrände regelmäßig gesäubert – während sich draußen auf dem Meer regelrechte Müllhalden bilden.
Die Nachrichten aus der Wissenschaft sind alarmierend. In einem Pottwal – gestrandet vor Südspanien – haben Biologen 17 Kilogramm Kunststofffolie entdeckt. Der Magen war mit Plastik verstopft, das Tier ist verhungert. Meeressäuger, Fische und auch Seevögel können die Plastikpartikel von ihrer Hauptnahrungsquelle, dem Zooplankton, meist nicht unterscheiden. Sie nehmen Plastik als vermeintliche Nahrung auf.
Am Wilhelmshavener Institut für Chemie und Biologie des Meeres entnehmen die Mitarbeiter aus jedem untersuchten Herings-Magen kleinste Kunststoffpartikel. Ihr Resümee: Kein Fisch ohne Plastik! Und das ist auch für den Menschen, der den Fisch verzehrt, alles andere als ungefährlich.
Der Meereschemiker Prof. Gerd Liebezeit stellt dazu Folgendes fest: „Hauptbestandteil des Plastiks sind lange Kohlenstoffketten, die sind ungefährlich. Gefährlich sind die Zusatzstoffe wie Weichmacher, UV-Schutzmittel, Flammschutzmittel und andere Stoffe, die dazu dienen, dem Plastik andere Eigenschaften zu geben. Die können dann im Magen-Darm-Trakt aus dem Plastik herausgelaugt werden und dann im Organismus Schadstoffwirkung erzeugen.“ Das heißt: Diese Giftstoffe aus Kunststoff landen dann letztlich auf unseren Tellern.
Ein noch völlig unterschätztes Problem ist das sogenannte Mikroplastik. Das sind winzige Körner, die zunehmend unsere Flüsse belasten. Diese Art Plastik ist vorwiegend in Duschbädern und Kosmetikartikeln enthalten. Die in den Produkten verarbeiteten Plastikpartikel sollen die Haut massieren oder peelen. So manche Zahnpasta – so die Werbung – soll damit für blendend weiße Zähne sorgen. Verbraucher orientieren sich an solchen Produkten, die zweifellos geschickt beworben werden, wissen aber nicht, dass darin Mikroplastikpartikel enthalten sind, die letztlich ins Abwasser gelangen und inzwischen in fast allen Flüssen zu finden sind. Kaum eine Kläranlage filtert die Teilchen heraus. Technisch wäre dies mit Hilfe von Mikrosieben möglich. Aber die sind in Deutschland nicht zwingend vorgeschrieben.
So treiben die Partikel Richtung Meer und reichern sich dabei mit Schadstoffen an. Plastik hat nämlich eine besondere Eigenschaft. Es wirkt wie ein Magnet auf Schwermetalle und Dioxine. Diese Giftstoffe gelangen also dank Plastik auch in die Nahrungskette.
Was Bundesumweltminister Peter Altmaier zu dieser Problematik sagt und was zum Schutz von Umwelt und Verbraucher zu tun ist, hört sich so an: „Wir müssen immer wissen, dass 95, 98 Prozent aller Belastungen der Meere nicht in Deutschland entsteht, sondern in Ländern, oftmals in armen Ländern wie Bangladesh, Pakistan, Indien, China. Dort müssen wir wirksame Maßnahmen ergreifen. Und deshalb halte ich die Diskussion, die jetzt über Plastiktüten begonnen hat, in Deutschland jedenfalls nicht für zielführend.“
Zum Thema »Mikroplastik« allgemein:
„Ich finde, dass dieses Problem ein sehr ernsthaftes ist und deshalb würde ich mich gerne zusammensetzen auf der Arbeitsebene mit den zuständigen Kosmetikunternehmen, mit den Beteiligten, mit dem Umweltbundesamt, um zu diskutieren, welche schonenderen Alternativen es gibt, die auch für die menschliche Gesundheit besser sind.“
Zum Verbot von »Mikroplastik«:
„Wir werden jetzt mit den Verantwortlichen reden, und danach werden wir über konkrete Maßnahmen entscheiden. Ich werde nichts ausschließen, aber es wäre falsch, jetzt schon mit der Keule zu drohen, wenn man möglicherweise einvernehmliche Lösungen erreichen kann.“
Geschehen ist bisher nichts – die Diskussion über die Zukunft von Plastiktüten ist laut Altmaier „nicht zielführend“. Inzwischen werden alleine in Deutschland jährlich 7 Milliarden Plastiktüten verbraucht. In Frankreich, Italien, Bangladesch und anderen Ländern sind die Tüten inzwischen verboten – nicht so in Deutschland.
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