Geld ist der Kitt der Wirtschaft, weil er alles mit allem vergleichbar macht. Zugleich ist es aber auch die größte Wunde einer auseinander driftenden Gesellschaft. Wird es knapp gehalten, verarmen viele; wird es großzügig ausgegeben, droht Inflation. Jedenfalls, wenn es, wie das herrschenden Zinsgeld, falsch konstruiert ist. Regisseur Claus Strigl begibt sich in seinem mitreißenden Film auf die Spur der Probleme – aber auch der Lösungen.
In einem Stadtviertel kursiert plötzlich ein 1000-Euro-Schein. Ein Wirt kauft davon einen schicken Mantel für seine Frau, der Schein geht durch viele weitere Hände … Schließlich geht er zurück an den Wirt, der dafür eine Festgesellschaft verköstigt. Manche werden einwenden, dass es 1000-Euro-Scheine gar nicht gibt. Na und? Dieses «Nichts» hat viele Leute reicher und glücklicher gemacht. Sollen also Zahlungsmittel beliebig gedruckt und ausgegeben werden? Solchen kniffligen Fragen geht Claus Strigls Film »Der Schein trügt« nach. Der Regisseur trifft Warren Buffet, den reichsten Mann der Welt, Geldguru Bodo Schäfer, Fans der Schweizer Komplementärwährung WIR, einen hoch verschuldeten Mann und einen Sprachwissenschaftler, der erklärt warum es in der Ökonomie so viele theologische Begriffe gibt (»Erlös«, »Gläubiger«, »Offenbarungseid«).
Der ehemalige belgische Zentralbanker Bernard Lietaer beschreibt, wie Konkurrenzdruck entsteht, weil Banken zwar Geld ausgeben, nicht aber die Zinsen, die sie hinterher verlangen. Er fragt, wie es kommen kann, dass in Afrika zwar Hungernde, aber kein »Markt« (sprich: kein Geld) vorhanden ist. „Wir schalten einen Filter zwischen die Fülle des Universums und uns“, beklagt Lietaer. Neben den Problemen werden aber auch einige Lösungsansätze vorgestellt.
Die kleinste Bank Deutschlands
„Geld ist eigentlich ein ehrenrühriges Geschäft“, sagt jemand, der es wissen muss: Fritz Vogt, Chef der Kreditgenossenschaft Gammelsberg, der kleinsten Bank Deutschlands. Als »Bankdirektor« möchte der streitbare Mann nicht bezeichnet werden. „Damit würden Sie mich beleidigen.“ Ein erfolgreicher Bankdirektor müsse von dem ihm anvertrauten Geld möglichst viel für die Bank behalten, er wolle, dass das Geld bei den Menschen bleibe. In Vogts winziger Raiffeisen-Filiale gibt es kein EDV-System und keine Bankomaten. Menschen sprechen mit Menschen, man kennt einander. Banking sei „das einfachste von der Welt. Einer hat Geld, der bringt’s zur Bank; einer braucht Geld, der holt es ab.“ Als Belege dienen ellenlange Ausdrucke auf Papier.
Nur drei Dienstleistungen gibt es: Sparbuch, Girokonto und Darlehen – «Downsizing» in Reinkultur. Auf die 350 000 «Finanzprodukte», auf dem Markt ist Fritz Vogt nicht gut zu sprechen. „Die haben nur den einen Zweck: den Bürger hinters Licht zu führen.“ Und überhaupt: Der Ausdruck »Produkt« ist Unsinn: „Als ob eine Bank was produzieren würde!“ Leicht war es für Vogt nicht, sein »anachronistisches« Konzept durchzuboxen. Mehrfach gab es Probleme mit der Bankenaufsicht, auch wegen seiner günstigen Kreditkonditionen. Der 76-Jährige beruft sich jedoch auf Gründervater Friedrich-Wilhelm Raiffeisen selbst. Der sei „dem Kapital in den Arm gefallen“. So viel Bodenständigkeit und kritischer Geist ist in Deutschland leider ein Auslaufmodell – oder vielleicht die Zukunft!?
Regisseur Claus Strigl drängt seine Lösungen nicht auf, seine Sympathien sind aber klar: Komplementärwährungen, die Angebote und Kaufbedürfnis zusammenbringen und das Geld in der Region halten. Paradebeispiel und krönender Abschluss des Films ist sein Bericht über das Experiment Palmeira.
Mikrokredit trifft Regionalwährung
»Gott hat die Welt erschaffen, wir Einwohner haben Palmeira geschaffen.« Joaquin de Melo, dem Gründer der Banco Palmas in Fortaleza (Brasilien), mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Dazu hat er Grund: Sein Projekt, die Kombination aus selbst verwaltetem Stadtviertel, Mikrokrediten und Regionalwährung, läuft rund. Angefangen hat alles mit einem Akt der Vertreibung. Die Einwohner eines Küstenstreifens mussten neuen Hotels weichen. Im Inland bildete sich ein Slum. Doch die Menschen nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand und bauten eine Siedlung, die 30 000 Bewohnern alles Lebensnotwendige bietet. Trotz ihres Fleißes kamen die Bewohner aber nie aus der Armut heraus. Warum nicht? Sie entdeckten den Knackpunkt im Geldsystem. „Das Geld ist wieder davon geflossen wie bei einem löchrigen Eimer.“ Die Lösung war eine lokale Währung: „Man kauft voneinander und jedes Mal entsteht lokaler Wohlstand.“ Das Bruttoinlandsprodukt, weiß de Melo, hängt von der Umlaufgeschwindigkeit ab.
Einzigartig an Palmeira ist aber die Gewährung von zinslosen Mikrokrediten, die nur in der Ortswährung »Palmas« ausgegeben werden. Eine Arbeitsbörse, eine Caféteria, eigene Produktionsstätten und soziale Projekte ergänzen das Angebot von Palmeira, das nach dem Prinzip der Selbstverwaltung funktioniert. Auch Paul Singer, Brasiliens Staatssekretär für solidarische Ökonomie, unterstützt das Projekt. Gewöhnliche Zentralbanken seien „verschlossen gegen die Demokratie“ und würden von der privaten Finanzindustrie kontrolliert. Sein Resümee: „Wir müssen die Macht über unser Geld zurückgewinnen.“ Das gilt nicht nur für Brasilien.
Dies sind nur einige der vielen verblüffenden Einsichte, die dieser Film vermittelt. Mit Spielszenen, Interviews und Computertricks ist er überdies hochprofessionell und spannend gemacht.
Claus Strigl: Der Schein trügt – Eine Expedition in die Rätsel des Geldes, DENKmal-Film, 2009, 97 Min., 19 Euro, www.denkmal-film.com
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