Geld ohne Zins und Inflation – Das die Zukunft rettende Geldsystem

Herwarth Stadler

Herwarth Stadler

„Zinsen zahlt nur der, der Schulden (Kredite) hat!“ – das ist die landläufige Meinung. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Wir zahlen alle mit jedem Einkaufspreis im Durchschnitt 40% des Umsatzes effektive oder kalkulatorische Zinsen, weil das in unserem Geldsystem seit vielen Generationen »wissenschaftlich«[1] so begründet ist. Wir erleben im Moment die letzte Phase des »Zuges der Lemminge vor dem Sturz in den Abgrund«.

Nicht umsonst weisen seit Jahrtausenden alle großen Religionen[2] in ihren Verhaltens-Anweisungen auf die schädliche bis zerstörerische Wirkung des »Geldverleihens gegen Zins« hin und stellen das unter strenge Verbotsregeln[3]. Wir hatten im Hochmittelalter drei Jahrhunderte, in denen die Zinswirtschaft[4] ausgesetzt war. Es war die große Blütezeit unserer Kultur: Die Kathedralen und Dome wurden auf Generationen-Baustellen errichtet, die heutigen denkmalgeschützten Altstädte wurden gebaut und die Menschen arbeiteten fremdbestimmt höchstens an vier oder fünf Wochentagen nicht mehr als sechs Stunden täglich in der Werkstatt oder auf der Baustelle. Lehrlinge und ledige Gesellen wurden im Betrieb rundum ihr Leben lang versorgt. Der Meister besaß in der Regel ein Stück Land, das von allen gemeinsam bewirtschaftet wurde, und hatte Vieh im Stall. In der heutigen ausdifferenziert arbeitsteiligen Produktionsweise der Nordhalbkugel entspräche das einem »bedingungslosen Grundeinkommen « mit 4-Tage und 24-Stunden-Arbeitswoche.

Zuwachsraten GeldvermögenDer Zusammenhang von steigender Ausbeutung der Arbeit und persönlichen Leistung der abhängig Beschäftigten und des so genannten Mittelstandes über deren offensichtlichen Prekarisierung bis hin zu überwuchernder Staatsverschuldung ist den wenigsten Politikern/Entscheidern bewusst. Schuld daran ist die neoliberale Wirtschaftstheorie, die ideologisch alle Denkkategorien der Volks- und Betriebswirtschaft seit mehreren Jahrzehnten beherrscht (Milton Friedman lässt grüßen). In den letzten drei Jahrzehnten hat es über 3 Dutzend Wirtschafts- und Geldkrisen gegeben – die letzte weltweite dauert nun schon fünf (!) Jahre ohne dass ein Ende (mit Schrecken) abzusehen ist. Denn die jährlich zu bezahlenden Zinsen sorgen dafür, dass die 10% der Geldvermögensbesitzer in Deutschland trotzdem immer reicher werden (seit 2000 waren es im Durchschnitt jährlich 8,67% nach Steuern); gleichgültig, ob es weltweit gerade eine der sechs Wirtschafts-/Geld-Krisen gab, oder einen bescheidenen Aufschwung, ihr Geldvermögen wuchs dank der sprudelnden Zinseinnahmen auf fast das Dreifache an (im Durchschnitt 252 Mrd € pro Jahr!)

Wird die Zinseszins-Geldwirtschaft unterbunden, weil Geld selbst – entgegen der plakativen Werbung – natürlich nicht arbeiten kann, sondern nur Tauschvermittler in der arbeitsteiligen Wirtschaft ist, gibt es keinen Inflationsdruck mehr. Kredite werden gegen eine Bearbeitungs- und (rückzahlbare) Risiko-Gebühr ausgegeben und können so nicht mehr Ursache für leistungslose Mehr-Einkommen sein. Dass das funktioniert, beweisen seit den 1930er-Jahren verschiedene »parallele« Kredit-/ Geld-Genossenschaften: Das so genannte „J.A.K.“-Modell in Schweden, das „LET“-System in Dänemark oder die „WIR“-Genossenschaften in der Schweiz.

Erste Versuche gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg, die nach dem Theoriemodell von Silvio Gesell (um 1900 publiziert) gearbeitet haben. Sie werden »Parallel«-Geldsysteme genannt, weil sie, staatlich zugelassen neben der offiziellen Währung ihren eigenen Geldkreislauf organisieren und kompatibel zu dieser und deren Volkswirtschaft sind. Nicht von ungefähr gibt es in unserem Geldsystem etwas ähnliches seit den 20er Jahren, nur eben mit Zinsen beschwert und dadurch teuer: Das Bausparen mit den Bausparkassen – man muss eine bestimmte Summe ansparen und bekommt dann, wenn man Sicherheiten bieten kann, einen etwa doppelt so großen Kredit eingeräumt. Näheres zum »Geldsystem ohne Zinsen«, wie es seit einigen Jahren mit den Regionalwährungen[5] experimentel eingeübt wird, wird in meinem Juli-Vortrag bei der GEW in Peiting zu erfahren sein.

Herwarth Stadler

 

Quellenangaben / Hinweise


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  1. Die so genannten »Nobel-Preise für Wirtschaftswissenschaften « werden nicht vom bekannten Nobelpreis-kommittée vergeben sondern von einer Stiftung, die von einigen Großbanken und Verlagshäusern dotiert wird. Das originale norwegische Nobel-Preis-Committèe legt darauf besonderen Wert, nicht mit ersterem gleich gesetzt zu werden (nur weil der jährlich im selben Zeitraum verliehen wird). Die herrschende Meinung wehrt sich verzweifelt gegen die Anerkennung des grundlegenden Systemfehlers, dass die Exponentialfunktion des Zinseszinses das ganze Theoriegebäude zerstören wird.
  2. Vom Talmud über die Bibel und den Koran bis zu den buddhistischen Weisen sind sich alle Religionsgründer und Propheten einig, dass der »Tanz ums goldene Kalb« verderblich und eines gläubigen Menschen unwürdig ist.
  3. In den islamischen Staaten wie Saudi Arabien wird das auch innerstaatlich durchgeführt; die Erdölmilliarden werden auf westlichen Banken und Börsen gehandelt und sind so nicht den Koranregeln unterworfen.
  4. das Zinsverbot wurde im christlichen Herrschaftsraum streng durchgesetzt, es gab häufig Erlassjahre, in denen alle angefallenen Schulden getilgt wurden;
  5. am bekanntesten in Südbayern sind der »Chiemgauer« im Landkreis Rosenheim und der Grenzen überschreitende »Sterntaler« im Berchtesgadener und Salzburger Land.

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